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Kritik an der Familienpolitik der Bundesregierung übten die Oppositionsfraktionen während der ersten Lesung eines von der Linksfraktion vorgelegten Antrages (17/6915) am Donnerstag, 27. Oktober 2011 im Bundestag. Statt an Ehegattensplitting und Betreuungsgeld festzuhalten, müsse die Infrastruktur bei der Kinderbetreuung ausgebaut und das Elterngeld weiterentwickelt werden, lautete die Forderung von SPD-, Grünen- und Linksfraktion. Die Koalitionsfraktionen verteidigten das Handeln der Regierung. Diese schaffe Wahlfreiheit für Eltern und lehne ideologisch geprägte Familienbilder ab. Die Vorschläge der Linksfraktion seien zudem nicht finanzierbar, hieß es von Unions- und FDP-Fraktion.
Entscheidend für eine moderne Familienpolitik sei die Frage, "was ist eigentlich eine Familie", sagte Diana Golze (Die Linke). "Familie ist dort, wo Menschen füreinander soziale Verantwortung übernehmen", zitierte sie aus dem Antrag ihrer Fraktion. Während die Familienministerin noch immer dem Bild der klassischen Familie von verheirateten Eltern mit Kindern nachhänge, zeige die Realität, dass immer mehr Kinder im Haushalt von Alleinerziehenden aufwüchsen.
Für die Kinder bestünde die Familie nicht nur aus Mutter und Vater, sondern auch Oma und Opa, sowie Onkel und Tante. "Dem muss auch die Politik Rechnung tragen", forderte Golze. Die Bundesregierung halte jedoch am Ehegattensplitting fest, habe das Elterngeld für Hartz IV-Empfänger gestrichen und verweigere sich dem Mindestlohn. Auch beim Kitaausbau zeige die Bundesregierung wenig Engagement. So sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht erreichbar, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion.
Ein "Potpourri der guten Laune" biete die Linksfraktion mit ihrem Antrag, ohne jedoch die Frage der Finanzierbarkeit aufzugreifen, urteilte Dorothee Bär (CDU/CSU). Zudem wolle die Fraktion festlegen, wie Familien zu leben hätten. "Die Linke sagt, jede Frau muss Vollzeit arbeiten", so Bär. Das sei eine "verantwortungslose Politik". Die Bundesregierung mache hingegen Politik für alle Familien. "Wir sind für die Wahlfreiheit", betonte die CSU-Politikerin. Die Vorschläge in dem Antrag seien außerdem nicht durchgerechnet. Die Koalition mache hingegen durch die Schuldenbremse eine nachhaltige Familienpolitik, im Interesse der nächsten Generationen.
Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) rede lediglich von Wahlfreiheit, sagte die SPD-Abgeordnete Christel Humme. Tatsächlich sage sie jedoch mit dem Betreuungsgeld den Müttern: Bleibt doch zuhause. "Das ist keine Wahlfreiheit und auch nicht zukunftsweisend", befand Humme. Es habe sich zudem das Rollenverständnis von Männern und Frauen geändert.
"Männer wollen nicht mehr unbedingt der Alleinverdiener sein und Frauen nicht immer zuhause bleiben." Das nehme jedoch die Regierung nicht zur Kenntnis. Stattdessen sei nur ein mutloses Zickzack zu registrieren. Falsch, so Humme sei es auch, bei den Möglichkeiten zur Teilzeitarbeitsregelung auf Freiwilligkeit der Unternehmen zu setzen. Diesen Fehler habe die SPD früher auch gemacht, räumte Humme ein. Es habe sich jedoch gezeigt, dass es hier gesetzliche Regelungen brauche.
Auch wenn der Antrag einige Passagen enthalte, die sie mittragen könne, sei nicht gesagt, wo das Geld hierfür herkommen solle, sagte die FDP-Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt. Sie widersprach dem Vorwurf, die schwarz-gelbe Bundesregierung habe nichts auf dem Gebiet der Familienpolitik getan. Auch das Ministerin Schröder an überholten Rollenbildern festhalte sei falsch. Sie sei schließlich die Initiatorin des Projektes "Männer in die Kita" gewesen. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege habe die Bundesregierung ebenfalls Ergebnisse vorzuweisen. Dass es insbesondere bei sozialen Berufen zu geringe Gehälter gebe, sei ihr bekannt. „Ich lehne es aber ab, hier gesetzlich einzugreifen“, sagte Bracht-Bendt.
Die Bundesregierung habe die Kinderfreibeträge und das Kindergeld erhöht, sagte Katja Dörner (Bündnis90/Die Grünen). Familien mit ALG II-Bezug seien dabei aber komplett leer ausgegangen, kritisierte sie. "Wer hat, dem wird gegeben’ ist das Leitbild der Regierung" so Dörner. Zudem stellten Teile der Koalition das Elterngeld in Frage. Die dringend benötigte Weiterentwicklung liege dadurch auf Eis. Auch Dörner kritisierte das ihrer Ansicht nach veraltete Familienbild der Regierung. Es dürfe nicht sein, dass Kinder Probleme hätten, nur weil sie in Familienkonstellationen aufwachsen, "die der Koalition nicht geheuer sind". (hau)