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Nach einer emotionalen und an eindringlichen Appellen reichen Debatte über die Zukunft und das Wesen der Europäischen Union stimmte der Bundestag am Freitag, 17. Juli 2015, dafür, der Bundesregierung ein Verhandlungsmandat für ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu erteilen. Einem entsprechenden Antrag (18/5590) der Regierung stimmten 439 Abgeordnete zu. 119 Abgeordnete votierten dagegen und 40 enthielten sich der Stimme.
Bundekanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) ließ die Ereignisse der Griechenland-Krise seit dem dortigen Regierungswechsel im Januar Revue passieren. Tage, die an Dramatik kaum zu überbieten gewesen seien, lägen hinter Europa, sagte sie unter Bezug auf die Verhandlungen in Brüssel am vergangenen Wochenende und die Abstimmung des griechischen Parlamentes am Mittwoch dieser Woche.
Merkel warf der griechischen Regierung vor, wiederholt ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen zu sein und verteidigte die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu einem Schuldenschnitt. „Das verbieten die europäischen Rechtsverträge und deshalb ist das mit uns nicht zu machen“, so Merkel. Verhandlungen über ein drittes, 86 Milliarden Euro schweres Hilfspaket seien „der letzte Versuch“, Griechenland zu den Bedingungen der europäischen Währungsunion zu helfen. Die Alternative wäre ein Versinken Griechenlands in politischem und sozialem Chaos, warnte Merkel. Die zu verhandelnden 86 Milliarden Euro seien Ausdruck einer „nie gekannten europäischen Solidarität“ und es wäre „grob fahrlässig, wenn wir diesen Weg nicht versuchen würden“.
Merkel beschwor in diesem Zusammenhang Europa als „Schicksalsgemeinschaft, die sich als Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft auszeichnet“. Die Entscheidung für ein drittes Hilfspaket sei nicht nur eine für Griechenland, sondern für Europa und eine starke Eurozone“, sagte Merkel.
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) wies den Vorwurf zurück, mit seiner Verhandlungsführung und dem dadurch erzielten Ergebnis in Brüssel der europäischen Idee geschadet zu haben. „Mein ganzes politisches Leben ist durch die Erkenntnis geprägt, dass es ohne eine europäische Einigung nicht geht. Aber man muss doch fragen dürfen: Wie geht es denn, dass es geht?“
Bisherige Zusagen seien bisher stets nur von Griechenland gebrochen worden. Da ein Schuldenschnitt nach europäischen Regeln ausgeschlossen sei, gehe es nun um einen „letzten Versuch, diese außergewöhnlich schwierige Aufgabe zu erfüllen“, sagte er.
SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bekräftigte die Zustimmung seiner Fraktion zur Aufnahme von Verhandlungen: „Es ging um die Verhinderung einer Spaltung Europas und deswegen sind wir Sozialdemokraten allen dankbar, die geholfen haben, dieses Europa zu bewahren.“ Zwar seien die Bedingungen für das dritte Hilfspaket hart, aber sie wären leichter, wenn die griechische Regierung nicht vor Wochen aus den Verhandlungen ausgestiegen wäre.
Jetzt gehe es darum, umzusetzen, was verhandelt worden sei. „Jede Debatte um einen Grexit muss der Vergangenheit angehören“, betonte Gabriel. Sparen allein helfe Griechenland jedoch nicht wieder auf die Beine. „Im Kern geht es um die vollständige Erneuerung der politischen Strukturen des Landes und den Aufbau eines handlungsfähigen Staates“, so der Vizekanzler.
Harsche Kritik an dem ausgehandelten Kompromiss mit Griechenland vom vergangenen Wochenende übte die Opposition. Dr. Gregor Gysi (Die Linke) warf der Bundesregierung nichts Geringeres vor, als die europäische Idee zu zerstören. Eine europäische Integration ausschließlich über eine gemeinsame Währung sei zum Scheitern verurteilt und ein Europa, in dem die EZB der größte Machtfaktor sei, müsse sich über den Ansehensverlust bei den Bürgern nicht wundern, so Gysi.
Die nun Griechenland auferlegten Verpflichtungen seien nicht nur unsozial, sondern auch undemokratisch. Es könne nicht sein, dass sich das griechische Parlament allein die öffentliche Diskussion über Gesetzesprojekte vorher genehmigen lassen müsse. „Sie haben die faktische Abschaffung der parlamentarischen Demokratie dort organisiert“, warf der Linken-Fraktionschef der Bundesregierung vor.
Thomas Oppermann, Fraktionschef der SPD-Fraktion, nannte die Art und Weise, wie Schäuble in der griechischen Presse und in Internetplattformen verunglimpft werde, abstoßend und unerträglich.
Der Vorwurf, Deutschland wolle die totale Unterwerfung Griechenlands und den Sturz der dortigen Regierung, sei „total abwegig und destruktiv“. Er verkenne, wie sehr sich das totale Staatsversagen in Griechenland auf die ökonomische Situation auswirke. Nun gehe es um den „ernsthaften Versuch“, das Land endlich aus der Dauerkrise herauszuführen, so Oppermann.
Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion, betonte: „Wenn man miteinander eine Währungsgemeinschaft hat – und wenn's noch so verdammt schwer ist –, muss man alles versuchen, um in dieser Währungsgemeinschaft beieinander zu bleiben“.
Dafür seien zwei Dinge zu erfüllen: Finanzminister Wolfgang Schäuble werde mit den Verhandlungen beauftragt, und Griechenland müsse bereit sein, seinen Teil zu erfüllen.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte die Verhandlungsführung der Bundesregierung auf Europäischer Ebene und appellierte, wieder zurückzukommen zu einem Europa, in dem auf Augenhöhe miteinander verhandelt werde. Diesen Grundsatz habe die Regierung missachtet und dadurch Vertrauen in Europa erschüttert, so ihr Vorwurf.
Auch Göring-Eckardt bezeichnete die Bedingungen für ein neues Hilfspaket als „sehr hart“ und fragte: „Wie soll Griechenland durch einen ständigen Aderlass wieder auf die Beine kommen?“ Das Land brauche vielmehr einen Schuldenschnitt und ein nachhaltiges Investitionsprogramm. Deshalb habe ihre Fraktion einen eigenen Antrag (18/5595) vorgelegt, in dem sich die Fraktion auch gegen einen „Grexit“ des Landes, also den Austritt aus der Euro-Zone, wendet. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit im Bundestag. In namentlicher Abstimmung votierten 485 von 598 Abgeordneten dagegen, 75 dafür, 38 Abgeordnete enthielten sich.
Ein Entschließungsantrag der Fraktion (18/5594) erhielt ebenfalls nicht die Mehrheit des Bundestages. Er wurde in namentlicher Abstimmung von 484 der 598 abgegebenen Stimmen abgelehnt, mit Ja stimmten 74 Parlamentarier und 40 enthielten sich.
(che/17.06.2015)