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Das "Greening" und die Direktzahlungen an Landwirte bestimmen die Diskussion unter Experten in Vorbereitung auf die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP). Die EU hat sich vorgenommen, die Weichen bis Ende 2013 neu zu stellen. Ziel ist es, dass die EU-Landwirte bis 2020 wettbewerbsfähiger und nachhaltiger wirtschaften. Der Agrarausschuss des Deutschen Bundestages hörte unter Vorsitz von Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) die Meinung von acht Sachverständigen zu den von der EU-Kommission vorgelegten Reformvorschlägen am Montag, 22. Oktober 2012, an.
Dass eine Reform des derzeit praktizierten Systems der Direktzahlungen an landwirtschaftliche Unternehmen notwendig sei, stellte Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft vor dem Ausschuss fest. "20 Prozent der Betriebe erhalten 80 Prozent der Förderung", sagte er. Direktzahlungen sind finanzielle Leistungen vom Staat, die unter anderem Wettbewerbsnachteile aufgrund hoher Auflagen und dem Allgemeinwohl dienende, nicht über den Markt honorierte Leistungen der Landwirte ausgleichen.
Die Hilfen seien zum Nutzen weniger, aber zum Nachteil vieler, kritisierte Graefe zu Baringdorf. Im "internationalen Maßstab" würden die Zahlungen Preissenkungen Vorschub leisten und somit europäische Exporte von Agrarrohstoffen subventionieren. Weil die EU zu den größten Exporteuren im internationalen Agrarhandel zähle, würden diese Hilfen sich in Entwicklungs- und Schwellenländern sozial und ökologisch negativ auswirken.
Graefe zu Baringdorf forderte den Abbau der heutigen Form der Zahlungen. Landwirte sollten nur noch die Förderung durch die EU erhalten, wenn sie sieben Prozent der Äcker und Wiesen als ökologische Ausgleichsflächen ausweisen, um zum Beispiel die biologische Vielfalt zu fördern. Damit unterstützte er das von der EU-Kommission vorgeschlagene Konzept des sogenannten Greenings.
Eine Forderung, die Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband ablehnte, denn das Greening würde im Ergebnis nach seinen Angaben zu einer Flächenstilllegung von rund 500.000 bis 600.000 Hektar führen. Für die gesamte EU würde eine Fläche von fünf Millionen Hektar zusammenkommen. Das entspricht laut dem Verband der Produktion von rund 30 Millionen Tonnen Getreide beziehungsweise der Versorgung von etwa 15 Millionen Menschen.
Vor dem Trend einer weltweit stetig steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln hätte dies "mit Sicherheit negative Auswirkungen auf die Märkte" und würde zu einer künstlichen Verknappung führen, die zu neuen direkten und indirekten Landnutzungsänderungen in Drittstaaten führen würde. Außerdem rechnete Rukwied damit, dass der Einkommensverlust für die heimischen landwirtschaftlichen Betriebe sich auf acht bis 15 Prozent belaufen würde. "Der Gewinn für die Natur ist gleich Null", sagte er.
Dr. Volker Petersen vom Deutschen Raiffeisenverband sekundierte, indem er sich für den Erhalt der Direktzahlungen aussprach. Das Greening würde nur die Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten "anheizen". Das stehe im Widerspruch zu dem erklärten Ziel der EU-Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors zu erhöhen und den Herausforderungen der weltweiten Ernährungssicherung wirksam zu begegnen.
Petersen sprach sich auch gegen den Vorschlag aus, Kappungsgrenzen für Höchstfördersätze einzuführen, weil diese Agrargenossenschaften belasten würden. "Das wäre zum Nachteil der Landwirte, die sich zusammenschließen wollen." Er schlug im Gegenzug vor, im Falle von Genossenschaften jeden beteiligten Landwirt einzeln zu zählen und auf diese Weise die Fördersätze für Agrargenossenschaften aufzuaddieren.
Seitens der Wissenschaft sah Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut die Chance gekommen, die anstehende GAP-Reform zu nutzen, den Ausstieg aus dem flächendeckenden System der Direktzahlungen bei gleichzeitigem Ausbau zielgerichteter ökologischer Maßnahmen zu beginnen. "Die flächenbezogene Gießkannenförderung wird den Problemen nicht mehr gerecht", sagte er.
Isermeyer sprach sich ebenfalls gegen das vorgesehene Konzept des Greenings aus, weil hinsichtlich des Klimaschutzes kein nennenswerter Effekt zu erwarten sei und eine wirkliche Verbesserung der biologischen Vielfalt nicht erreicht würde.
Prof. Dr. Klaus Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung schloss sich seinem Vorredner an und betonte, dass das zukünftige Förderungssystem "klar definierte Leistungen bei den Landwirten einkaufen" muss. Es dürfe nicht belohnt werden, was ohnehin gemacht würde.
Gegen die Abschaffung der Direktzahlungen sprach für die Politik Minister Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU) vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt aus. "Die Direktzahlungen sind vertretbar und erforderlich", sagte er. So mache der Anteil der Zahlungen rund 80 Prozent des Gewinns je Hektar landwirtschaftliche Fläche in Sachsen-Anhalt aus. "Eine Reduktion der Mittel wäre für den ländlichen Raum verheerend", sagte der Minister.
Die Zahlungen seien ein Ausgleich für die hohen Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzstandards in der EU im Vergleich zu den Produktionsauflagen in vielen Drittstaaten. Ein Ausstieg hätte eine beutende Zahl von Betriebsschließungen zur Folge. Außerdem wären in Zukunft landwirtschaftliche Unternehmen auf außerlandwirtschaftliche Investoren angewiesen.
Der Einzelsachverständige Lutz Ribbe brach aus Sicht des Umweltschutzes für höhere ökologische Standards eine Lanze: "Das Greening ist kein Luxus, sondern notwendig." Es sei Konsens, dass die Förderung der biologischen Vielfalt in der Umwelt zur Sicherung der Existenzgrundlage beitrage.
Das Argument, dass dem Welthunger dadurch Vorschub geleistet würde, lehnte Ribbe ab, denn die Forderung nach der Schaffung von Biotopverbünden durch Bereitstellung von Flächen sei im Bereich der Umweltgesetzgebung nicht neu und könnte mit dem Greening auch "kompatibel" gemacht werden. (eis/22.10.2012)