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Berlin: (hib/PST) Im Ziel, aber nicht in der Ausführung haben bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses die geladenen Experten einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/6985) zugestimmt, mit dem das Sachverständigenrecht reformiert sowie einige Änderungen bei Familiengerichtsverfahren vorgenommen werden sollen. Im Sachverständigenrecht geht es darum, die oft kritisierte Qualität von Gutachten insbesondere für Familiengerichte zu verbessern, im Gerichtsverfahrensrecht vor allem darum, Prozesse zu beschleunigen.
Die Experten aus Justiz, Wissenschaft und Verbänden wiesen einhellig darauf hin, dass es oft schwierig sei, überhaupt qualifizierte Sachverständige zu finden, die in angemessener Zeit Gutachten erstellen. Die Psychologin und Rechtsanwältin Anja Kannegießer vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen äußerte Bedenken gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene Fristsetzung für die Abgabe von Gutachten und begründete dies damit, dass die Gutachter oft überlastet seien. Ebenso wie Kannegießer bezweifelten auch andere Experten, dass Gutachten besser werden, wenn das Gesetz die Grundqualifikationen von Gutachtern festschreibt, etwa einen Abschluss in Psychologie oder Medizin für Sachverständige in Kindschafts- und Sorgerechtsfragen. Wichtiger seien spezifische Zusatzqualifikationen und einschlägige Berufserfahrung, sagte Claudio Nedden-Boeger vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dass es derzeit nicht genügend Fachleute gibt, die diese Voraussetzungen mitbringen, ließ Nedden-Boeger nicht als Grund gelten, diese nicht ins Gesetz zu schreiben. Vielmehr wäre dies nach seiner Meinung ein Ansporn für nicht ausreichend Qualifizierte, die Zusatzausbildung nachzuholen.
Vielfache Zustimmung anderer Experten fand die Einlassung von Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein, dass man bei der Qualifizierung aller Verfahrensbeteiligten ansetzen müsse, nicht nur bei den Sachverständigen. In den Fachanwaltschaften gebe es eine regelmäßige Fortbildungspflicht, die Richterschaft aber kenne so etwas nicht. Dem pflichtete der Familienrichter Stefan Heilmann als Vertreter des Deutschen Familiengerichtstag bei. Sowohl die Eingangsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Familienrichter als auch eine Fortbildungsverpflichtung müssten im Gesetz festgeschrieben werden, forderte Heilmann. Dass für Jugendrichter und Richter in Insolvenzverfahren besondere Qualifikationen verlangt werden, nicht aber für Familienrichter, die über die Zukunft von Kindern entscheiden, wurde in der Anhörung mehrfach kritisiert.
Die Tatsache, dass in Familiensachen oft Berufsanfänger zum Einsatz kommen, ist für den ehemaligen Familienrichter und Amtsgerichtspräsidenten Helmut Borth auch eine Ursache für die beklagte Verzögerung der Verfahren. Diesen Richtern fehlten häufig wesentliche Kompetenzen, sie seien überfordert und damit auch schnell überlastet. Borth forderte, über die Gerichtsverfassungsstruktur nachzudenken, sonst sei das Problem der Verzögerungen nicht in den Griff zu bekommen.
Auf breite Ablehnung stieß ein Passus im Gesetzentwurf, nach dem Gutachtern bei Überschreiten der Abgabefrist ein Zwangsgeld von bis zu 5.000 Euro droht. Das, so die Befürchtung, werde den Mangel an qualifizierten Gutachtern noch erhöhen. Eine solche Androhung "verringert die Bereitschaft, für ein Gericht tätig zu werden", mahnte der Amtsgerichtsdirektor Harald Müller.
Unterschiedlich beurteilten die Experten die Regelung im Gesetzentwurf, dass vor Bestellung eines Sachverständigen durch den Richter die Verfahrensbeteiligten dazu angehört werden sollten. Joachim Lüblinghoff vom Deutschen Richterbund zeigte sich damit einverstanden, nachdem aus der Muss-Vorschrift im Referentenentwurf eine Soll-Vorschrift geworden sei. "Transparenz im Verfahren wird die Akzeptanz erhöhen", meinte Lüblinghoff. Andere Experten befürchteten dagegen zusätzliche Probleme, etwa wenn jeder Verfahrensbeteiligte einen anderen Sachverständigen wolle. Der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski von der Berliner Humboldt-Universität wiederum verwies auf eine empirische Studie, wonach in fast einem Viertel der Fälle der Richter dem von ihm bestellten Sachverständigen signalisiere, in welche Richtung sein Gutachten gehen solle. Um die Unparteilichkeit des Gutachters zu gewährleisten, schlug Schwintowski die Zwischenschaltung einer unabhängigen Stelle ein, so dass der Gutachter nicht erfährt, wer ihn bestellt hat.
Karl Erhard Kramme, Gerichtsgutachter in technischen Fragen, kritisierte, dass die eigentlich wegen schlechter Gutachten in Familiengerichtsverfahren geplante Neuregelung für alle Sachverständigen gelten solle. In anderen Bereichen seien überwiegend öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige tätig, und deren Gutachten seien "größtenteils unproblematisch", sagte Kramme. Viele im Gesetzentwurf vorgesehene Regelungen seien außerhalb der Familiengerichtsbarkeit irrelevant.
Kritisch beurteilten mehrere Sachverständige schließlich eine Regelung, die über einen Änderungsantrag im laufenden Gesetzgebungsverfahren eingefügt werden soll. Dabei soll einer EU-Forderung entsprechend ein Rechtsmittel gegen zu langwierige Verfahren geschaffen werden. Angesichts des Formulierungsvorschlags der Bundesregierung, der zwischen einfacher und qualifizierter Verzögerungsrüge differenziert, stellte Bundesrichter Nedden-Boeger die Frage, "wie man eine so einfache Sache so kompliziert machen kann". Die Amtsgerichtsdirektorin Brigitte Meyer-Wehage nannte es "sehr bedenklich", dass mit der vorgeschlagenen Regelung "gewissermaßen der Bundesgerichtshof zur Tatsacheninstanz gemacht" werde. Mehrere der Sachverständigen schlugen vor, mit Verzögerungsrügen einfach analog zu Befangenheitsanträgen zu verfahren.
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