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"Die Folgen sind bis heute nicht überwunden", sagte Wolodimir Usatenko, Tschernobyl-Liquidator und ehemaliger Abgeordneter des ukrainischen Parlaments am Mittwoch, 13. April 2011, im Umweltausschuss des Bundestages. Der Ausschuss unter Vorsitz von Eva Bulling-Schröter (Die Linke) hatte elf Sachverständige zu einer öffentlichen Anhörung mit dem Titel "25 Jahre Tschernobyl" eingeladen. Am 26. April jährt sich die Reaktorkatastrophe in der Nordukraine zum 25. Mal. Usatenko betonte aber, dass die Ursache für den Unfall aufgeklärt werden konnte: menschliches Versagen. "Das Problem ist, dass Menschen versuchen, sich klüger darzustellen als sie sind“, sagte er. Die Kindersterblichkeit in der Nähe des früheren Atomkraftwerks sei auch nach 25 Jahren noch dreimal so hoch wie im Rest der Ukraine - selbst an Orten, an denen keine erhöhten Werte mehr gemessen werden.
"Die Ukraine hat die Last von Tschernobyl geerbt“, sagte die Botschafterin der Ukraine in Deutschland, Natalia Zarudna. Die Folgen seien bis heute spürbar. Bisher habe das Land Kosten von rund zwölf Milliarden US-Dollar schultern müssen.
Die Lehre aus der Reaktorkatastrophe sei, dass die Ukraine auf Atomwaffen verzichte und Vorschriften zur Atomsicherheit entwickelt habe. Zeitweise habe es auch einen Baustopp für neue Atomkraftwerke gegeben. Die Botschafterin dankte den mehr als tausend Deutschen, die mit ihrer Hilfe die Ukraine "nicht allein gelassen" hätten.
Peter Dettmar, deutscher Gesandter in Weißrussland, wies auf die hohen Folgekosten für das nicht gerade reiche Land hin. 23 Prozent des weißrussischen Territoriums seien von der Katastrophe betroffen. Bis zum Jahr 2015 rechne man mit einem volkswirtschaftlichen Schaden von insgesamt rund 200 Milliarden US-Dollar.
Wichtig sei, soDettmar, dass internationale Hilfe ankomme, aber auch angenommen werde. Das zeige, dass Politik und Behörden die Ausnahmesituation erkannt hätten. Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland würden in ihrer Tschernobyl-Arbeit nicht behindert. Bei anderen Projekten sei das anders.
Sogar die strengen Reisebestimmungen seien für kranke Kinder, die nach Europa fahren wollten, gelockert worden. "Das zeigt die Bereitschaft der Regierung, das Humanitäre in den Vordergrund zu stellen“, sagte Dettmar.
Eine traurige Bilanz zog die Ärztin Dr. Angelika Claußen. Mehr als 100.000 Menschen seien an den Folgen der Reaktorkatastrophe gestorben, darunter viele Helfer. Die meisten seien keiner Krebserkrankung erlegen, sondern an Infarkten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen oder ähnlichem gestorben.
Besorgt äußerte sich die Vertreterin der Organisationen "Internationale Ärzte gegen Verhütung des Atomkriegs“ und "Ärzte in sozialer Verantwortung“ über die hohen Zahlen von Kinderlosigkeit sowie Fehl- und Totgeburten. Sie forderte von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), ein umstrittenes Abkommen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation zu kündigen.
Die UN-Gesundheitsorganisation habe sich verpflichtet, die Internationale Atomenergie-Organisation zu konsultieren, bevor sie Forschungen zu Folgen radioaktiver Strahlung einleitet, betonte die Ärztin. Dabei müsse Einvernehmen erzielt werden. Hauptzweck der Atomenergie-Organisation sei, die Nutzung der Atomenergie zu fördern.
Das ist aus Sicht von Angelika Claußen ein nicht auflösbarer Widerspruch und führt unter anderem dazu, dass die WHO die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe bis heute herunterspiele und Dokumente zu den Risiken der Atomtechnologie nicht veröffentliche.
Peter Junge-Wentrup vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund informierte den Umweltausschuss über die Betreuung von Kindern aus dem Gebiet um Tschernobyl in europäischen Gastfamilien. Allein in Deutschland gebe es 500 Initiativen, die Kinder aus der Ukraine und Weißrussland betreuen. Auch in Spanien, Großbritannien, Österreich, Italien und weiteren Ländern gebe es Organisationen dieser Art.
Mehr als eine Million kleiner Gäste seien bereits in verschiedenen europäischen Familien betreut worden. Diese Urlaube würden in den Ländern auch den Blick auf Westdeutschland verändern. Junge-Wentrup sieht darin einen Teil des Versöhnungsprozesses nach dem Zweiten Weltkrieg.
Auch Eckhard Petreins vom Friedensnetz des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) sieht in diesen Besuchen einen Beitrag zur Völkerverständigung. Er versprach: "Wir werden diese Arbeit weitermachen.“
Dr. Hartmuth Teske von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) sagte, die Vorfälle von Tschernobyl und Fukushima hätten die Welt verändert. Zur Bewältigung der Folgen müssten zahlreiche Projekte angestoßen werden.
Teske sprach sich dafür aus, die radioaktiven Abfälle, die sich noch im Reaktor befinden, in eine Endlagerung zu überführen. Auch für Wolodimir Usatenko würde ein Atommüllendlager viele Probleme lösen. (ah)