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Der Deutsche Bundestag hat mit breiter Mehrheit am Donnerstag, 28. Januar 2016, das Mandat für die Ausbildungsmission im Nordirak verlängert. Dem Antrag der Bundesregierung (18/7207) auf Basis der Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/7367) stimmten 442 Abgeordnete in namentlicher Abstimmung zu, 48 enthielten sich, 82 stimmten gegen das Mandat. Mit dem neuen Mandat wird die Einsatz-Obergrenze erhöht. Konnten bisher maximal 100 Soldaten in den Nordirak geschickt werden, dürfen es künftig bis zu 150 Soldaten sein.
Der Einsatz ist Teil der internationalen Anstrengungen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Wie schon im vergangenen Jahr sollen die Soldaten militärische Ausbildungslehrgänge für die kurdischen Sicherheitskräfte („Peschmerga“) und die irakischen Sicherheitskräfte durchführen.
Zeitlich begrenzt und in Rotation mit internationalen Partnern sollen sie auch die Koordinierungsverantwortung für den internationalen Einsatz übernehmen. Das Einsatzgebiet liegt schwerpunktmäßig im Raum Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete.
In der Debatte zogen Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD ein überwiegend positives Fazit der bisherigen Anstrengungen in der Region. Thorsten Frei (CDU/CSU) sagte, dass die Zwischenbilanz sogar „ausnahmslos positiv“ ausfalle. Es sei den Peschmerga, aber auch den Truppen der irakischen Zentralregierung, gelungen, den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) zurückzudrängen. Tausende IS-Kämpfer seien getötet worden und seine Einflusssphäre sei reduziert worden. Der IS habe zudem seinen Nimbus, in der chronisch instabilen Region für Stabilität zu sorgen, verloren, betonte Frei.
All die Befürchtungen, die vor der Erteilung des Ausbildungsmandates sowie der Waffenlieferungen in den Nord-Irak geäußert worden waren, hätten sich nicht erfüllt. Weder sei der IS stärker geworden, noch sei der Irak zerfallen, auch wenn es Probleme gebe, über die man mit der Zentralregierung in Bagdad und der Regionalregierung in Erbil sprechen müsse. Frei hob hervor, dass militärische Mittel auch hülfen, Fluchtursachen zu bekämpfen. „Menschen bleiben in der Region, wenn sie nur eine Perspektive habe“, sagte der Christdemokrat.
Wie auch Frei betonte Dr. Rolf Mützenich (SPD), dass die militärische Mission nur ein Teil der Antwort auf die Probleme in der Region sein könne. So hätten Außen- beziehungsweise Entwicklungsministerium zum Beispiel gerade in jenen Gebieten, die vom IS zurückerobert worden waren, wichtige Unterstützung geleistet, sagte der Sozialdemokrat. Es sei aber richtig gewesen, die Peschmerga militärisch auszubilden sowie Material und Waffen zu liefern, um den IS zurückzudrängen, sagte der Sozialdemokrat. Und eine Mehrheit der Fraktion sie auch davon überzeugt, dass eine Fortsetzung des Mandats verantwortbar sei.
Allerdings müssten auch kritische Fragen gestellt werden. So müsse die Regionalregierung in Erbil Klarheit über das Vorgehen kurdischer Gruppen bei der Befreiung von Dörfern schaffen. Zudem müsse verhindert werden, dass sich die Spannungen zwischen den kurdischen Gruppen verschärften. „Entscheidend ist, dass es keinen weiteren Konflikt im Irak gibt“, unterstrich Mützenich.
Gesprochen werden müsse auch über die politische Gesamtsituation im Irak, die nicht zufriedenstellend sei. Die verschiedenen Gruppen des Landes kämen nicht zusammen. Die irakischen Streitkräfte seien weiterhin „sehr korrumpierbar“. Sie könnten daher zwar Ausbildungsunterstützung erhalten. Er warne aber davor, „über weitergehende Material- und Militärhilfe jetzt schon zu entscheiden“, sagte der Sozialdemokrat.
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) widersprach der Einschätzung von Christdemokrat Frei, dass der IS geschwächt worden sei. Vielmehr sei er in den vergangenen zwölf Monaten in Libyen und dem Jemen stärker geworden und habe seine Schlagfähigkeit auch in Europa unter Beweis gestellt. Eine Ausnahme bildete der Irak, hier sei der IS tatsächlich zurückgeschlagen worden. Dies liege auch an der kurdischen Regionalregierung und der Ausbildung durch deutsche Soldaten, beschied der Grünen-Politiker. So habe die Sanitätsausbildung dazu geführt, dass die kurdischen Kräfte weniger Tote verzeichnet hätten. „Die Ausbildung ist richtig und wichtig“, sagte Nouripour.
Trotzdem werde sich seine Fraktion überwiegend enthalten, denn nach wie vor fehle die Rechtsgrundlage für den Einsatz. Es sei absurd, dass sich die Bundesregierung international nicht um eine solche bemüht habe, kritisierte der Bündnis-Grüne. Zudem sei die Lage im Nordirak durch die Konflikte zwischen den kurdischen Gruppen kritisch. Es gebe Berichte über Vertreibungen und auch die Pressefreiheit sei stark eingeschränkt. Dies müsse von der Bundesregierung angesprochen werden.
Im Hinblick auf die Lieferung von Waffen und deren Durchsickern auf den Schwarzmarkt forderte Nouripour Aufklärung. Es brauche nicht nur eine „Endverbleibserklärung“, sondern eine „Endverbleibskontrolle“, sagte der Grünen-Abgeordnete.
Jan van Aken (Die Linke) lehnte für seine Fraktion die Verlängerung des Mandates entschieden ab. Es sei richtig, politische auf die Zentralregierung in Bagdad einzuwirken, damit diese alle relevanten Gruppen, insbesondere die Sunniten, einbinde. Mit der Unterstützung der Peschmerga werde dieses Vorhaben aber unterminiert. „Mit jeder Stärkung der Kurden wird die Spaltung des Iraks vorangetrieben“, sagte der Linke-Abgeordnete. Das wiederum stärke den IS.
Die Regionalregierung in Erbil unter Präsident Masud Barzani treibe die Abspaltung der Region ohnehin voran und durch die Ausbildungsmission werde die militärische Stäke, die dafür notwendig sei, ausgebaut. Das sei ein Riesenfehler. „Lassen Sie die Finger davon“, forderte van Aken. Zudem könne die Bundesregierung nicht sagen, ob die ausgebildeten Peschmerga tatsächlich den IS bekämpfen oder doch gegen andere kurdische Gruppen in einem möglichen „Bürgerkrieg“ eingesetzt würden. Da die Zwischenbilanz verheerend ausfalle, sei es „verantwortungslos“, deutsche Soldaten in die Region zu schicken, folgerte van Aken.
Ein Entschließungsantrag der Grünen (18/7377), in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, eine UN-Mission als Grundlage für den Einsatz anzustreben, wurde mit Mehrheit der Koalition abgelehnt. Die Linke stimmte mit den Grünen. (scr/28.01.2016)