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Die Opposition im Bundestag fordert von der Bundesregierung ein engagierteres Vorgehen in der Klimaschutzpolitik und die Vorlage eines ehrgeizigen nationalen Klimaschutzprogramms. In einer Aktuellen Stunde auf Verlangen von Bündnis 90/Die Grünen zu den jüngsten Ergebnissen des Weltklimaberichts (IPCC) am Donnerstag, 6. November 2014, betonte der umweltpolitische Sprecher Oliver Krischer: „Wir können das Schlimmste noch verhindern, wenn wir jetzt handeln.“
Deutschland habe seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz aufgegeben, kritisierte Krischer: „Wir erleben Jahre des Stillstands und des Rückschritts.“ Die nationalen Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 werde Deutschland daher „krachend verfehlen“. Als Ursachen dafür nannte der Grünen-Abgeordnete unter anderem die Energieerzeugung durch „schmutzigste Kohlekraftwerke“. Sie sollten endlich abgeschaltet werden.
Stattdessen sollte die Bundesregierung die Energieerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung klimafreundlichen Gaskraftwerken sowie erneuerbaren Energien forcieren. Das von der Bundesregierung angekündigte Klima-Aktionsprogramm sollte nach Ansicht von Krischer zudem konkrete Maßnahmen auflisten, mit denen die Klimaschutzziele bis 2020 noch erreicht werden können.
Eva Bulling-Schröter (Die Linke) liest aus dem aktuellen Weltklimabericht „einen klaren Auftrag an die Politik“ heraus: „Es muss endlich Schluss sein mit fossiler Energieproduktion und zwar ohne Wenn und Aber.“ Die Bundesregierung müsse endlich klare Entscheidungen treffen, sonst fliege „uns das Klima um die Ohren“. Als positives Beispiel nannte sie Dänemark, dessen Mitte-Links-Regierung gerade den Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2025 beschlossen habe. Dies bezeichnete Bulling-Schröter als „reife politische Entscheidung“.
Von der Bundesregierung forderte sie ein Kohleausstiegsgesetz sowie ein „schlagfertiges Klima-Aktionsprogramm, das seinen Namen wirklich verdient“. Wenn Deutschland das Ziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, verfehle, sei dies „ein schlimmer Rückschlag“. Hier sei besonders der Energiesektor in der Bringschuld.
Anja Weisgerber (CDU/CSU) bezeichnete es als „nicht zielführend“, das Thema Klimaschutz „jede Woche neu auf die Tagesordnung gesetzt zu bekommen“. Der Bericht des Weltklimarates sei nicht neu, der jetzt erschienene Bericht lediglich eine Zusammenfassung für die Entscheidungsträger. „Die Haltung der Bundesregierung ändert sich nicht von Woche zu Woche“, sagte sie an die Oppositionsfraktionen gewandt.
Weisgerber kündigte wie auch Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) an, dass das Bundeskabinett am 3. Dezember ein Klima-Aktionsprogramm verabschieden werde, das Minderungspotenziale in allen Sektoren aufzeigen und konkrete Handlungsmaßnahmen vorschlagen werde. „Darin finden Sie die Antworten, die wir auf den IPCC-Bericht geben“, sagte Weisgerber.
Außerdem hob die CSU-Abgeordnete die Verabschiedung verbindlicher EU-Energie- und Klimaziele für das Jahr 2030 Ende Oktober hervor. Die Einigung auf ambitionierte Ziele in den Bereichen Kohlendioxidreduktion, Ausbau erneuerbarer Energien sowie Energieeffizienz sei „einzigartig auf der Welt“, Europa sende damit ein klares Signal in die Welt. Auch wenn Deutschland sich noch ehrgeizigere Ziele gewünscht hätte, „dies sei kein Geheimnis“, könne die EU mit dieser Vereinbarung „guten Gewissens“ nach Paris reisen, wo Ende 2015 ein neues internationales Klimaabkommen verabschiedet werden soll.
Umweltministerin Hendricks sah dies ähnlich. „Wir in der EU sind die ersten, die einen Beitrag zum neuen Klimaschutzabkommen geleistet haben“, sagte sie. Der Beschluss sei „ein großer Schritt nach vorne“.
Aber auch in Deutschland bewege sich viel: Die Energieeffizienz werde weiter gesteigert, im Energiesektor würde eine schrittweise Dekarbonisierung vollzogen. Erstmals liege der Anteil erneuerbarer Energien mit fast 30 Prozent im Jahr 2014 vor der Kohleverstromung.
Dennoch räumte auch Hendricks ein, dass die Erreichung des 2020-Ziels schwierig sei. Es gebe eine prognostizierte Lücke von fünf bis acht Prozent - sie zu schließen sei für sie als Umweltministerin „die zentrale Herausforderung“. Das Klima-Aktionsprogramm werde notwendige Aussagen dazu machen, etwa zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich, kündigte Hendricks an.
„Die entscheidende Phase der Klimaschutzpolitik haben wir jetzt vor uns“, sagte die SPD-Politikerin besonders mit Blick auf die Verhandlungen in Paris, und sie versicherte: „Die Bundesregierung engagiert sich dafür mit aller Kraft.“ Klar sei: „Deutschland muss Europa mitreißen und wird dies auch weiter tun, und Europa muss die Welt mitreißen.“
Der Weltklimarat (IPCC) warnt in seinem am 2. November vorgelegten vierten und letzten Teilreport des Weltklimaberichts 2014 vor „irreversiblen und unbeherrschbaren Klimaänderungen“, sollte das Zwei-Grad-Ziel verfehlt werden. Dieses Ziel ist eine Selbstverpflichtung der internationalen Klimapolitik, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem Vorindustrialisierungsniveau zu begrenzen.
Der globale Klimagasausstoß, fordert der IPCC, müsse im Jahr 2020 sein Maximum erreicht haben und bis 2050 im Vergleich zu 2010 um 40 bis 70 Prozent fallen. Bis zum Jahr 2100 müsse die fossile Energieproduktion „nahezu vollständig“ verschwunden sein. Auf dem Weg zum Null-Emissionsziel empfiehlt der Weltklimarat, den Anteil erneuerbarer Stromproduktion zu steigern.
Zugleich konstatiert er, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem eindeutig sei. Genau diesen Zusammenhang aber wertet der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri als Chance, denn so gebe es „Möglichkeiten, über die nächsten Jahrzehnte eine so substanzielle Reduktion der Emissionen zu erreichen, wie sie notwendig ist, um die Erhöhung der globalen Temperatur auf zwei Grad zu begrenzen“. Dafür brauche es aber den „Willen zur Veränderung", betonte Pachauri bei der Vorstellung des Berichts in Kopenhagen. (joh/06.11.2014)