Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die Zukunft der Krankenhausversorgung hat im Bundestag erneut für heftigen Streit gesorgt. Nach Ansicht der Fraktion Die Linke genügt die von der Regierung geplante Krankenhausreform in keiner Weise den Bedürfnissen des Klinikpersonals und der Patienten. In einem Antrag (18/6326) fordert die Linke, die Häuser finanziell besser auszustatten und vor allem die Pflege zu stärken. Union und SPD warfen der Linken in der Debatte am Freitag, 16. Oktober 2015, vor, in die Planwirtschaft zurückzufallen mit Vorschlägen, die nicht zu finanzieren seien. Auch die Grünen bemängelten, der Antrag der Linken sei unscharf formuliert und beinhalte keine schlüssigen Lösungen.
In ihrem Antrag fordert die Linksfraktion eine Krankenhausreform, die am Gemeinwohl orientiert ist und den Häusern eine bedarfsgerechte Finanzierung ermöglicht. Da die Versorgungsqualität entscheidend vom Verhältnis der Pflegekräfte zu den Patienten abhänge, sei der wichtigste Schritt zur Verbesserung der Strukturqualität die Einstellung von mehr Personal. Eine verbindliche Personalbemessung müsse schnellstmöglich eingeführt werden. Das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) zur Finanzierung der stationären Leistungen müsse abgeschafft werden.
Patienten könnten heute nicht mehr sicher sein, ob ausschließlich medizinische Gründe und nicht auch ökonomische Motive ausschlaggebend seien für ihre Behandlung. Zudem gelte es, die nötigen Investitionsmittel für Kliniken bereitzustellen. Jährlich fehlten den Häusern rund 3,3 Milliarden Euro. Der Investitionsstau könne nicht allein von den Bundesländern behoben werden, hier müsse sich der Bund künftig beteiligen.
Die Regierung hat ein Krankenhausstrukturgesetz (18/5372) vorgelegt mit dem Ziel einer verbesserten Qualität in der stationären Versorgung. Die Linke hält den Gesetzentwurf für völlig unzureichend. Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler erinnerte an die heftigen Proteste gegen die geplante Klinikreform und sprach von berechtigter Empörung, Wut und Frust. "Wir erleben ein zynisches Monopoly, bezahlt wird mit der Gesundheitsversorgung der Menschen." Die gute Gesundheitsversorgung dürfe nicht verspielt werden. Aufgabe eines Krankenhauses sei es nicht, Gewinne zu erzielen, sondern die Bevölkerung zu versorgen.
Reformen der Vergangenheit hätten zu maroden Häusern geführt und zu überarbeiteten Pflegern. So könne es nicht weitergehen. Mit der Abrechnung nach Fallpauschalen seien die Häuser in einen ruinösen Wettbewerb geschickt worden. Dieses System müsse abgeschafft werden. Das Reformgesetz werde die Probleme nicht lösen, sondern noch verschärfen, das habe sich auch die Expertenanhörung gezeigt. Vogler mahnte: "Wer Gewinne erzielen will, soll Staubsauger verkaufen. Aber Gesundheit ist keine Ware."
Gesundheitsexperten der Koalition warfen der Linken daraufhin vor, Verbesserungen am Gesetzentwurf schlicht auszublenden. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), erinnerte daran, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform erst Anfang Oktober nochmals deutliche Verbesserungen im Gesetzentwurf beschlossen habe. So erhielten die Kliniken im Vergleich zum Ursprungsentwurf nun jährlich rund 800 Millionen Euro Mehreinnahmen. Ab 2018 seien es bis zu 2,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr und ab 2020 rund 2,4 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr für die Krankenhäuser. Als Ersatz für den Versorgungszuschlag werde ein Pflegezuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro gewährt.
Auch die Tarifkosten würden oberhalb der Preiszuwächse refinanziert und die Kliniken damit entlastet. Die Staatssekretärin betonte, mit diesem Paket werde die berechtigte Kritik der Fachleute aufgenommen. Sie sprach von einem ehrgeizigen Reformprojekt, mit dem ein grundsätzlicher Strukturwandel eingeleitet werde. Die Fallpauschalen würden dabei nicht abgeschafft, sondern weiterentwickelt.
Auch der SPD-Abgeordnete Dr. Edgar Franke versicherte, im Krankenhausbereich werde nicht gespart, sondern künftig erheblich mehr Geld ausgegeben für moderne Versorgungsstrukturen. In einigen Häusern gebe es noch Strukturen aus den siebziger Jahren. Nun werde gezielt an der Qualität und Spezialisierung der Kliniken gearbeitet, weil die Patienten dorthin gingen, wo die Qualität garantiert sei.
Franke betonte, in manchen Ballungszentren würden möglicherweise in der Zukunft nicht alle Krankenhäuser gebraucht, an anderer Stelle werde dafür ein Sicherstellungszuschlag gezahlt, um ein Haus weiter betreiben zu können und die flächendeckende Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Länder hätten überdies versichert, ihren Investitionsverpflichtungen stärker nachzukommen.
Sprecher aller Fraktionen räumten ein, dass die Lage in der Pflege besonders dramatisch ist. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: "Ohne Zweifel liegt ein Pflegenotstand vor." Das zusätzliche Geld müsse nun in der Pflege ankommen. Auch Terpes Fraktionskollegin Maria Klein-Schmeink sprach von einer katastrophalen Pflegesituation nach dem starken Personalabbau der vergangenen Jahre. Die Politik müsse sich endlich diesem Problem stellen. Mit dem Nachbesserungspaket sei das auch ansatzweise geschehen. Die Reformen gingen aber nicht weit genug. Es werde ein deutlich größeres Pflegeprogramm benötigt. Marina Kermer (SPD) versprach, die Pflege am Bett werde gesichert.
Reiner Meier (CDU/CSU) sagte, die neuerliche Debatte zeige, wie sehr die Krankenhausreform die Menschen berühre. Gerade auf dem Land seien viele Menschen verunsichert und fragten sich, wie die Versorgung künftig aussehen werde. Mit der jetzigen Krankenhausreform, das könne er guten Gewissens sagen, werde die flächendeckende und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung im Land gestärkt. (pk/16.10.2015)