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Fast 306 Milliarden Euro soll der Bund im Jahr 2012 ausgeben können. So sieht es der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für das Haushaltsgesetz 2012 vor. Bevor das Gesetz Ende November in dritter Lesung mit seinen 22 Einzelplänen endgültig verabschiedet werden kann, berät der Haushaltsausschuss am Donnerstag, 10. November, in seiner traditionellen Bereinigungssitzung abschließend darüber, wer, wie viel und wofür in den einzelnen Etats ausgeben darf. Petra Merkel (SPD), Vorsitzende des Ausschusses, rechnet im Interview noch mit einigen Änderungen der Einzelpläne und erteilt Forderungen nach Steuersenkungen eine Absage. Das Interview im Wortlaut:
Frau Merkel, der Regierungsentwurf zum Haushalt 2012 sieht Ausgaben in Höhe von 305,8 Milliarden Euro vor. Haben die Beratungen des Haushaltsausschusses nach derzeitigem Stand zu größeren Veränderungen am Entwurf geführt?
Im Moment beraten wir im Haushaltsauschuss die Einzelpläne, also die Etats der einzelnen Bundesministerien. Die Bereinigungssitzung, die abschließende Beratung des Etats 2012 im Haushaltsausschuss, ist am 10. November 2011. Bislang hat die Koalition kaum Änderungsanträge eingebracht. Ich rechne aber damit, dass wir in der Bereinigungssitzung dann viele Änderungen zu beraten haben werden.
Inwiefern spielt die Eurokrise eine Rolle bei den Haushaltsberatungen für 2012?
Die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise spielt natürlich eine große Rolle. Allein schon deshalb, weil uns die Vorlagen, so zu den Leitlinien oder auch Berichte über die Entwicklungen in Griechenland, immer aktuell zugeleitet werden und wir diese auch auf der Tagesordnung im Ausschuss haben oder in Sondersitzungen beraten müssen.
Im Entwurf fehlen die Einnahmen aus der Finanzmarkttransaktionssteuer. Auch Ihre Fraktion hatte die Zustimmung zur Eurostabilisierung mit der Forderung nach einer solchen Steuer verknüpft. Hat die Bundesregierung kein Interesse an einer Besteuerung des Finanzsektors?
Es scheint so. Die Regierung setzt sich meiner Meinung nach nicht mit Nachdruck für diese Steuer ein. Neben den Einnahmen, die aus so einer Steuer erzielt werden, ist für mich das Signal auch wichtig – diejenigen an den Kosten zu beteiligen, die auch durch die staatliche Intervention gerettet wurden und noch werden – eben Banken und Spekulanten.
Sie haben unlängst davon gesprochen, dass höhere Steuern benötigt würden, um die Konjunktur in Europa anzukurbeln. Wer also soll zahlen?
Es gibt genug Menschen, die hohe Vermögen haben oder so viel verdienen, dass ihnen eine Steuererhöhung oder eine Vermögensteuer nicht wehtäte. In Deutschland und Europa, ja weltweit melden sich ja sogar Millionäre zu Wort, die gerne mehr Steuern zahlen würden. Auch wenn es abgedroschen ist: Starke Schultern müssen und können mehr schultern als schwache. Das ist sozial, gerecht und solidarisch. Nur so kann ein Gemeinwesen funktionieren, wenn jeder seinen – realistischen und angemessenen – Betrag dazu leistet. Rufe nach Steuersenkungen hingegen sind in der jetzigen Situation wirklich absurd. Niemand kann abschätzen, was noch passieren wird. Deshalb müssen wir unseren Haushalt konsolidieren und nicht die Ausgaben weiter erhöhen.
Das Bundesverfassungsgericht hat das geplante Neuner-Gremium, das für eilige und vertrauliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Rettungsschirm EFSF zuständig sein sollte, in einer Eilentscheidung vorerst auf Eis gelegt. Wie geht's nun weiter?
Sollten nach der einstweiligen Verfügung des Bundesverfassungsgerichts eilige oder vertrauliche Entscheidungen nötig sein, ist die Handlungsfähigkeit auf jeden Fall durch den Haushaltsausschuss oder das Plenum gewährleistet. Wie das aussehen könnte, wird derzeit geprüft. Der Haushaltsausschuss hat sich in einer Sondersitzung mit diesem Thema beschäftigt und das Innen- und Justizministerium um eine Stellungnahme gebeten. Ob die gesetzliche Grundlage für die Parlamentsbeteiligung überarbeitet und dementsprechend angepasst werden muss, hängt vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab.
(hau)