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25 Jahre nach der friedlichen Revolution zieht die Bundesregierung eine positive Bilanz der Bemühungen um die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland. „Die Annäherung ist weitgehend gelungen“, sagte Iris Gleicke (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, die den vom Kabinett zuvor beschlossenen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2014 am Mittwoch, 24. September 2014, in der Regierungsbefragung des Bundestages vorstellte. Doch insbesondere Abgeordnete der Linksfraktion konnten dieses Fazit nicht teilen: Geringere Renten und Löhne offenbarten noch immer gravierende Unterschiede zwischen Ost und West.
Gleicke verwies jedoch auf die Modernisierung der Infrastruktur, den Wiederaufbau vieler Innenstädte, den Ausbau eines modernen Verkehrsnetzes und auch die Beseitigung der massiven Umweltverschmutzungen. „Hier hat sich viel verändert“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Positiv habe sich auch die ostdeutsche Wirtschaft entwickelt: „Sie steht auf einem breiten Fundament“, unterstrich Ostbeauftragte, räumte aber gleichwohl ein, dass sich der Aufholprozess in den vergangenen Jahren verlangsamt habe. So sei das Bruttoinlandsprodukt zwar im Vergleich zum Anfang der neunziger Jahre doppelt so hoch, liege aber dennoch nur bei 66,6 Prozent des Westniveaus. „Die Arbeitslosenquote war 2013 so niedrig wie nie zuvor, lag aber mit 10,3 Prozent gegenüber sechs Prozent im Westen noch immer deutlich höher“, so die SPD-Politikerin.
Der Osten bedürfe deshalb weiterer Unterstützung: Auch nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 werde es eine Förderung für die strukturschwachen Regionen im Osten geben – allerdings nicht mehr im Rahmen spezieller Ost-Förderprogramme, sagte Gleicke und verwies auf die nun beginnenden Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.
Deren Ziel sei es auch, die Förderprogramme der ostdeutschen Länder in ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen zu überführen.
Wolfgang Tiefensee (SPD) wollte als erster Fragesteller wissen, weshalb die Bundesregierung trotz des weiteren Förderbedarfs der ostdeutschen Wirtschaft plane, die Mittel für Programme wie etwa das zur Unterstützung von Industrieforschungseinrichtungen (INNO-KOM-Ost) oder das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) zu kürzen.
Gleicke entgegnete, dass die Förderung des Mittelstands weiterhin einen hohen Stellenwert habe: „Wir wollen die Programme erhalten.“ So habe die Bundesregierung in diesem Zusammenhang etwa die Mittel für das Fachprogramm "Entwicklung konvergenter Informations- und Kommunikationstechnologien" erhöht.
Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) fragte angesichts der Schwierigkeiten von Kommunen in strukturschwachen Regionen, ihre Angebote der Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten, wie die Bundesregierung das „Engagementpotenzial“ in Ostdeutschland heben wolle. „Welche Instrumente schlagen Sie vor und wie ist Ihre Position zu Regionalbudgets“?
Die Staatssekretärin antwortete, dass insbesondere eine „vernünftige“ finanzielle Ausstattung der Kommunen zentral sei. Diese gelte es zu gewährleisten. Zur Einrichtung von Regionalbudgets wollte sich Gleicke jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern.
Karin Binder (Die Linke) kritisierte die Darstellung der Bundesregierung, die Angleichung der Lebensverhältnisse sei „weitgehend gelungen“. „Da haben wir eine andere Ansicht.“ Renten, Löhne und Gehälter seien auch noch 25 Jahre nach der Wende im Osten niedriger, so Binder: „Es gibt noch einiges zu tun.“
Binder fragte, wie es zusammenpasse, dass die Bundesregierung zwar ein einheitliches Rentenrecht schaffen wolle, trotzdem aber unterschiedlich hohe Mütterrenten beschließe. Gleicke konterte, dass die Mütterrenten deshalb noch in Ost und West verschieden seien, weil sie auf einem uneinheitlichen Rentenrecht basierten. Dieses wolle die Bundesregierung jedoch bis 2019 vereinheitlichen.
Daniela Kolbe (SPD) erkundigte sich, wie sich die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro auf die Renten auswirken werde.
Daraufhin erklärte die Ostbeauftragte, dass der Osten vergleichsweise stärker vom Mindestlohn profitieren werde – und zwar nicht nur die Erwerbstätigen, sondern auch die Rentner. „Das getrennte Rentenrecht ist hier sogar ein Vorteil“, sagte Gleicke. „Die Rentensteigerungen werden hier größer sein als im Westen.“ (sas/24.09.2014)