Einige der geplanten Regelungen zur Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind unter Gesundheitsexperten weiter umstritten. In einer Anhörung am Mittwoch, 21. Mai 2014, im Gesundheitsausschuss unter Vorsitz von Dr. Edgar Franke (SPD) standen die künftigen Beiträge und Zusatzbeiträge im Mittelpunkt des Interesses und davon ausgehend die Frage nach der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungskosten. Die Sachverständigen und Abgeordneten berieten in einer anschließenden zweiten Anhörung zugleich über fünf Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen sowie einen von der Fraktion Die Linke.
Beitragssatz soll auf 14,6 Prozent sinken
Der Entwurf für das „GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz“ (18/1307) sieht vor, dass der Beitragssatz ab 2015 von jetzt 15,5 auf 14,6 Prozent sinkt, wobei der hälftige Arbeitgeberanteil von 7,3 Prozent festgeschrieben wird. Der bisher allein von den Versicherten gezahlte Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent des Einkommens fällt künftig ebenso weg wie die pauschalen Zusatzbeiträge und der damit verbundene steuerfinanzierte Sozialausgleich.
Dafür können die Kassen variable Zusatzbeiträge erheben, falls sie mit den Einnahmen nicht auskommen. Eine Deckelung der einkommensabhängigen Zusatzbeiträge ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Erwartung sinkender Beiträge "nicht nachvollziehbar"
Mehrere Sachverständige kritisierten die Prognose von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), wonach ab 2015 mindestens 20 Millionen GKV-Mitglieder weniger bezahlen werden als heute. Da die „strukturelle Einnahmeschwäche“ in der GKV auch nach der Reform bestehen bleibe und der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds vorübergehend gekürzt werde, sei eine solche Erwartung „nicht nachvollziehbar“, merkte ein Einzelsachverständiger an.
Ein anderer Einzelsachverständiger monierte, der Hinweis des Ministers sei wenig hilfreich, weil ja mit dem neuen System ein Qualitätswettbewerb an die Stelle des vorherrschenden Preiswettbewerbs treten solle.
Kritik am Wegfall der "kleinen Kopfpauschale"
Die Arbeitgeberverbände kritisierten den Wegfall der „kleinen Kopfpauschale“, also der einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge, und forderten eine konsequente Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnkosten. Der gesetzliche fixierte Arbeitgeberbeitrag in Höhe von 7,3 Prozent sei zwar zu begrüßen, jedoch stiegen künftig bei Lohnerhöhungen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze dennoch die Abgaben für Arbeitgeber, die auch noch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall tragen müssten.
Sozialverbände und Gewerkschaften machten im Gegenzug deutlich, dass mit der Festschreibung der Beiträge für die Arbeitgeber das Solidarprinzip in der GKV infrage gestellt werde, zumal bei den ständig steigenden Gesundheitsausgaben mit höheren Beiträgen zu rechnen sei.
"Mit 0,2 bis 0,3 Prozent Beitragssteigerung kalkulieren"
Ein Verbandsvertreter erklärte, es müsse pro Jahr mit 0,2 bis 0,3 Prozent Beitragssteigerung kalkuliert werden. Wenn dann der Arbeitnehmeranteil in wenigen Jahren bei zehn Prozent ankomme, stelle sich die Frage, ob das durchzuhalten sei.
Der Vertreter eines anderen Verbandes erinnerte daran, dass schon die Pflegebeiträge steigen werden und die Bürger überdies mit einem sinkenden Rentenniveau konfrontiert seien. In der GKV hätten die Kassen außerdem viele Leistungen schon ausgegliedert.
"Obergrenze für die Rücklagen festlegen"
Von den Krankenkassen kam die Anregung, für die Rücklagen im Gesundheitsfonds eine Obergrenze festzulegen. Wenn diese überschritten würde, könnte das überschüssige Geld an die Kassen ausgezahlt werden, um die Beiträge stabil zu halten.
