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„Ein großes Glücksgefühl“ – so beschreibt Michael Brand seine Emotionen, als er Do Thi Minh Hanh im Dezember als freie Frau in einer Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe begrüßen konnte. Vier Jahre lang war die Vietnamesin im Gefängnis. Ihr „Vergehen“: Sie hatte einen Streik von Arbeitern einer Lederfabrik mitorganisiert und war daraufhin wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Im Juni 2014 dann die erlösende Nachricht – Do Thi Minh Hanh wurde vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Ein Riesenerfolg auch für den Menschenrechtsausschuss des Bundestages und seinen Vorsitzenden Michael Brand (CDU/CSU), der im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP) eine Patenschaft für die heute 29-Jährige übernommen und alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um die junge Menschenrechtsaktivistin freizubekommen.
So hatte etwa in enger Absprache mit Brand dessen Ausschusskollege Frank Heinrich (CDU/CSU) bei einer Vietnamreise im April 2014 Do Thi Minh Hanh im Gefängnis besucht. Wenige Wochen später war sie frei – und bestätigte bei ihrem Besuch im Bundestag im Dezember, dass es vor allem solchen internationalen Kontakten zu verdanken sei, dass sie nicht weitere drei Jahre im Gefängnis verbringen musste.
Es sind solche Erfolge, die Mut machen – auch den Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses selbst, die jede Sitzungswoche zahlreiche Gespräche mit Opfern von Willkürherrschaft und staatlicher Gewalt führen – Opfer, die Unermessliches durchlitten haben und oft aufs Schwerste traumatisiert sind. „Ein Mensch, von dessen persönlichem Schicksal Sie wissen – das lässt Sie nicht mehr los“, fasst Brand sichtlich bewegt den Eindruck zusammen, den diese Gespräche auf ihn und seine Ausschusskollegen machen.
Auch den weiteren Weg von Do Thi Minh Hanh werden die Abgeordneten aufmerksam verfolgen. Denn die Vietnamesin, die in ihrer Haft mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, hat bereits angekündigt, ihren Kampf für die Rechte der Arbeiter in ihrem Land fortzusetzen.
Im Bundestag kämpfen Brand und seine Mitstreiter von PsP unterdessen dafür, das Programm PsP bekannter zu machen und noch mehr Kollegen für eine Mitarbeit zu gewinnen. So hat der CDU-Politiker, der dem Menschenrechtsausschuss seit dieser Wahlperiode vorsteht, alle Ausschussvorsitzenden gebeten, die Mitglieder ihres jeweiligen Gremiums auf PsP aufmerksam zu machen und für die Übernahme einer Patenschaft für einen verfolgten Menschenrechtsaktivisten im Ausland zu werben. Und er verweist nicht ohne Stolz darauf, dass heute in allen Ausschüssen Abgeordnete sitzen, die sich für PsP engagieren.
Für Brand freilich kein Grund, sich zurückzulehnen. „Ein Menschenrechtler, der zufrieden ist, hat seine Aufgabe verfehlt“, sagt der 41-Jährige mit einem Lächeln. Er muss es wissen, kommt er doch selbst aus der Menschenrechtsarbeit: Mit Anfang 20 ging er ins vom Bürgerkrieg zerstörte Bosnien, wo er für die Nichtregierungsorganisation „Gesellschaft für bedrohte Völker“ Opferbefragungen durchführte und als freier Journalist für verschiedene deutsche Zeitungen arbeitete. Eine Zeit, die ihn zutiefst geprägt hat: „Wer Massengräber in Bosnien mit eigenen Augen gesehen und die Trauer der Hinterbliebenen mit eigenen Ohren gehört hat – der vergisst das nie“, erzählt er.
Umso mehr liegt dem Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses ein Programm wie PsP am Herzen, das konkrete Hilfe im Einzelfall verspricht. Es verfügt zwar über kein eigenes Budget, aber über organisatorische Unterstützung: Mit Jana Strube kümmert sich eine Referentin halbtags um die Koordinierung aller Aktivitäten von PsP. Derzeit gibt es fast 50 Patenschaften – anders übrigens, als der Name des Programms vermuten lässt, nicht nur für ausländische Parlamentarier. Eine Patenschaft kann grundsätzlich für jeden übernommen werden, der sich in seinem Heimatland für Demokratie und Menschenrechte einsetzt und dabei staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist.
Brand selbst etwa hat gleich mehrere Patenschaften übernommen – unter anderem für Pu Zhiqiang, den Anwalt des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, und für Leyla Yunus, eine Menschenrechtsaktivistin aus Aserbaidschan. „Es geht zunächst darum, den Betroffenen zu signalisieren: Ihr seid nicht vergessen“, erzählt der Politiker. „Für viele ist dieses persönliche Signal die beste Garantie, dass sie durchhalten, für manche sogar, dass sie am Leben bleiben. Die Regierungen registrieren sehr genau, wenn ein Abgeordneter aus Deutschland zu Inhaftierten Kontakt aufnimmt.“
Sodann sei es wichtig, deutsche Regierungsmitglieder und Abgeordneten-Kollegen auf die Situation des Verfolgten aufmerksam zu machen und sie zu bitten, bei Besuchen in dem jeweiligen Land das Schicksal des Betreffenden anzusprechen. Der Vorteil, den Abgeordnete dabei etwa gegenüber den deutschen Botschaften vor Ort haben, ist, dass sie freier sprechen können, da sie weniger diplomatische Rücksichten nehmen müssen. Gerade die Mitglieder der internationalen Parlamentariergruppen sind daher prädestiniert dafür, sich auf ihren Delegationsreisen für verfolgte Menschenrechtsaktivisten einzusetzen.
Dass sich ein solcher Einsatz immer wieder lohnt, dafür ist die Freilassung von Do Thi Minh Hanh im April 2014 das beste Beispiel. Oder, wie Michael Brand es ausdrückt: „Wenn es das Programm ‚Parlamentarier schützen Parlamentarier’ nicht gäbe, müsste man es erfinden.“ (nal/22.12.2014)