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Trotz teilweise massiver Kritik an dem von der Bundesregierung vorgelegten Wehrrechtsänderungsgesetz (17/4821) haben die vom Verteidigungssauschuss unter Vorsitz von Dr. Susanne Kastner (SPD) geladenen Experten am Montag, 14. März 2011, in einer öffentlichen Anhörung mehrheitlich die geplante Aussetzung der Wehrpflicht und die Schaffung eines freiwilligen Wehrdienstes zum 1. Juli dieses Jahres begrüßt.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, machte keinen Hehl daraus, dass sein Verband bis zuletzt an der Wehrpflicht festhalten wollte. Zugleich stellte er jedoch klar, dass die geplante Aussetzung der Wehrpflicht jetzt nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Durch die Ankündigung des Bundesverteidigungsministeriums, bereits ab März keine Wehrpflichtigen mehr einzuberufen, habe man sich selbst unter Zeitdruck gesetzt. Nun müsse es darum gehen, den geplanten freiwilligen Wehrdienst für Frauen und Männer von sechs bis 23 Monaten zügig zu verankern, argumentierte Kirsch.
Bislang könnten die Kreiswehrersatzämter potenzielle Bewerber nicht angemessen über die Modalitäten des freiwilligen Wehrdienstes beraten. Zudem müsse dieser ausreichend attraktiv gestaltet werden, wenn genügend Freiwillige für die geplanten 15.000 Dienstposten rekrutiert werden sollen.
Gerd Höfer, Präsident des Reservistenverbandes, äußerte die schärfste Kritik an dem Gesetzentwurf, den er als "schlampig“ bezeichnete. Bislang sei noch kein Reservistenkonzept ausgearbeitet worden. Dieses werde allerdings benötigt, um einen personellen Aufwuchs der Streitkräfte im Spannungs- und Verteidigungsfall zu gewährleisten, wie dies der Gesetzentwurf vorsehe.
Hofer plädierte dafür, weiterhin alle wehrdienstpflichtigen Männer zu mustern. Da die Wehrpflicht ja nicht aus der Verfassung gestrichen werde, sondern lediglich auf die Einberufung verzichtet werden solle, sei dies auch rechtlich möglich. Ansonsten lägen lediglich die Personaldaten jener Männer und Frauen vor, die den freiwilligen Wehrdienst geleistet haben.
Durchgängig bemängelten die Experten, dass derzeit keine nachvollziehbare sicherheitspolitische Begründung für die angestrebte Reform der Bundeswehr existiert.
Dies sei jedoch notwendig, wenn man Personalumfang und Finanzierung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit und gegenüber den Soldaten begründen wolle, argumentierten übereinstimmend Reiner Pommerin, Sprecher des Beirats für Fragen der Inneren Führung, Hilmar Linnenkamp von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik und die Hochschulprofessoren Dr. Jürgen Schnell von der Bundeswehr-Universität München und Dr. Jörn Ipsen von der Universität Osnabrück. Alle drei Experten begrüßten jedoch prinzipiell die angestrebte Aussetzung der Wehrpflicht.
Zustimmung für die geplante Aussetzung der Wehrpflicht kam auch von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer. Deren Vorstandsmitglied Ralf Siemens machte jedoch zugleich klar, dass die Schaffung eines freiwilligen Wehrdienstes für Frauen und Männer nicht durch eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes erreicht werden könne. Das Wehrpflichtgesetz leite sich schließlich aus Artikel 12a des Grundgesetzes über die allgemeine Wehrpflicht ab.
Siemens plädierte deshalb dafür, den freiwilligen Wehrdienst durch eine entsprechende Änderung des Soldatengesetzes zu verankern. Dafür sprach sich auch der Hochschulprofessor Dr. Ulli Arnold von der Universität Stuttgart aus. Dies sei schon deshalb geboten, um freiwillige Wehrdienstleistende rechtlich nicht anders zu stellen als Zeit- und Berufssoldaten. (aw)