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NSA-Ausschuss vernimmt Zeuginnen zu Datenschutz

Hat der Bundesnachrichtendienst (BND) in der gemeinsam mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling den Bestimmungen des deutschen Datenschutzes die gebührende Beachtung geschenkt? Ist er dazu nach geltender Rechtslage überhaupt verpflichtet? Bedarf es gegebenenfalls einer gesetzlichen Klarstellung? Mit diesen Fragen wird sich der NSA-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) in seiner Sitzung am Donnerstag, 12. November 2015, wie immer ab 11.30 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin befassen.

Drei Zeuginnen

Die erste von drei Zeuginnen, die die Abgeordneten dazu hören wollen, ist Gabriele Löwnau. Sie leitet bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) das unter anderem für Polizei, Nachrichtendienste und Strafrecht zuständige Referat V. Nach ihr soll Regierungsdirektorin Dr. H.F. aussagen, seit 2012 Datenschutzbeauftragte des BND. Sie war bereits am 9. Oktober 2014 vor dem Ausschuss aufgetreten.

Als dritte Zeugin ist eine heute im Innenministerium tätige frühere Mitarbeiterin des Kanzleramts, Christina Polzin, geladen. Sie leitete in der Abteilung für die Kontrolle der Nachrichtendienste zwischen 2011 und 2014 das mit Personalsachen, Organisation, Datenschutz und Recht befasste Referat 601.

Hoffen auf öffentlich verwertbare Auskünfte

Die Zeugin Löwnau war beteiligt, als Anfang Dezember 2013 und erneut im Oktober 2014 Mitarbeiter der Behörde des Datenschutzbeauftragten der Abhöranlage in Bad Aibling zwei Inspektionsbesuche abstatteten. Die Zeugin H.F. zählte zu ihren Ansprechpartnern auf der Gegenseite. In ihrer ersten Vernehmung vor dem Ausschuss hatte sie betont, dass der BND dabei jedem Auskunftsbegehren der Datenschützer korrekt nachgekommen sei.

Anlass der Besuche waren die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden im Juni 2013 und insbesondere ein darauf basierender Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, dem zufolge aus Bad Aibling Monat für Monat 500 Millionen Datensätze in die USA abgeflossen seien. Später stellte sich heraus, dass davon offenbar keine deutschen Bürger betroffen waren, sondern dass es um Ergebnisse der Überwachung satellitengestützter Kommunikation in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens ging. Einen Sachstandsbericht über die beiden Inspektionsbesuche hat die Datenschutzbeauftrage dem Ausschuss am 28. September 2015 zugeleitet. Von der Zeugin Löwnau erhoffen sich die Abgeordneten auch öffentlich verwertbare Auskünfte über dieses bislang als streng geheim eingestufte Dokument.

Reichweite des deutschen Datenschutzrechts

Aus Sicht der Opposition wie auch der Sozialdemokraten stellt sich bei alledem die Frage nach der Reichweite des deutschen Datenschutzrechts. Darüber hat sich im Auschuss ein Disput mit Zeugen wie BND-Präsident Gerhard Schindler oder dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt Günther Heiß entsponnen. BND-Spitze und aufsichtführende Behörde sind der Meinung, dass Bad Aibling nicht in Deutschland, sondern im „virtuellen Ausland“ oder gar im Weltraum zu verorten sei. Schließlich werde dort der satellitengestützte Datenverkehr zwischen Teilnehmern in Ländern wie Pakistan oder Afghanistan überwacht. Jenseits der Stratosphäre, wo die Satelliten unterwegs sind, sei der deutsche Datenschutz aber ebenso wenig anwendbar wie in fernen irdischen Krisenregionen. Deshalb sind dort erhobene Daten nach den Worten eines BND-Mitarbeiters „zum Abschuss freigegeben“.

Die Zeugin H.F. hatte in ihrer ersten Vernehmung berichtet, dass sie als Datenschutzbeauftragte des BND dieser Auffassung widersprochen habe. In Bad Aibling würden auf deutschem Boden von einer deutschen Dienststelle mit deutschen Mitarbeitern Daten erhoben, daher gelte deutsches Recht. Sie habe aber bei BND-Präsident Schindler kein Gehör gefunden: „Es wurde eine Grundsatzentscheidung getroffen, die nicht meiner Rechtsauffassung folgte.“ Als Kritikerin der „Weltraumtheorie“ galt während ihrer Zeit im Kanzleramt auch die Zeugin Polzin, konnte ihre Vorgesetzten aber ebenso wenig überzeugen.

Edward Snowden auf der Zeugenliste

Der Form halber steht auf der Zeugenliste für den 12. November erneut der Name Edward Snowdens. Die Opposition möchte so ihren Wunsch in Erinnerung bringen, den Mann demnächst in Deutschland anzuhören. Nach dem Willen von Linker und Grünen soll der Ausschuss die Bundesregierung auffordern, dafür die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das Kanzleramt ließ allerdings zum wiederholten Mal wissen, keine Gewähr bieten zu können, dass Snowden nicht in die USA ausgeliefert werde.

Union und SPD möchten den NSA-Enthüller daher per Video oder im Ausland vernehmen, was Snowden jedoch mehrfach abgelehnt hat. Nachdem Linke und Grüne mit dem Versuch, die geforderten Garantien für Snowden durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht zu erzwingen, im September 2014 erfolglos geblieben sind, erwägen sie jetzt, den Weg zum Bundesgerichtshof zu beschreiten. (wid/04.11.2015)