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Bartels sieht Bundeswehr am Wendepunkt


Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, sieht die Bundeswehr am Wendepunkt. Einmal im Jahr legt der Wehrbeauftragte dem Parlament seinen Wehrbericht (18/7250) vor. Darin kritisiert Bartels die immer geringer werdende Personaldecke und die unzureichende Ausstattung der Truppe. „Fast von allem ist zu wenig da“, sagt er am Dienstag, 26. Januar 2016, im Interview mit dem Parlamentsfernsehen. Das sei den Aufgaben der Bundeswehr nicht mehr gemäß.

„Ausstattung ist ein Riesenproblem“

„Die Ausstattung ist ein Riesenproblem“, konstatiert der Wehrbeauftragte. Es fehle an Material vom Panzer bis zur Schutzweste auch bei der Ausbildung und Übung. Das könne eine Gefahr für den Einsatz darstellen, wenn nicht realitätsnah ausgebildet werde. Bartels fordert, dass das Material nicht nur für den Einsatz gekauft werden darf. „Wir brauchen eine Vollausstattung der Bundeswehr.“ Es müsse das, was auf dem Papier vorhanden sein soll, auch tatsächlich da sein.

Das betreffe auch den Beitrag der Bundesrepublik zur Sicherheit des Bündnisgebietes. „Wenn wir nur 70 Prozent der Panzerbataillone zur Verfügung haben, dann sind das hohle Strukturen“, kritisiert Bartels und hebt im Interview die beklagenswerte Hubschrauberlage der Bundeswehr hervor. Dieser Zustand müsse erkannt und überwunden werden. „Das wird übrigens auch Geld kosten“, sagt er.

„Bundeswehr ist nicht die Personalreserve der Länder“

Bartels befürwortet die Ankündigung von Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU), dass die Flüchtlingshilfe nicht zu einem Dauereinsatz der Bundeswehr werden dürfe. „Die Kommunen und Länder können sich darauf einstellen, dass sie die Lücken, die im Moment durch die Bundeswehr geschlossen werden, bis zur Mitte des Jahres personell nach und nach selber schließen müssen.“ Die Bundeswehr sei nicht die Personalreserve für fehlende zivile Kapazitäten bei Ländern und Kommunen.

Auch die unerreichte Personalstärke von 185.000 Soldatinnen und Soldaten mache der Bundeswehr zu schaffen. Nur rund 177.000 aktive Soldaten seien im Dezember 2015 gemeldet worden. „So wenige waren es nie“, stellte Bartels fest. „Das muss das untere Ende markieren.“ Es müsse das Ziel sein, wenigstens die Sollstärke voll aufzufüllen.

Rund 8.000 aktive Soldaten fehlen

Bartels hat seinen ersten Wehrbericht im Amt, der zugleich der 57. In der Geschichte der Bundesrepublik ist, am Dienstag, 26. Januar, an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert übergeben. „Wir wissen, wie wichtig das Thema ist“, sagte Lammert, der die gebotene sorgfältige Wahrnehmung im Parlament zusicherte.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, fehlten der Bundeswehr Ende 2015 rund 8.000 aktive Soldaten und Soldatinnen, um die angestrebte Personalstärke von 185.000 zu erreichen. Angesichts aktueller und zukünftiger Aufgaben müsse dieser Umfang nicht nur erreicht und gehalten werden, sondern es müsse geprüft werden, ob die veranschlagte Truppenstärke „noch angemessen ist“, schreibt Bartels in seinem Bericht. Vor der Presse kritisierte Bartels zudem die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 ohne entsprechendes Personalkonzept als falsch. Darunter leide die Truppe bis heute.

