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Stefan Liebich (Mitte) und Peer Steinbrück (rechts) während einer Podiumsdiskussion an der Georgetown-University. © DBT/Phoebe Wood
„Das politische Interesse der Amerikaner gegenüber Deutschland hat deutlich zugenommen.“ Das sei der übereinstimmende Eindruck aller Bundestagsabgeordneten, die vom 13. September bis 18. September 2014 zum 31. Congress-Bundestag Seminar in die USA reisten, berichtet der Bundestagsabgeordnete Peer Steinbrück (SPD). Steinbrück ist Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA. Der Gruppe gehören 80 Abgeordnete des Deutschen Bundestages an. Sie ist damit die Größte der insgesamt 54 Parlamentariergruppen.
Ausdruck einer engen Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, einer Beziehung, die allerdings „Irritationen, Missverständnissen, Fehleinschätzungen wechselseitig unterlegen war und vielleicht heute auch noch ist“, wie Peer Steinbrück es formuliert.
Die Aussicht, als Vorsitzender der Parlamentariergruppe daran mitzuwirken, diese Beziehung wieder in eine Balance zu bringen, habe sein Interesse geweckt. „Ohne diese Kontakte würden diese Missverständnisse sich einfach fortsetzen, insofern glaube ich, dass diese Parlamentariergruppe schon einen Einfluss haben kann, zu einer Verbesserung des Verhältnisses zu kommen.“
Das amerikanische Gegenstück zur Parlamentariergruppe USA ist die „Congressional Study Group on Germany“. Sie wird geleitet vom republikanischen Kongressabgeordneten Charlie Dent mit Wahlkreis in Pennsylvania. Der Wahlkreis des Gastgebers war das erste Ziel der Reise, danach folgten politische Gespräche in der Hauptstadt Washington. Jedes Jahr gibt es so ein Congress-Bundestag Seminar. Die Gastgeber wechseln sich ab. Im kommenden Frühjahr werden die Amerikaner wieder nach Deutschland eingeladen.
Abgeordnete aller Fraktionen nehmen an dem Austausch teil. Peer Steinbrück wurde diesmal begleitet von seinen Stellvertretern Prof. Dr. Günter Krings (CDU/CSU) und Stefan Liebich (Die Linke) sowie den Abgeordneten Detlef Seif (CDU/CSU), Wilfried Öllers (CDU/CSU), Gülistan Yüksel (SPD) und Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen).
Die unterschiedlichen Ansichten zu einzelnen politischen Themen würden nicht daheim in Deutschland gelassen, bestätigt Steinbrück, Meinungsverschiedenheiten aber keineswegs vor den Augen der Gastgeber ausgefochten.
„Dort, wo es divergierende Meinungen gibt - parteipolitisch gefärbt von unserer Seite - sind die in den USA im Kammerorchesterton vorgetragen worden. Auf der anderen Seite haben die Amerikaner ein Meinungsspektrum kennengelernt, aber das ist ja auch Sinn der Sache.“
Die Gesprächsthemen hätten sich aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage aufgedrängt. So habe man über die Ukraine-Krise, die Situation im Nahen und Mittleren Osten sowie über das Freihandelsabkommen TTIP und die wirtschaftlichen Aussichten für die USA und Europa geredet.
Gesprächspartner waren Kongressabgeordnete und Senatoren, aber auch Vertreter des State Department.
Die deutschen Abgeordneten gingen außerdem der Frage nach, wie sich die USA mit Blick auf die anstehenden „midterm elections“, den sogenannten Halbzeitwahlen, Anfang November verändern könnten. „Wir waren sehr interessiert, mehr zu erfahren über die aus unserer Sicht doch bedenklichen Polarisierungseffekte zwischen den beiden großen amerikanischen Parteien“, so Steinbrück. Eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema an der Georgetown University entstand auf Wunsch der deutschen Delegation.
Das Reiseprogramm ist stets eine Mischung aus Vorschlägen der Gastgeber und Anfragen der Gäste. Die Abgeordneten setzen sich nicht mit konkreten Verhandlungszielen in das Flugzeug. „Wir sind keine Missionare und wir wollen auch nicht missioniert werden, sondern das ist ein schlichter Informationsaustausch, aber über diesen ergibt sich, wie ich finde sehr willkommen, ein wechselseitiger Eindruck.“
Steinbrück zeigte sich erfreut über die Offenheit der Amerikaner. „Man merkt, dass Deutschland aus der Sicht der Amerikaner in Kontinentaleuropa doch wieder der zentrale Partner ist, nachdem ich jedenfalls im ersten Jahrzehnt den Eindruck hatte, dass eine klare Drift in den asiatisch-pazifischen Raum stattfindet.
Dieses Europa wurde aus der amerikanischen Perspektive als unordentlich und unkoordiniert wahrgenommen, zudem war man sich bei den Deutschen nicht mehr so ganz sicher, wie verlässlich sie sind, bis hin zu Vorurteilen, dass Politik und Gesellschaft von einem starken antiamerikanischen Reflex durchzogen sind.“
Drei bis vier Terminanfragen pro Monat bekomme er als Vorsitzender der Parlamentariergruppe, etwa von der Atlantik-Brücke, dem German Marshall Fund oder dem Aspen Institute. Der Vorstand der Parlamentariergruppe, dem Abgeordnete aller vier Bundestagsfraktionen angehören, habe ein Arbeitsteilung verabredet, um möglichst viele Kontakte pflegen zu können. (tk/23.10.2014)