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Die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung hat am Freitag, 12. Juni 2015, im Bundestag zu der erwartet scharfen Debatte zwischen Koalition und Opposition geführt. Redner der Koalition lobten ihren Gesetzentwurf (18/5088) in der ersten Lesung als maßvoll und notwendig. Die Gegenseite hingegen zweifelte massiv an der Notwendigkeit und Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens.
Vorgesehen ist, dass Internetprovider, Telekommunikationsunternehmen und ähnliche Zugangsanbieter verpflichtet werden, sogenannte Verkehrsdaten zu speichern. Im Mobilfunkbereich soll zudem der Standort erfasst werden, wenn zum Beispiel ein Anruf empfangen wird. Standortdaten sollen laut dem Entwurf maximal vier Wochen, die übrigen Verkehrsdaten auf speziell gesicherten Servern maximal zehn Wochen gespeichert werden.
Ermittlungsbehörden sollen laut den Plänen im Allgemeinen nur bei Ermittlungen zu schweren Straftaten, zum Beispiel im Bereich Terrorismus sowie der Kinderpornografie, und nach Zustimmung eines Richters auf die Daten zugreifen dürfen. Das alte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 verworfen, die grundlegende EU-Richtlinie wurde 2014 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) kassiert.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) betonte, dass der Gesetzentwurf die Vorgaben der Gerichte einhalte. Insbesondere die Anmerkungen aus Karlsruhe seien „eins zu eins“ umgesetzt worden. „Wir haben diese Hürden alle in diesen Gesetzentwurf integriert“, sagte der Justizminister. In Bezug auf die Skepsis des Europäischen Gerichtshofes gegenüber der Speicherung aller Verkehrsdaten verwies Maas darauf, dass E-Mail-Dienste komplett ausgenommen werden sollen.
Es würden daher nicht sämtliche Verkehrsdaten gespeichert. Er sei daher sicher, dass das Gesetz auch vor dem EuGH Bestand haben würde. Die Vorratsdatenspeicherung sei allerdings kein „Allheilmittel“. Sie biete aber Ermittlungsansätze, die den Ermittlern bei der Aufklärung schwerster Straftaten helfen könnten.
Dr. Günter Krings (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, warf den Kritikern in der Opposition einen „politisches Tunnelblick“ vor. Das Verfassungsgericht habe eben nicht die Geeignetheit der Vorratsdatenspeicherung verworfen, sondern geurteilt, der Gesetzgeber könne diese sogar annehmen. Verbindungsdaten seien zwar keine „gerichtsfesten Beweise“, böten aber die Möglichkeit für Ermittlungen und könnten auch dazu führen, dass unberechtigte Verdachtsfälle ausgeräumt werden.
Mit dem Gesetz werde die Bundesrepublik zudem zurück in den „Mainstream“ der europäischen Staaten finden, wo es solche Regelung meist gebe. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass „Deutschland zu einem sicheren Hafen für Schwerverbrecher“ werde.
Die Oppositionsredner schossen sich vor allem auf Justizminister Maas ein. Mehrere Redner zitierten ältere, deutlich kritische Aussagen des Sozialdemokraten zur Vorratsdatenspeicherung und warfen ihm vor, „umgefallen“ zu sein. Jan Korte (Die Linke) sprach angesichts des geplanten Gesetzes von einer „Totalerfassung“ des Kommunikationsverhaltens fast aller Bürger.
Durch die Vorratsdatenspeicherung würden die Bürger unter einen Generalverdacht gestellt, was mit einem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar sei. Dieses „schleichende Gift der Überwachung“ führe zu Angst, Lähmung und einer Anpassung des Kommunikationsverhaltens. Es gebe zudem keinen „nachweisbaren Nutzen für diese Maßnahme“.
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) wies das Argument der Koalition zurück, dass es sich um ein grundsätzlich überarbeitetes Gesetz handele. Wie einst Raider in Twix sei die Vorratsdatenspeicherung nur in Höchstspeicherfrist umbenannt worden, sonst habe sich nichts geändert.
Göring-Eckardt prognostizierte, dass das Gesetz deswegen keinen Bestand vor den Gerichten haben werde. „Sie werden wieder auf die Nase fallen, und das zu Recht“, sagte die Grünen-Abgeordnete. Außerdem merkte sie an, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis weitere Zugriffsmöglichkeiten des Staates diskutiert werden würden. „Das ist die Öffnung der Büchse der Pandora“, sagte Göring-Eckardt. Sie kritisierte zudem die Kosten, die durch die Speicherpflicht auf die Unternehmen zukommen. (scr/12.06.2015)