Bartels mahnt zudem die Rückkehr zur Vollausrüstung bei der Bundeswehr an. In den vergangenen Jahren hätte vielen Einheiten lediglich 70 Prozent des benötigten Materials zur Verfügung gestanden. Den Rest hätten sie sich - etwa bei Übungen - unter „hohem logistischen und zeitlichen Aufwand“ aus anderen Bereichen „ausleihen“ müssen, heißt es in Bartels Bericht. „Ein massiver Ausfall von Ausbildung sowie Unzufriedenheit in der Truppe waren die Folge.“

„Verteidigungsausgaben erhöhen“

Zwar habe das Verteidigungsministerium erkannt, „den falschen Weg eingeschlagen zu haben“, allerdings habe sich die Situation nicht wesentlich verändert. Nach wie vor fehle es zudem an einsatzfähigem Großgerät wie Fahrzeugen, Flugzeugen, Schiffen und der dazu gehörenden Bewaffnung. Meist werde es verspätet und mit Qualitätsdefiziten ausgeliefert und dann auch noch teurer als geplant.

Bartels fordert Bundesregierung und Bundestag auf, die Verteidigungsausgaben wieder zu erhöhen. Das Verteidigungsministerium solle deshalb alle bestehenden Lücken und Defizite benennen, damit sich das Parlament ein Bild von dem notwendigen finanziellen Aufwand machen könne. Zwar steige der Anteil der Verteidigungsausgaben von 1,16 Prozent an der Wirtschaftsleistung Deutschlands im vergangenen Jahr auf 1,18 Prozent in diesem Jahr.

Weniger Eingaben als 2014

Allerdings sinke dieser Wert in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2019 mit 1,07 Prozent auf das in der Geschichte der Bundeswehr niedrigste Niveau. „Damit wäre Deutschland von der Einhaltung der in der Nato vereinbarten Zielvorgabe von zwei Prozent noch weiter entfernt als je zuvor“, heißt es in dem Bericht.

Im vergangenen Jahr gingen 4.344 Eingaben beim Wehrbeauftragten ein, 301 weniger als 2014. Auch die Eingabenquote sank im gleichen Zeitraum von 25,4 pro Tausend Soldaten auf 24,2. Die meisten Eingaben betrafen die Bereiche Menschenführung und soldatische Ordnung (962), Besoldung (553) und die Vereinbarkeit von Familien- beziehungsweise Privatleben und Dienst (434).

Der Wehrbeauftragte

Der Wehrbeauftragte versteht sich als Anwalt der Soldaten und ist zugleich ein wichtiges Hilfsorgan des Parlaments bei der Kontrolle der Streitkräfte.

Hans-Peter Bartels ist der zwölfte Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. 1961 in Düsseldorf geboren, gehört der promovierte Politikwissenschaftler seit 1998 dem Deutschen Bundestag an – zuletzt als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Am 18. Dezember 2014 wurde Bartels zum Wehrbeauftragten gewählt, am 20. Mai 2015 ernannt und am 21. Mai 2015 im Plenum des Deutschen Bundestages vereidigt.

Im Grundgesetz verankert

Der Wehrbeauftragte wird nach Artikel 45b des Grundgesetzes als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte berufen. Zu seinen Kernaufgaben gehört ferner, über die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten sowie über die Einhaltung der Grundsätze der Inneren Führung zu wachen.

Die gewonnenen Erkenntnisse über den inneren Zustand der Bundeswehr hält der Wehrbeauftragte in einem umfassenden Bericht fest, den er einmal jährlich dem Deutschen Bundestag vorlegt.

Ombudsinstitution der Streitkräfte

Als „Anwalt der Soldaten“ und zugleich Hilfsorgan des Parlaments bei der Kontrolle der Streitkräfte nimmt der Wehrbeauftragte eine besondere Stellung innerhalb des parlamentarischen Systems ein – dabei ist er weder Mitglied des Deutschen Bundestages noch Beamter.

Tätig wird der Wehrbeauftragte aus eigener Initiative oder auf Weisung des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses. Seine Informationen erhält er insbesondere durch angemeldete oder unangemeldete Truppenbesuche, Gespräche und Eingaben, die ihn aus der Bundeswehr erreichen. Jede Soldatin und jeder Soldat hat die Möglichkeit, sich direkt und ohne Einhaltung des Dienstweges an den Wehrbeauftragten zu wenden. (eis/26.01.2016)