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Wir schreiben das Jahr 2015, aber eigentlich befinden wir uns bereits im Jahr 2020. Das zumindest resümierte die Bundesregierung in der Debatte zum Fachkräftekonzept, die der Bundestag am Donnerstag, 19. März 2015, führte, zufrieden. Grundlage der Debatte waren die Fortschrittsberichte zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung für die Jahre 2013 und 2014, die jeweils als Unterrichtung (18/4015, 18/796) vorliegen.
Bereits heute habe Deutschland eine Erwerbstätigenquote von mehr als 77 Prozent, die Erwerbstätigkeit von Älteren in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen liege bei 63 Prozent und die Langzeitarbeitslosigkeit sei seit 2008 um 38 Prozent gesunken, rechnete Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, vor. Das alles seien Ziele, die erst für 2020 angepeilt worden und nun zum Teil schon übertroffen worden seien, lobte die Bundesministerin für Arbeit und Soziales.
Die Herausforderung für die Zukunft liege nun darin, diese hohen Beschäftigungsquoten zu halten und dafür zu sorgen, dass der Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung bis zum Jahr 2030 auf eine Million begrenzt werde. „Ansonsten geht uns nicht die Arbeit aus, sondern die Menschen, die sie tun“, appellierte Nahles.
Sabine Zimmermann (Die Linke) übte dagegen heftige Kritik an den Berichten der Bundesregierung. „Wieder gehen sie am Thema vorbei. Das hätten Sie sich sparen können“, so Zimmermann. Denn zu zentralen Problemen wie der Qualifizierung von Arbeitslosen oder der Teilzeitfalle vieler Frauen, die oft direkt in die Altersarmut führe, äußerten sich die Berichte nicht oder nur unzureichend, so der Vorwurf Zimmermanns.
„Qualifizierung und jedoch das A und O, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.“ So reiche es nicht aus, 69.000 Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Ziel eines Berufsabschlusses anzubieten, wenn 1,3 Millionen Arbeitslose keine Berufsausbildung hätten, kritisierte Zimmermann.
Karl Schiewerling (CDU/CSU) erläuterte, wie aus seiner Sicht der demografisch bedingte Rückgang der Erwerbstätigen kompensiert werden kann: durch bessere Bildungschancen von Anfang an, Integration und Weiterbildung, eine bessere betriebliche Gesundheitsvorsorge, flexible Rentenübergänge und durch eine noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Bei letzterer stünde in Zukunft jedoch nicht mehr die Kinderbetreuung im Zentrum, denn da sei viel erreicht worden. Vielmehr gehe es darum, Beschäftigten die Pflege von Angehörigen und den Beruf besser miteinander verbinden zu können, betonte Schiewerling. Er verwahrte sich gegen den Vorwurf der Linken, dass es im Bereich der Arbeitsförderung in den vergangenen Jahren einen Kahlschlag gegeben habe. „Wir sind dabei, die Mittel neu zu justieren“, versprach er.
Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf einen Widerspruch bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen hin. So sei es zwar auf den ersten Blick toll, dass die Erwerbsbeteiligung seit den 1990er-Jahren um mehr als 20 Prozent gestiegen sei. „Gleichzeitig ist aber das von Frauen erbrachte Arbeitsvolumen nur um magere vier Prozent gestiegen. Immer mehr Frauen teilen sich also im Prinzip das gleiche Arbeitsvolumen“, sagte Pothmer.
Das von der Bundesregierung propagierte Jobwunder sei vor allem ein Teilzeiteffekt und entspräche nicht den Wünschen der Frauen. Der Fachkräftemangel lasse sich so nicht bekämpfen und, so appellierte Pothmer an die Regierung: „Wenn Sie dieses Erwerbspotenzial wirklich heben wollen, dann müssen Sie die Sackgasse aus Ehegattensplitting und Minijobs beenden.“
Katja Mast (SPD) sprach sich, wie die Redner von Grünen und Linkspartei, dafür aus, die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte über ein Einwanderungsgesetz neu zu regeln. „Deutschland ist ein Hochlohnland und braucht hoch qualifizierte Beschäftigte“, sagte Mast. Eine zweite wichtige Säule sei aber auch die bessere Qualifizierung von Arbeitslosen. Hier sei von der jetzigen Bundesregierung mit der assistierten Ausbildung, der Allianz für Aus- und Weiterbildung und der Einrichtung von Jugendberufsagenturen jedoch schon viel auf den Weg gebracht worden.
Mast schlug vor, die Bildungsinfrastruktur mit Bildungsstützpunkten weiter auszubauen und das Instrument der Arbeitslosenversicherung in diesem Zusammenhang so weiterzuentwickeln, dass es nicht erst ansetzt, wenn der Job weg ist, sondern dem präventiv entgegenwirkt. (che/19.03.2015)