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Der geplante Bundeswehreinsatz gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) stößt bei der Opposition im Bundestag auf Widerstand. „Terror lässt sich nicht mit Krieg, Terror lässt sich nicht mit Bomben besiegen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, am Mittwoch, 2. Dezember 2015, bei der ersten Lesung des Antrags der Bundesregierung (18/6866). „Der IS ist selbst Produkt eines Krieges.“ Bartsch warnte vor einer „Spirale von Gewalt und Vergeltung“. Jede Bombe, die auf Rakka falle, treibe dem IS neue Kämpfer zu und sei Berufungsgrundlage für neue Attentäter.
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, schloss einen Militäreinsatz nicht grundsätzlich aus, bezweifelte jedoch die rechtliche Grundlage und den politischen Rahmen des geplanten Mandates: „Der IS muss militärisch bekämpft werden, besiegt werden kann er nur politisch und ökonomisch. Aber wie und von wem und mit welcher Strategie“– darauf gebe die Bundesregierung mit ihrem „aktionistischen Eingreifen“ keine Antwort.
Stattdessen blieben eine Reihe zentraler Fragen offen – nach dem Ende des Einsatzes und einer Exit-Strategie, nach den konkreten Zielen, nach den Partnern mit ihren divergierenden Interessen. Die Bundesregierung tue so, als gebe es mit der Allianz von mehr als 60 Staaten gegen den IS eine „Koalition der Willigen“ – doch der „Wille in der Koalition ist eben sehr unterschiedlich“, sagte Göring-Eckardt.
Zuvor hatten Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) um Zustimmung für das Mandat geworben. Die Bundeswehr soll sich laut Antrag der Bundesregierung am „Kampf gegen den Terrorismus im Rahmen der Allianz“ gegen den „Islamischen Staat“ beteiligen.
Vorgesehen ist demnach, bis zu 1.200 Soldaten der Bundeswehr „zur Unterstützung Frankreichs, Iraks und der internationalen Allianz gegen IS“ zu entsenden, die Aufgaben der Luftbetankung, der Aufklärung („insbesondere luft-, raum- und seegestützt“), des „seegehenden Schutzes“ sowie als Teil des Stabspersonals übernehmen sollen.
Steinmeier und von der Leyen stellten in der Debatte klar, dass ein politischer Prozess, wie er sich mit den Verhandlungen in Wien für Syrien andeute, klar im Vordergrund stehe und niemand in der Bundesregierung behaupte, die Terrororganisation lasse sich allein mit militärischen Mitteln bezwingen. Jedoch sei ein „kategorisches und einfaches Nein zur Bekämpfung des IS kein Beitrag zur Zukunft Syriens“, sagte Steinmeier.
Er wehrte sich gegen den Vorwurf der Opposition, das Mandat stehe rechtlich auf „wackligen Füßen“ (Bartsch): Der Einsatz sei völkerrechtlich legitimiert, er stehe auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta in Verbindung mit mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Steinmeier verwies zudem auf den Beistand für die französischen Nachbarn nach den IS-Terroranschlägen von Paris. Befürchtungen, Deutschland „ziehe den Zorn der Terroristen“ nun erst recht auf sich, wies Steinmeier zurück: „Abschottung, Lichter aus, Rollläden runter, wenn Terroristen durch die Straßen ziehen“ - dies könne nicht die Logik sein.
Von der Leyen argumentierte, dass man „nicht nur durch Handeln schuldig werden kann, auch durch Nichthandeln kann man schwere Fehler begehen“. Die Entscheidung für das Mandat sei nicht einfach und der Einsatz selbst nicht ungefährlich: „Wir werden einen langen Atem brauchen.“
Sie verwies darauf, dass die Fähigkeiten der Bundeswehr, insbesondere die Aufklärung, dringend gebraucht würden. Die Bekämpfung des IS und der Schutz von Zivilisten erfordere im Konfliktgebiet eine genaue Kenntnis der Lage. „Man kann gar nicht genug Aufklärung haben.“
Vertreter von CDU/CSU und SPD signalisierten mehrheitliche Zustimmung ihrer Fraktionen für das Mandat. Jürgen Hardt (CDU/CSU) betonte, dass man sich nicht der Illusion hingebe, den IS mit Luftschlägen oder im Falle Bundeswehrmandates durch Aufklärung aus der Luft zu zerstören.
Kern der Bemühungen sei der Verhandlungsprozess in Wien – „aber das darf doch nicht dazu führen, dass sich der IS noch weiter ausbreitet“.
Ähnlich argumentierte Niels Annen (SPD): Das Mandat sei bei Weitem „kein Einstieg in die Lösung des Syrienkonfliktes“, im Mittelpunkt stehe der Wiener Prozess. Annen sprach zudem eine innereuropäische Dimension des deutschen Beistands für Frankreich an.
„Wie hätte man denn reagieren können auf eine Bitte unseres wichtigsten Bündnispartners?“, fragte Annen mit Blick auf eine „tiefe, schwere, ja existenzielle Krise“ der Europäischen Union. (ahe/03.12.2015)