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Die mögliche Rezeptfreigabe der sogenannten „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) ist unter Gesundheitsexperten weiter umstritten. Bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Edgar Franke (SPD) am Mittwoch, 2. Juli 2014, äußerten Ärztevertreter konkrete medizinische Bedenken. Sozialverbände plädieren hingegen dafür, die Pille aus der Rezeptpflicht zu entlassen, um Frauen und vor allem Mädchen einen schnellen und eigenständigen Weg zur Notfallverhütung zu eröffnen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt, LNG rezeptfrei anzubieten, da das Hormonmittel ausreichend getestet sei und keine unerwünschten Nebenwirkungen entfalte.
In zwei Anträgen fordern die Fraktionen Die Linke (18/1617) und Bündnis 90/Die Grünen (18/492), von der Rezeptflicht abzusehen. Das Bundesgesundheitsministerium und die Unionsfraktion wollen an der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ jedoch festhalten.
Nach Ansicht des Berufsverbandes der Frauenärzte ist die Abgabe der Pille nicht unproblematisch, weil zum Beispiel ab einem Körpergewicht von 75 Kilogramm die Wirkung infrage gestellt sei. Von dieser Einschränkung seien rund ein Drittel der Frauen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren betroffen.
Wäre die Pille freigegeben, würden sich Frauen und Mädchen auf deren Wirksamkeit verlassen, was ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen zur Folge hätte. Überdies gebe es ausreichend Ärzte und Bereitschaftsärzte, um die nötige Beratung auch zeitnah sicherzustellen. In vielen Fällen sei die Verordnung der Pille beispielsweise gar nicht nötig.
Bedenken kamen auch vom Forschungsinstitut für Frauengesundheit der Universität Tübingen. In Deutschland sei mit der jetzigen Regelung die Zahl der ungewollten Schwangerschaften unter Minderjährigen und die Abbruchrate bei Mädchen unter 18 Jahren deutlich zurückgegangen. Entscheidend sei eine umfassende Aufklärung und der Schutz der Mädchen und nicht die rezeptfreie „Pille danach“.
Derzeit bekämen die Mädchen die Pille auf Rezept in den Apotheken kostenlos. Würde sie freigegeben, müssten 18 Euro bezahlt werden. Dies wäre eine Benachteiligung der jungen Mädchen, die oft so viel Geld nicht hätten. Überdies könne ein Apotheker allein nicht beurteilen, aus welchem Grund ein Mädchen in die Verhütungsnotlage gekommen sei.
Von guten Erfahrungen mit LNG berichtete ein Vertreter der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Es habe vor der Freigabe der Pille auch in Österreich kontroverse Debatten gegeben, nun sei jedoch eine „Erfolgsgeschichte“ daraus geworden, da sich alle Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten.
So könne von einem sorglosen Umgang mit dem Hormonmittel nicht die Rede sein, auch Nebenwirkungen habe das Präparat nicht. Umfragen hätten zudem ergeben, dass in vielen Fällen Frauen aus festen Beziehungen die Pille nachfragten. Über die Beratungsqualität in Apotheken gebe es keine Beschwerden.
Eine Frauenärztin von der Berliner Charité wies darauf hin, dass LNG seit 30 Jahren verwendet werde und gut erforscht sei. Das noch wirksamere Alternativpräparat Ulipristalazetat gehöre zu einer anderen Substanzklasse und sei mit LNG nicht vergleichbar. Schwerwiegende Nebenwirkungen seien bei LNG nicht bekannt.
Der Bundesverband pro familia erinnerte an den Zeitfaktor. Nur ein schneller Zugang zu dem Präparat, auch am Wochenende und auf dem Land, sichere den Erfolg. Apotheker seien für die Beratung ausreichend qualifiziert. (pk/02.07.2014)