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Über die Grundgesetzänderung des Artikel 91b zur Aufhebung des Kooperationsverbotes im Hochschulbereich waren sich Regierung und Opposition in der Debatte am Freitag, 10. Oktober 2014, weitgehend einig. Außerordentlich strittig war hingegen, ob diese Änderung ausreicht. Die Opposition und sogar Teile der SPD empfinden die Änderung der Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Wissenschaft als nicht genügend und plädierten mit Vehemenz auch für eine Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich.
Die Opposition monierte, die lediglich im Hochschulbereich anstehende Aufhebung sei „nicht mal der Spatz in der Hand“, wie es Dr. Rosemarie Hein (Die Linke) formulierte. Und Katja Dörner von Bündnis90/Die Grünen kritisierte, es reiche nicht aus, „nur halbherzige Korrekturen“ anzubringen.
In der Debatte, der der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes Artikel 91b (18/2710) und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/2747) zugrunde lagen, verteidigte Bundesbildungs- und Forschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) im Eingang ihrer Rede die Föderalismusreform von 2006 und zeigte auf, dass alle großen Pakte wie der Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre nicht ohne die damalige Grundgesetzänderung möglich gewesen wären.
Die Grundgesetzänderung nun sei nicht dazu da, um die Föderalismusreform zu „korrigieren“ oder zu „reparieren“, sondern den Gedanken von damals weiterzuführen: Wichtig sei, dass die zeitliche Befristung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich aufgehoben werde und die Hochschulen institutionell gefördert werden könnten, genauso wie es jetzt schon bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Fall sei.
Über eine weiter gehende Grundgesetzänderung, die das Kooperationsverbot auch in der Bildung aufhebe, könne der Bund erst dann reden, wenn die Länder eine einheitliche Meinung dazu hätten. Gerade in Baden-Württemberg werde vom dortigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) die Auffassung vertreten, die Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildung gehe „auf keinen Fall“, zitierte Wanka den Ministerpräsidenten.
Aber sie nannte auch andere Bundesländer, die kürzlich im Bundesrat nicht für die Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildung gestritten hätten. „Das fand auch ich erstaunlich“, fügte Wanka an. Sie könne als ehemalige Landesministerin aber verstehen, dass man sich vom Bund nicht alles vorschreiben lassen wolle. Bund und Länder bräuchten bei allen großen Themen - wie etwa der Inklusion - ein gemeinsames Handeln aber nicht eine Grundgesetzänderung. „Das ist nicht notwendig“, fügte Wanka kompromissorientiert an.
Rosemarie Hein (Die Linke) beschrieb die Historie der Föderalismusrefom ganz anders als die Bundesbildungsministerin. 2006 sei das Ziel gewesen, die Aufgaben von Bund und Ländern klarer voneinander zu trennen, „komplizierte Mischfinanzierungen zurück zu drängen“ und „Blockademöglichkeiten zwischen Bund und Ländern zu vermeiden“. Aber zumindest im Bereich der Bildung sei das „gründlich nach hinten losgegangen“.
Denn mit dem Verbot der gemeinsamen Finanzierung seien die notwendigen Finanzierungaufgaben in der Bildung blockiert und nicht erleichtert worden. „Es ist also das Gegenteil davon eingetreten, was beabsichtigt war“, fügte Hein an. Deswegen seien zahlreiche Hilfsprogramme, wie etwa die Lernförderung erfunden worden. Es sei zu einer Umwegfinanzierung gekommen.
Grundsätzlich machte sie deutlich, dass die vorliegende Änderung nicht ausreiche, weil die Kosten in der Bildung für die Länder nicht zu stemmen seien. „Wir brauchen überall sanierte Schulen und Kitas, wir brauchen überall Schulsozialarbeit, überall Inklusion, bessere Kinderbetreuung, überall bessere Lehrkräfte.“
Am Schluss ihrer Rede wandte sie sich an die Länder. Natürlich wisse sie, dass einige Länder Angst um ihre Zuständigkeiten hätten und mauern: „Aber die Länder müssen endlich über ihren Tellerrand der Landeszuständigkeit hinaus schauen und Bildung als eine Gemeinschaftsaufgabe sehen.“
Hubertus Heil (SPD) bezeichnet die Grundgesetzänderung als „richtigen Schritt, neue Kooperationen mit den Hochschulen zu schaffen“. Sie schaffe erstmals für den Wissenschaftsbereich dauerhafte und institutionelle Verlässlichkeiten. Man könne aber sehr wohl darüber streiten, ob mehr und weitere Möglichkeiten gebraucht werden, sagte er und verhehlte nicht, dass die SPD diese Grundgesetzänderung lediglich als ersten guten Schritt ansehe.
Insgesamt hätte sich die SPD gewünscht, das Kooperationsverbot auch für die Bildung abzuschaffen und zitierte den früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden und heutigen Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier, der 2013 im Plenum gesagt hatte: „Das Kooperationsverbot in der Bildung ist ein in Verfassungsrecht gegossener Irrtum, der beseitigt werden muss.“ Das sei noch heute Linie der SPD, so Heil: „Das müssen wir miteinander hinbekommen.“ Auch wenn die Koalition diesen Dissens aushalten müsse, täte sie, was gemeinsam möglich sei und zeige dadurch die Handlungsfähigkeit dieser Koalition, fügte er ganz grundsätzlich hinzu.
Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei ein schwerer Fehler gewesen, das Kooperationsverbot in die Verfassung zu schreiben: „2006 wurde nicht die Zusammenarbeit ermöglicht, sondern 2006 wurde die Tür dafür weitestgehend zugeschlagen und es ist nur ein ganz kleiner Spalt offen gelassen worden.“ Das sei ein schwerer Fehler gewesen und „dieser schwere Fehler, den muss man korrigieren.“
Der Vorschlag, der vorliege, reiche nicht. Zudem kritisierte sie die Koppelung zwischen der BAföG-Novelle und der Grundgesetzänderung als extrem ärgerlich und unfair. Dörner erläuterte zum Hintergrund, dass der Bund angekündigt habe, die Kosten für das BAföG nur zu übernehmen, wenn die Länder der Grundgesetzänderung zustimmen. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen) habe das als Erpressung bezeichnet. „Und es ist eine Erpressung“, fügte Dörner an.
Albert Rupprecht (CDU/CSU) lobte den Wissensstandort Deutschland. In den Innovationsrankings tauche Deutschland regelmäßig wieder weit vorne auf. Seit 2005 sei der Haushalt für Bildung und Forschung um hundert Prozent gestiegen. Aber die gute Position habe auch etwas damit zu tun, das der Bund „riesige Pakete“ wie die Hightech-Strategie und den Pakt für Forschung und Innovation für die Wissenschaft in den letzten Jahren geschnürt habe.
„Deutschland ist für die Wissenschaft wieder hoch attraktiv“, sagte er und trug als Beleg Zahlen aus der Praxis vor: Beim Max-Planck-Institut kämen 86 Prozent der Postdoktoranden und 31 Prozent der Direktoren aus dem Ausland.
Die anstehende Verfassungsänderung sei wichtig, um die zeitliche Befristung der Bund-Länder-Kooperation im Hochschulbereich aufzulösen und nachhaltige Anreize zu schaffen. Zudem müsse die universitäre mit der außeruniversitären Forschung gleichgestellt werden. Das würde auch das internationale Ranking Deutschlands positiv beeinflussen, da Forschungen, wie beispielsweise die des Max-Planck-Instituts, nicht in das international wichtige Schanghai-Ranking mit einfließen würden. (rol/10.09.2014)