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Brinkhaus will bessere Investitionsbedingungen

Ralph Brinkhaus leitet die deutsche Delegation bei der Tagung der Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU am Mittwoch, 17. Februar 2016, in Brüssel. „Ziel der Konferenz ist es, einen Rahmen für Debatten und den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren in Bezug auf die Umsetzung des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion zu bieten“, sagt der Unionsabgeordnete im Interview. „Sehr gespannt“ ist Brinkhaus auf den Informationsaustausch über die in den einzelnen Mitgliedsländern angewandten Verfahren zur haushaltspolitischen Koordinierung. Gerade beim Thema Haushaltsmodernisierung gibt es aus seiner Sicht „reichlich Gesprächsbedarf“. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion äußert sich auch zur Flüchtlingsproblematik, der Investitionsoffensive der EU und weist zugleich darauf hin, dass es in Deutschland „nicht vermittelbar ist, die Europäische Union in erster Linie als Umverteilungsmechanismus zu sehen“. Das Interview im Wortlaut:


Herr Brinkhaus, am 17. Februar tagt in Brüssel zum sechsten Mal die Interparlamentarische Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU. Sie leiten dabei zum zweiten Mal die deutsche Delegation. Um was für ein Gremium mit welchen Zielsetzungen handelt es sich dabei?

An der Interparlamentarischen Konferenz haben beim letzten Mal Delegationen aus 25 EU-Mitgliedstaaten plus Montenegro und eine Delegation aus Parlamentariern des Europäischen Parlaments teilgenommen. Ziel der Konferenz ist es, einen Rahmen für Debatten sowie den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren in Bezug auf die Umsetzung des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) zu bieten. Das mag etwas steif klingen, bedeutet aber konkret, dass diese Konferenz den Delegationsmitgliedern die Möglichkeit gibt, sich regelmäßig mit Kollegen aus den anderen europäischen Staaten und Institutionen ausführlich auszutauschen. Dies ist sehr wertvoll. Wann hat man sonst schon die Gelegenheit, all diese Kollegen an einem Ort zu treffen sowie politisch relevante Themen und Erfahrungen zu erörtern? Durch solche Gespräche bekomme ich wichtige Impulse für die deutschen Debatten. Außerdem lassen sich Netzwerke bilden.

Laut Tagesordnung soll unter anderem über die in den einzelnen Mitgliedsländern angewandten Verfahren zur haushaltspolitischen Koordinierung diskutiert werden und wie die einzelnen nationalen Parlamente dabei beteiligt sind. Müssen Ihrer Ansicht nach die Verfahren vereinheitlicht werden, um zu finanz- und wirtschaftspolitischer Stabilität in der Eurozone zu gelangen?

Auf diesen Informationsaustausch bin ich sehr gespannt, denn schließlich sollen die Mitgliedstaaten ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik an den auf EU-Ebene vereinbarten Zielen und Regeln ausrichten. Das ist angesichts der großen Herausforderungen, denen alle EU-Staaten gegenüberstehen, gar nicht so einfach – sei es die Haushaltskonsolidierung im Allgemeinen oder die Flüchtlingskrise beziehungsweise Fragen der inneren Sicherheit im Besonderen. All dies muss aber im Rahmen von Haushaltsplanung und -vollzug berücksichtigt werden, wobei sich naturgemäß Schwerpunkte und Umfang von Land zu Land unterscheiden. Bezogen auf Deutschland ist besonders erfreulich, dass der Bund in den letzten beiden Jahren jeweils einen ohne neue Schuldenaufnahme ausgeglichenen Haushaltsabschluss erreichen und sogar gewisse finanzielle Polster für aus der Flüchtlingskrise resultierende Herausforderungen bilden konnte. Auch wenn die grundsätzlichen Verfahren mittlerweile europaweit weitgehend vereinheitlicht sind, gibt es zum Beispiel beim Thema Haushaltsmodernisierung noch reichlich Gesprächsbedarf.

Schon am 16. Februar tagt die Konferenz des Europäischen Parlaments zum Europäischen Semester, die Sie mit der deutschen Delegation ebenfalls besuchen werden. Dort bilden die sozialen Rechte einen Schwerpunkt der Diskussion. Die Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion war auch beim Treffen der Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU im vergangenen Jahr ein Thema. Wurde bislang beim Zusammenwachsen Europas auf die Frage einer Sozialunion zu wenig Wert gelegt?

Auf der letzten Konferenz wurde gefordert, die soziale Dimension wieder in das Zentrum des europäischen Projekts zu rücken, um eine soziale Spaltung und die Abwendung der Bürger zu vermeiden. Dies ist sicher nicht falsch. Richtig ist aber auch, Geld für soziale Leistungen muss erst einmal erwirtschaftet werden. Die Europäische Union in erster Linie als Umverteilungsmechanismus zu sehen, ist aber beispielsweise in Deutschland nicht vermittelbar. Insofern stehen wir vor spannenden Diskussionen.

Die Ankurbelung von privaten und öffentlichen Investitionen für Wachstum und Arbeitsplätze in Europa war ebenfalls im vergangenen Jahr ein Thema. Der von der EU-Kommission Ende 2014 vorgelegte Investitionsplan für Europa sah ja vor, dass mit einem öffentlichen Euro 15 Euro an privaten Investitionen erwirkt werden sollen. Wie ist der Stand heute – geht der Plan auf?

Insgesamt müssen wir die Investitionsbedingungen verbessern. Der Schwerpunkt der europäischen Investitionsoffensive liegt daher nicht nur auf einer intelligenteren Nutzung neuer und bestehender finanzieller Ressourcen, sondern auch auf der Beseitigung von Investitionshindernissen sowie der Unterstützung von Investitionsvorhaben durch Öffentlichkeitsarbeit und technische Hilfe. In Deutschland spielt hier die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine wichtige Rolle. Anschaulich zeigt sich das am Programm "Unternehmerkredit Plus", in dem die KfW gemeinsam mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) 50 Prozent des Kreditrisikos der durchleitenden Finanzierungspartner übernimmt und so die Kreditvergabe erleichtert. Auch in anderen Ländern lassen sich erfolgversprechende Projekte finden. Nach aktuellen Schätzungen hat der EFSI europaweit bereits rund 50 Milliarden Euro Investitionen generiert. Das ist ein schöner Erfolg.

Wenn sich Vertreter nationaler Parlamente Europas treffen, ist es schwer vorstellbar, dass nicht auch die Flüchtlingskrise eine Rolle spielen wird. Wie lautet Ihre Einschätzung: Gefährdet die Krise die wirtschaftliche Entwicklung Europas oder kann der Zustrom an Menschen positive Entwicklungen in Gang setzen?

Die Flüchtlingskrise stellt die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten vor die wahrscheinlich bislang größte Herausforderung. Dabei gilt es zu beweisen, dass es uns als Gemeinschaft gelingt, den Zustrom in geregelte Bahnen zu lenken und die entstehenden Lasten angemessen zu verteilen. Auch wird eine gelungene Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt über die langfristigen Ergebnisse entscheiden. Darüber hinaus wird aber Hilfe vor Ort das A und O sein. In diesem Zusammenhang stellt die Bereitstellung von neun Milliarden Euro im Rahmen der Syrien-Geberkonferenz in London ein gutes Signal dar. Allein Deutschland wird innerhalb von drei Jahren 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das wird aber noch nicht reichen. Denn wir müssen nicht nur den Zuzug nach Europa begrenzen, sondern auch dafür sorgen, dass die Menschen in ihren Herkunftsländern wieder eine Zukunftsperspektive sehen.

(hau/09.02.2016)