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Auf große Zustimmung ist am Mittwoch, 17. Dezember 2014, im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz die Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages gestoßen, die Kompetenzen des Generalbundesanwaltes zu erweitern und ihn bei Verdacht auf seine Zuständigkeit frühzeitiger ermitteln zu lassen. Dies wurde in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich. Umstritten war jedoch der Plan der Bundesregierung, in Paragraf 46 des Strafgesetzbuches bei der Strafzumessung das Vorliegen menschenverachtender Motive („Hasskriminalität“) strafverschärfend zu berücksichtigen und um zusätzliche Motivationsmerkmale von Tätern zu erweitern. Nach Ansicht vieler Sachverständiger wird das in der Praxis schon getan.
Beide Vorgaben sind Inhalt eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung (18/3007), mit dem diese die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages für den Bereich der Justiz auf Bundesebene umsetzen will. Die sieben eingeladenen Experten nahmen zu dem Gesetzentwurf ebenso Stellung wie zu einem Antrag der Grünen (18/3150), in dem die Fraktion fordert, den Straftatbestand der Volksverhetzung zu überarbeiten.
Dr. Ulrich Franke vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe sagte, bei den Ermittlungen zu den Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) habe man es versäumt, die einzelnen Punkte miteinander zu verbinden. Unter diesem Gesichtspunkt sei es „ausdrücklich zu begrüßen“, die Kompetenzen des Generalbundesanwalts zu erweitern. Hingegen sei es „nicht glücklich, weder erforderlich oder zweckmäßig“, den Paragraf 46 zu verändern.
Die menschenverachtenden Motive der Täter würden schon berücksichtigt und seien auch schon im Gesetzestext vermerkt. Sein Kollege Dr. Ralf Wehowsky, ebenfalls vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe, sagte hingegen, die vorgeschlagene Erweiterung des Wortlautes würde zu einer weiteren Klarstellung führen. Sie wäre für eine konsequente Verfolgung von Vorurteilskriminalität hilfreich.
Jürgen Konrad von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wies darauf hin, dass es durchaus eine Verbesserung wäre, wenn die Ermittler die ausdrücklich aufgeführten und aufgelisteten Motivationsmerkmale der Täter wie bei einer Checkliste abhaken könnten. Damit würde man sich intensiver mit dem Fall befassen.
Prof. Dr. Henning Rosenau von der Universität Augsburg stimmte dem Regierungsentwurf insgesamt zu. Rolf-Uwe Kurz von der Staatsanwaltschaft Potsdam sagte, die erweiterten Kompetenzen des Generalbundesanwalts loteten die Grenzen der Verfassungskonformität aus, seien aber aus verfahrensökonomischen Aspekten zu begrüßen. Er warnte davor, durch die geplanten Änderungen im Paragraf 46 des Strafgesetzbuches andere Tatmotive abzuwerten.
Der Dortmunder Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Neuhaus befand, es sei ein „grober Irrweg“, bei der Berücksichtigung der Motive am Ende des Ermittlungsverfahrens anzusetzen. Vielmehr müsse dies am Beginn des Ermittlungsverfahrens geschehen. Der Entwurf der Regierung sei hier nur „Symbolpolitik“.
Neuhaus befürwortete hingegen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Hier gebe es Präzisierungsbedarf. Sebastian Scharmer, Rechtsanwalt aus Berlin, stimmte ihm da zu. Der Regierungsentwurf sei teils Symbolik, teils Kosmetik, sagte Scharmer. Die wesentlichen Vorgaben der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses würden nicht umgesetzt. (jbb/17.12.2014)