Verbraucherverbände forderten, im Internet aktuell die Zusatzbeiträge der Krankenkassen darzustellen, damit die Versicherten entscheiden können, ob sie von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und die Kasse wechseln wollen. (pk/22.05.2014)
Liste der geladenen der ersten Anhörung
- AOK-Bundesverband, Rosenthaler Staße 31, 10178 Berlin
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Ubierstraße 20, 40223 Düsseldorf
- AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., Blücherstr. 62, 10961 Berlin
- BAG Selbsthilfe e. V., Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
- BKK-Dachverband e.V., Zimmerstraße 55, 10117 Berlin
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) e.V., Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin
- Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen (BAGP), Waltherstr. 16 a, 80337 München
- Bundesärztekammer (BÄK), Herbert-Lewin-Platz 1 (Wegelystraße), 10623 Berlin
- Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Klosterstraße 64, 10179 Berlin
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA), Breite Straße 29, 10178 Berlin
- Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, c/o Deutscher Landkreistag, Lennéstraße 11, 10785 Berlin
- Bundeszahnärztekammer - Arbeitsgemeinschaft der Deutsche Zahnärztekammern e.V. (BZÄK), Chausseestraße 13, 10115 Berlin
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG-SHG), c/o NAKOS, Otto-Suhr-Allee 115, 10585 Berlin-Charlottenburg
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), Wegelystraße 3, 10623 Berlin
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS), Pieperstraße 14-18, 44789 Bochum
- Deutscher Beamtenbund und Tarifunion, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin
- Deutscher Caritasverband e. V., Karlstraße 40, 79104 Freiburg
- Deutscher Gewerkschaftsbun, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. (DPWV), Oranienburger Str. 13-1, 10178 Berlin
- Deutscher Pflegerat e.V. (DPR), Alt-Moabit 91, 10559 Berlin
- Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V. (DNVF), c/o Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln, Eupener Straße 129, 50933 Köln
- Deutsches Rotes Kreuz e. V. (DRK), Carstennstr. 58, 12205 Berlin
- Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V., Caroline-Michaelis-Straße 1, 10115 Berlin
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Wegelystraße 8, 10623 Berlin
- Gesellschaft für Qualitätsmanagement und Gesundheitsversorgung e.V. (GQMG), Industriestraße 154, 50996 Köln
- GKV-Spitzenverband, Reinhardtstraße 30, 10117 Berlin
- IKK e. V., Hegelplatz 1, 10117 Berlin
- Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (AQUA), Maschmühlenweg 8–10, 37073 Göttingen
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Im Mediapark 8, 50670 Köln
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin
- Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Universitätsstr. 73, 50931 Köln
- Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Berlin
- Sozialverband VdK Deutschland e.V., Wurzerstraße 4a, 53175 Bonn
- Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), Weißensteinstraße 70-72, 34131 Kassel
- Spitzenverband der Heilmittelverbände e. V. (SHV), Deutzer Freiheit 72-74, 50679 Berlin
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), Littenstraße 10, 10179 Berlin
- Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), Askanischer Platz 1, 10963 Berlin
- Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV), Gustav-Heinemann-Ufer 74c, 50968 Köln
- Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Markgrafenstraße 66, 10969 Berlin
- Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ), Kantstr. 10, 63477 Maintal
- Volkssolidarität Bundesverband e.V. (VS), Alte Schönhauser Straße 16, 10119 Berlin
- Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin
- Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin
- Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), Oranienburger Str. 31, 10117 Berlin
- Prof. Dr. Eberhard Wille
- Dr. Karsten Neumann
- N. N.
- Dr. Christopher Hermann
- Dr. Maximilian Gaßner
- Prof. Dr. Stefan Greß
- Prof. Dr. Jürgen Wasem
Liste der Sachverständigen der zweiten Anhörung
- ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Jägerstr. 49/50, 10117 Berlin
- Aktion Psychisch Kranke (APK), Oppelner Straße 130, 53119 Bonn
- AOK-Bundesverband, Rosenthaler Staße 31, 10178 Berlin
- Attac Netzwerk, Münchener Straße 48, D-60329 Frankfurt am Main
- BKK-Dachverband e.V., Zimmerstraße 55, 10117 Berlin
- Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e. V. (BfHD), Kasseler Str. 1 a, 60486 Frankfurt am Main
- Bundesdirektorenkonferenz - Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für
- Psychiatrie und Psychotherapie e.V., Krumenauerstr. 25, 85049 Ingolstadt
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
- e.V. (DGKJP), Reinhardtstraße 27B, 10117 Berlin
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Reinhardtstraße 27B, 10117 Berlin
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), Wegelystraße 3, 10623 Berlin
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS), Pieperstraße 14-18, 44789 Bochum
- Deutscher Fachverband für Hausgeburtshilfe e. V. (DFH, Lokstedter Weg 57, 20251 Hamburg
- Deutscher Hebammenverband e. V. (DHV), Alt Moabit 91, 10559 Berlin
- GKV-Spitzenverband, Reinhardtstraße 30, 10117 Berlin
- Greenbirth e. V., Altenceller Weg 58, 29331 Lachendorf
- IKK e. V., Hegelplatz 1, 10117 Berlin
- Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH), Auf dem Seidenberg 3, 53721 Siegburg
- Netzwerk der Geburtshäuser e. V., Villenstr. 6, 53129 Bonn
- Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), Weißensteinstraße 70-72, 34131 Kassel
- Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), Askanischer Platz 1, 10963 Berlin
- Verband der Psychosomatischen Krankenhäuser und Krankenhausabteilungen e.V. (VPKD), Hofgarten 10, 34454 Bad Arolsen
- Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. (vfa), Hausvogteiplatz 13, 10117 Berlin
- Verein Hebammen für Deutschland e. V., Olpenerstrasse 653, 51109 Köln
- N. N.
- N. N.
- N. N.
- N. N.
- N. N.
- N. N.
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