Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Es geht um gigantische Beträge: 900 Milliarden Euro haben die Bundesbürger bei Versicherungen angelegt, zum Beispiel um für das Alter vorzusorgen. 90 Millionen Verträge gibt es. „Jeder von uns hat in irgendeiner Art und Weise Versicherungen“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, in der Kernzeitdebatte des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 5. Februar 2015.
Nachdem in der Finanzkrise Risiken nicht nur im Bankenbereich, sondern auch bei den Versicherungen deutlich geworden sind, reagierte die europäische und deutsche Politik mit umfassenden Regulierungsmaßnahmen, denen der Bundestag mit seiner Zustimmung zum Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen (18/2956, 18/3252, 18/3900) eine weitere Maßnahme hinzufügte.
„Wir wollen diese Versicherungen sicherer und besser machen“, beschrieb Brinkhaus das Ziel. Brinkhaus erklärte, Versicherungen müssten aufgrund der umgesetzten Solvency-II-Richtlinie mehr Kapital haben, „damit sie in Krisenzeiten besser dastehen. Versicherungen brauchen andere Risikomanagementsysteme, damit sie weniger Fehler machen“. Und die Unternehmen müssten bessere Berichte an die Aufsichtsbehörden geben.
Brinkhaus erinnerte an die Finanzkrise und die schnelle Stabilisierung der Märkte durch die Politik. Danach habe man ein „Regelpaket auf den Weg gebracht, das seinesgleichen sucht.“ Die Zeit, die 2008 mit den Rettungsmaßnahmen erkauft worden sei, sei genutzt worden, „um die Finanzmärkte zu verändern“.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Dr. Michael Meister (CDU) stellte fest: „Die Bundesregierung arbeitet für die Versicherten in diesem Land. Uns kommt es darauf an, dass die Versicherten die garantierten Leistungen am Ende ihrer Verträge auch bekommen. Das schafft Vertrauen.“
Manfred Zöllmer (SPD) versprach: „Es bleibt dabei: Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Finanzmarkt darf unreguliert bleiben.“ Solvency II sei Teil einer umfassenden Reformagenda zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Zwar könne ein Marktversagen nie komplett ausgeschlossen werden, „aber mit der Umsetzung von Solvency II wollen wir dieses Risiko minimieren und die notwendigen Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen“.
„Versicherungskunden brauchen eine starke Lobby, die dafür sorgt, dass die Kundenansprüche und die Kundengelder erhalten bleiben und dass diese Gelder nicht zur Risikoabsicherung von Versicherungen und deren Gewinnmaximierung dienen“, forderte die Abgeordnete Susanna Karawanskij (Die Linke).
Sie warf der Bundesregierung vor, an der Seite der Versicherungsunternehmen zu stehen. Die umzusetzende Solvency-II-Richtlinie solle mehr Sicherheit für die Versicherten bringen, aber „die Mission ist gescheitert“.
„Das Ziel wurde verfehlt“, stellte Karawanskij fest. Die Eigenmittelanforderungen seien viel zu gering: „Wenn es hart auf hart kommt, wird auch Solvency II nicht vor Insolvenzen der Versicherungsbranche schützen können.“ Versichertengelder dürften nicht in hochriskante Produkte angelegt werden. Karawanskij forderte, Versicherte nicht schlechterzustellen als Aktionäre.
Auch Dr. Gerhard Schick (Bündnis 890/Die Grünen) kritisierte den Gesetzentwurf. Die europäischen Regierungen hätten mit Solvency II „die Wunschliste der Versicherungslobby umgesetzt“. Deutsche Lebensversicherungen würden mit weniger als zwei Prozent Eigenkapital arbeiten. Das sei „deutlich zu wenig“, kritisierte Schick. Dass die Bundesregierung den notwendigen Eigenkapitalaufbau der Unternehmen in die Zukunft verschiebe, sei „skandalös“.
„Solange sich diese Kultur nicht ändert, in der die Branche sich quasi selbst die Regeln gibt, in der Regierung und Lobby zusammenarbeiten und gemeinsam Öffentlichkeit und Parlamentarier austricksen, werden wir nie Stabilität am Finanzmarkt haben“, warnte Schick.
Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmten für den Gesetzentwurf, die Linksfraktion war dagegen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich. Mit der Umsetzung der europäischen Solvabilität-II-Richtlinie (Solvency II) werden umfassendere, risikoorientierte Eigenmittelvorschriften für die Versicherungsunternehmen eingeführt. Die Versicherungsunternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, hohe unerwartete Verluste auszugleichen. Und den Versicherungsnehmern soll die Gewähr gegeben werden, dass Zahlungen bei Fälligkeit auch geleistet werden.
Außerdem sollen neue Bewertungsvorschriften für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eingeführt werden. Künftig sollen Marktwerte gesetzt werden müssen. Damit soll das Risiko der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens verringert werden.
Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Versicherungsunternehmen höhere Anforderungen an die Unternehmensorganisation, insbesondere an das Risikomanagement, und zusätzliche Veröffentlichungspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden und der Öffentlichkeit erfüllen müssen. Weitere Regelungen betreffen die Harmonisierung des Aufsichtsrechts im europäischen Binnenmarkt und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden.
Abgelehnt wurde von der Koalitionsmehrheit ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke (18/3924). Darin hatte die Fraktion gesetzliche Regelungen gefordert, damit Versicherte bei der Ausschüttung von Gewinnen nicht schlechtergestellt werden als Anteilseigner. Außerdem sollten Versicherungen Investitionen in riskante Anlageformen wie Hedgefonds untersagt werden. (hle/05.02.2015)