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Die Struktur der Spitzensportförderung in Deutschland soll auf den Prüfstand gestellt werden. Das machte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) am Freitag, 6. Februar 2015, während der Debatte zum 13. Sportbericht der Bundesregierung (18/3523) deutlich. Nicht zuletzt die „enttäuschenden Ergebnisse“ der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi hätten deutlich gemacht, dass Deutschland Gefahr laufe, den Anschluss an die absolute Weltspitze zu verlieren. Gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) müsse nun analysiert werden, warum manche Verbände erfolgreicher sind als andere, sagte de Maizière.
Der Blick in die Zukunft gehe dabei über die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro hinaus. Er richte sich vielmehr auf die Jahre 2024 bis 2028. Zum einen, weil eine solche Neustrukturierung „nicht über Nacht erfolgen kann“. Zum anderen aber auch, weil die Strukturveränderung „eng mit der Olympiabewerbung zusammenhänge.
„Jedes Gastgeberland will zeigen, was es kann“, sagte der Minister. Was die Chance einer deutschen Bewerbung für die Sommerspiele 2024 oder 2028 angeht, so gab sich de Maizière optimistisch. Die Konzepte von Berlin und Hamburg passten gut in die Reformen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die eine Abkehr vom Gigantismus vorsehen würden. „Wir sollten mit Mut und Zuversicht am Startblock stehen“, forderte der Innenminister.
Dr. André Hahn (Die Linke) ging im Anschluss auf den der Debatte zugrunde gelegten 13. Sportbericht der Bundesregierung ein. Darin, so seine Kritik, werde die Lage schöngefärbt. Zugleich konstatierte er, dass vieles, was der Bundestag in einer Entschließung zum vorangegangenen zwölften Sportbericht gefordert habe, nicht erfüllt worden sei. So sei die Olympiabewerbung Münchens für 2018 gescheitert, ein Antidoping-Gesetz noch immer nicht beschlossen. Die Situation der Sportstätten habe sich vielerorts verschlechtert.
Was die „nicht berauschenden“ Ergebnisse von Sotschi angeht, so forderte auch Hahn, daraus Konsequenzen für die Sportförderung zu ziehen. Statt sich künftig aber nur auf einige wenige medaillenträchtige Sportarten zu konzentrieren, sprach sich der Linke-Abgeordnete für die Fortsetzung einer differenzierten Sportförderung in den für Deutschland traditionellen Sportarten aus. „Klar ist aber, dass es perspektivisch zu veränderten Prioritätensetzungen kommen muss“, fügte er hinzu.
Kritik am Sportbericht übte auch Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen). Es sei „komisch und eine absolute Missachtung des Bürgerwillens“, wenn man in dem Bericht verschweige, dass die letzten Bewerbungen an den fehlenden Mehrheiten vor Ort gescheitert seien, weil man die Bürger nicht mitgenommen habe. Mutlu ging auch auf die im Bericht lobend erwähnte Autonomie des Sports ein. Diese sei zwar grundsätzlich wichtig. Zu oft aber habe man die Verbände „einfach machen lassen“, so der Grünen-Abgeordnete. „Eine gute Sportpolitik lässt die Verbände aber nicht mit den vielen gesellschaftlichen Themen und Anforderungen allein“, befand er.
Kritisch äußerte er sich auch zum Thema Sportgroßveranstaltungen. Die Vergaben des Weltfußballverbandes Fifa und des IOC seien von Intransparenz, Vetternwirtschaft und Korruption gezeichnet. Daran, so seine Vermutung, werde auch die IOC-Agenda 2020 nichts ändern. „Wie weit darf die Kommerzialisierung des Sports gehen?“, fragte er und verwies auf die gerade zu Ende gegangene Handball-Weltmeisterschaft in Katar. Das sei eine „gekaufte WM mit einem gekauften Image, gekauften Fans und gekauften Journalisten“ gewesen. „Das darf nicht die Zukunft des Sports sein“, betonte Mutlu.
Detlev Pilger (SPD) ging auf das Thema Mindestlohn im Sportbetrieb ein, was zuletzt zu Irritationen bei den Vereinen beigetragen habe. Dabei stellte er klar, dass Mitarbeiter in Vereinen selbstverständlich davon profitieren müssten. „Das Ehrenamt hat damit aber nichts zu tun“, so Pilger weiter. Ehrenamtler, die eine Aufwandsentschädigung erhielten, seien keine Arbeitnehmer, stellte er klar.
Für die Diskussionen um die Dokumentationspflichten zeigte er kein Verständnis. Zum einen gebe es solche Dokumentationspflichten schon lange. Zudem sähen diese in Sportvereinen so aus, dass handschriftlich der Beginn und das Ende der Arbeitszeit in eine Liste eingetragen werden müssten. „Das ist durchaus leistbar“, urteilte der SPD-Abgeordnete. Problematisch, das räumte er ein, sei die Situation sogenannter Vertragsamateure. Dieses Problem sei aber erkannt und bei Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) „in den besten Händen“.
Das angekündigte Engagement der Arbeitsministerin in dieser Frage begrüßte auch Eberhard Gienger (CDU/CSU). Es sei gut, dass die Ministerin in Kürze ein Gespräch mit dem DOSB und dem Deutschen Fußballbund (DFB) zum Thema Mindestlohn führen wolle. Was den zu beratenden Sportbericht angeht, so biete dieser sowohl einen Rückblick auf die letzten Jahre als auch einen Blick in die Zukunft, befand der Unionsabgeordnete. So soll bis zum Herbst das Antidopinggesetz beschlossen sein. Zudem solle der stetig ansteigende Konflikt zwischen Sport und Lärm entschärft werden.
Mit Blick auf die angekündigte Reform der Spitzensportförderung begrüßte es Gienger, dass Innenminister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann dies zur Chefsache gemacht hätten. Ebenso begrüßenswert sind aus seiner Sicht die Reformen des IOC. „Das zeigt, dass sich auch der Sport weiterentwickeln und wandeln muss“, sagte er. Klar sei aber auch, „dass sich das IOC an der Umsetzung der Reformen messen lassen muss“, betonte Gienger. (hau/06.02.2015)