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In der „barbarischen Invasion des Islamischen Staats“ sieht Dr. Dr. h.c. Karl A. Lamers eine „internationale Bedrohung“. Der CDU-Abgeordnete begrüßt die Strategie der Nato, die an Syrien grenzenden Staaten zu unterstützen, um ein weiteres Vordringen des IS zu verhindern, etwa durch Waffenlieferungen an Kurden im Nordirak oder durch die Stationierung von Patriotraketen in der Türkei. Aus Sicht des Abgeordneten wäre indes derzeit eine Intervention der Nato in Syrien durch das Beistandsprinzip nicht gedeckt und „birgt die Gefahr in sich, den Konflikt weiter anzuheizen“. Der Konflikt im Nahen Osten und die Lage in Afghanistan vor dem Abzug der Isaf-Truppen zählen zu den Schwerpunktthemen der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der Nato im holländischen Den Haag vom 21. bis 24. November 2014. Lamers leitet die Bundestagsdelegation. Das Interview im Wortlaut:
Herr Dr. Lamers, in Den Haag debattieren die Abgeordneten auch über die Rolle der Nato beim Syrien-Krieg. Soll die Allianz dort eingreifen?
Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis. Ein Einsatz außerhalb ihres Gebiets ist die Ausnahme und nur denkbar, wenn ein Mitgliedsstaat angegriffen wurde. So wie die USA beim Terroranschlag auf das World Trade Center, was letztlich zur Nato-Intervention in Afghanistan geführt hat. Nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch einen syrischen Jäger über internationalen Gewässern hat die Nato gegenüber ihrem Mitglied Türkei ihre Bereitschaft zum Beistand im Fall von Angriffen durch das Assad-Regime in Syrien bekräftigt. Dazu zählt auch die Stationierung von Patriotraketen, die unter anderem aus Deutschland kommen. Eine Intervention der Nato in Syrien selbst wäre momentan durch das Beistandsprinzip nicht gedeckt und birgt die Gefahr in sich, den Konflikt weiter anzuheizen.
In welcher Rolle sieht die Parlamentarische Versammlung die Nato gegenüber dem IS, dem sogenannten „Islamischen Staat“? Widmen der Bundestag und die Parlamente der anderen Nato-Länder diesem Problem genügend Aufmerksamkeit?
Für die Nato ist die barbarische Invasion des IS in Syrien und im Irak eine internationale Bedrohung. Die Allianz verurteilt die Gewalt des IS aufs Äußerste. Die Fronten in Syrien verlaufen indes nicht zwischen Gut und Böse, sondern zwischen einem mörderischen Regime und einer zersplitterten Opposition.
Gegenwärtig kann die Rolle der Nato und ihrer Mitgliedstaaten nur darin bestehen, zu vermitteln und angrenzende Staaten zu unterstützen, ein weiteres Vordringen des IS zu verhindern und menschliches Leid zu lindern. Nato-Länder helfen bilateral durch die Patriot-Stationierung an der türkischen Grenze, durch die Vernichtung chemischer Waffen in Syrien oder durch die Unterstützung des Irak, etwa durch deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak, im Übrigen ein einmaliger Vorgang in unserer Außenpolitik. Sie leisten darüber hinaus humanitäre Hilfe, um der Flüchtlingskatastrophe zu begegnen, Deutschland stellt 50 Millionen Euro bereit. Alle diese Entscheidungen der Bundesregierung werden vom Bundestag intensiv begleitet. So haben wir auch nach umfassender Diskussion mehrheitlich für die Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga gestimmt. Auch in der Parlamentarischen Versammlung der Nato wird der Bürgerkrieg in Syrien seit seinem Ausbruch analysiert und diskutiert, in Den Haag werden wir hierzu über zwei Berichte beraten.
Befürchten Sie, dass der IS auch Afghanistan zum Schlachtfeld machen könnte?
Es gibt Berichte, nach denen IS-Kämpfer in Afghanistan an der Seite der Taliban Attentate verüben und mit dem Raub afghanischer Kunst ihren mörderischen Feldzug finanzieren. Ein Grund mehr, die Ausbreitung des IS zu stoppen, indem man eben die kurdischen Peschmerga mit Waffen unterstützt.
Zum Jahreswechsel sollen alle Nato-Truppen aus Afghanistan abziehen. Gibt es in der Parlamentarischen Versammlung angesichts der Schwäche der Truppen Kabuls keine Zweifel an dieser Entscheidung?
Die Versammlung befürwortet diesen Rückzug. Die Isaf-Truppen haben am Hindukusch viel erreicht. Das Land hat enorme Fortschritte gemacht, auch wenn es nach wie vor zu viele Terroranschläge gibt. Die einheimischen Streitkräfte haben in diesem Jahr planmäßig die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen. Die Übernahme der militärischen Selbstverantwortung ist gut abgefedert, weil die Nato die afghanischen Streitkräfte in Zukunft weiterhin unterstützen wird, durch Beratung und Schulung und bis
2017 auch finanziell.
Das politische System in Afghanistan mutet instabil an. Welche Fehler hat die Nato gemacht?
Der Übergang vom Krieg in eine Demokratie kann nicht von heute auf morgen gelingen. Immerhin wurde erreicht, dass die beiden Lager um Präsident Aschraf Gahni und Regierungschef Abdullah Abdullah in einer Koalition kooperieren. Unbestritten ist, dass es zu stabilen und demokratischen Strukturen noch ein weiter Weg ist. Wir sollten nach vorne schauen und helfen, wo Hilfe gebraucht wird, anstatt nach vergangenen Fehlern zu suchen, was der afghanischen Bevölkerung wenig Nutzen bringt. Die Parlamentarische Versammlung befasst sich intensiv mit der Zukunft Afghanistans. In Den Haag werden wir auch einen Bericht der Vizepräsidentin des Bundestages, Ulla Schmidt (SPD), über die am Hindukusch erzielten Fortschritte wie etwa die zunehmende Partizipation von Frauen erörtern.
(kos/18.11.2014)