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Eine Mehrheit des Deutschen Bundestages unterstützt die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak. In einer Sondersitzung am Montag, 1. September 2014, stimmten CDU/CSU und SPD für ihren gemeinsamen Entschließungsantrag, der das Vorhaben der Bundesregierung unterstützt (18/2459). Eine Ministerrunde unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntagabend entschieden, die Kurden für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Waffen aus Beständen der Bundeswehr auszurüsten. Die Lieferung von Panzerabwehrraketen, Panzerfäusten und Gewehren soll in den kommenden Wochen beginnen. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnen diese Pläne ab, ihre jeweiligen Entschließungsanträge der beiden Oppositionsfraktionen (18/2457, 18/2458) fanden jedoch keine Mehrheit im Plenum.
In ihrer Regierungserklärung zum Thema „Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge im Irak und Kampf gegen die Terrororganisation IS“ hatte Bundeskanzlerin Merkel zunächst die Gründe für die Entscheidung dargelegt: Der Isis-Terror könne „uns in vielerlei Hinsicht auf keinen Fall kaltlassen. Seine Expansion muss aufgehalten werden“. Alles was nicht ihrem Weltbild entspreche, räume die Terrororganisation „grausam aus dem Weg“. Hier werde eine Religion „in furchtbarer Weise missbraucht, um Mord, Terror und Herrschaftsanspruch zu legitimieren“.
Merkel verwies auch auf die Sicherheitsinteressen Deutschlands: „Wenn sich Terroristen ein Gebiet unterjochen, um dort einen Rückzugsort für sich und andere Fanatiker zu schaffen, dann wächst auch für uns die Gefahr.“
Merkel unterstrich, dass die Bundesregierung mit den Lieferungen der Bitte der kurdischen Autonomieregierung unter Zustimmung der irakischen Zentralregierung nachkomme und „Maßnahmen zur Bekämpfung“ des Isis-Terrors auch durch einen Resolution des UN-Sicherheitsrates gedeckt seien. „Uns liegt es fern, zentrifugale Kräfte im Irak zu unterstützen.“
Die Kanzlerin räumte jedoch ein, dass mit den Waffenlieferungen auch Risiken verbunden seien. „Umgekehrt haben wir aber auch gefragt: Was ist mit den akuten Risiken, die von der Terrorgruppe Isis ausgehen, wenn wir jetzt keine Waffen und keine Munition liefern?“, sagte Merkel. „Das, was ist, wiegt in diesem Fall schwerer als das, was sein könnte.“
Der Fraktionschef der Linken, Dr. Gregor Gysi, bezeichnete es als „stillos“, am Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren über Waffenlieferungen zu debattieren. „Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt - da verdient man an jedem Krieg. Wir sollten so schnell wie möglich Waffenexporte verhindern“, sagte Gysi.
Nicht dass die Bundesregierung Waffenexporte in Krisengebiete zulasse, sei das eigentlich neue, sondern dass nunmehr Waffen an Kampfverbände gehen sollen, die nicht der irakischen Regierung unterstehen würden, sagte Gysi und kritisierte, dass der Bundestag in dieser Frage zwar debattiere - aber nicht entscheiden dürfe. Um die „terroristische Söldnerarmee IS völkerrechtlich wirksam bekämpfen“ zu können, brauche es den UN-Sicherheitsrat - und nicht Vorstöße einzelner nationaler Regierungen.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, verteidigte die geplanten Waffenlieferungen als „Ergebnis einer wohlbegründeten Abwägung in einem Ausnahmefall“. Es gehe um den Schutz Hunderttausender Flüchtlinge, und diese Hilfe setzte ein Mindestmaß an militärischer Absicherung voraus.
Die Entscheidung der Bundesregierung sei kein „Tabubruch in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ - auch wenn diese Waffen „keinen Rückholschein“ hätten: Die Gefahr eines „fortgesetzten Völkermordes und weiterer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ seien höher zu bewerten als das „durchaus vorhandene Risiko, dass unsere Waffen in falsche Hände geraten“, sagte Oppermann.
Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hielt den „konkreten Vorschlag“ der Bundesregierung für falsch, nicht die Intention. Vom Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, dürfe man nicht abweichen. „Niemand kann kontrollieren, wo die Waffen am Ende landen und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden“, sagte Hofreiter. Solche Lieferungen an Konfliktparteien seien auch in der Vergangenheit oft ein schwerer Fehler gewesen, sagte Hofreiter mit Blick auf US-Waffen, die in die Hände islamistischer Milizen wie IS gefallen seien.
Hofreiter forderte zudem eine internationale Strategie gegen IS unter stärkerer Einbeziehung der Vereinten Nationen. Zudem müsse die Bundesregierung eine „humanitäre Offensive“ für die Flüchtlinge im Nordirak starten und viel stärkeren Druck auf Länder wie Saudi-Arabien und Katar ausüben, aus denen Unterstützung für IS käme.
Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte ein deutliches Zeichen der EU-Mitglieder, die Flüchtlinge im Irak angesichts des bevorstehenden Winters mit Hilfsgütern zu unterstützen. So richtig es sei, dass sich Deutschland zur Aufnahmen von Flüchtlingen bereit erklärt, so müsse dennoch alles dafür getan werden, den Menschen eine Perspektive vor Ort zu erhalten. Die Region dürfe nicht „Jesiden-frei und Christen-frei werden“.
Kauder sagte zudem, es sei nicht zu fassen, wenn sich Hunderte oder gar Tausende junge Menschen aus Europa den Terroristen anschlössen. Es könne nicht angehen, dass „radikale Salafisten für den Heiligen Krieg in Syrien und im Irak in unserem Land werben“.
Gegen das Votum der Linken und bei einigen Enthaltungen aus den Reihen der Grünen nahm der Bundestag den Entschließungsantrag von CDU/CSU und SPD an. Der Bundestag forderte damit die Bundesregierung auf, sich weiterhin für die Bildung einer inklusiven Regierung im Irak einzusetzen und den politischen Prozess zur Einbindung aller Volksgruppen im Irak zu unterstützen. Auch sollte sich die Regierung mit den internationalen Partnern für eine politische Regelung des Konflikts in Syrien, der erhebliche Auswirkungen auf die Nachbarländer habe, einsetzen.
Der Bundestag begrüßte zudem, dass die Regierung ein umfassendes Unterstützungspaket für die irakische Zentralregierung und die Regionalregierung Irak-Kurdistans beschlossen hat. Er befürwortet die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge und die Bereitschaft, diese Mittel gegebenenfalls aufzustocken. Ebenso wird gutgeheißen, dass die Regierung den Sicherheitskräften der Regionalregierung neben der Schutzausrüstung auch weiteres Militärgerät zur Verteidigung gegen die überlegenen IS-Truppen zur Verfügung stellen will.
Gegen das Votum aller übrigen Fraktionen scheiterte die Linke mit ihrem Entschließungsantrag, in dem sie von der Regierung verlangte, keine Waffen in den Irak zu liefern und stattdessen die Organisation "Islamischer Staat" von ihrern Förderern und Financiers in Katar, Saudi-Arabien und der Türkei abzuschneiden. Darüber hinaus verlangt die Fraktion ein generelles Verbot des Rüstungsexport und bis dahin des Exports von kleinen und leichten Waffen, Waffenfabriken und Rüstungsgeütern in Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete sowie andere Krisenregionen. Staatliche Hermes-Bürgschaften sollte es für solche Exporte nicht mehr geben.
Bei Enthaltung der Linken fand auch der Entschließungsantrag der Grünen keine Mehrhiet. Die Fraktion trat dafür ein, eine internationale Irak-und-Syrien-Kontaktgruppe einzurichten und alle diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit im Irak und in Syrien zu befördern. Die Finanzierungsquellen der "Isis"-Terrororganisation sollten konsequent ausgetrocknet werden. Die Fraktion befürwortete zudem ein international abgestimmtes humanitäres Hilfsprogramm für die Menschen im Irak und in Syrien unter Führung der Vereinten Nationen. (ahe/vom/01.09.2014)