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Die Energiewende ist ein Projekt von geradezu historischer Bedeutung: „Wir gehen den Weg in einen neues Energiezeitalter“, erklärte der Abgeordnete Karl Holmeier (CDU/CSU) am Freitag, 29. Januar 2016, im Deutschen Bundestag. Und er fügte hinzu: „Dieser Weg ist richtig.“ Oberste Priorität auf dem Weg zum Ziel hat dabei nicht nur für Holmeier die Versorgungssicherheit, wie die Debatte deutlich machte. Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Uwe Beckmeyer (SPD), betonte die Bedeutung der Versorgungssicherheit.
Es müsse bei hohen Anteilen erneuerbare Energie eine „sichere, kostengünstige und vor allem umweltverträgliche Versorgung mit Strom gewährleistet werden“, sagte Beckmeyer mit Blick auf den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Strommarktes (18/7317), mit dem der Standortvorteil der Versorgungssicherheit in Deutschland gesichert und sogar weiter ausgebaut werden soll. Der Umbau des Strommarktes sei eine der „größten Herausforderungen“ unserer Zeit“, so Beckmeyer.
Der Opposition ging das Lob der Koalition zu weit. Eva Bulling-Schröter (Die Linke) warf der Union und SPD vor, die Bürgerenergie aus dem Strommarkt herauszudrängen und stattdessen die Energiewende großen Investoren zu überlassen. Die von der Koalition geplante Kraftwerksreserve „brauchen wir nicht“.
Bei den vorgesehenen Zuschüssen an die Reservekraftwerke handele es sich um eine „Luxus-Alimentierung“ für Kohlekraftwerke. Es sei unerhört, dass die Stromkunden „für diesen Unsinn“ zahlen müssten. Trotz des wachsenden Anteils an erneuerbaren Energien qualme es „wie nie“ aus den Kohlekraftwerken, weil deren Strom ins Ausland verkauft werde.
Für Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) besteht das Ergebnis der Reform des Strommarktes in einem „Einstieg in die subventionierte Braunkohle. Das ist unglaublich vor dem Hintergrund des Klimagipfels in Paris und dem eigentlich überfälligen Kohleausstieg“, beklagte der Abgeordnete.
Die Koalition werfe den Kohlekonzernen 1,6 Milliarden Euro hinterher „für Kraftwerke, die niemand braucht und für eine Reserve, die nicht erforderlich ist“.
Von einem „enormen Umbruch in unserer Energielandschaft“ sprach Thomas Bareiß (CDU/CSU). Der Erfolg der erneuerbaren Energien, die inzwischen 33 Prozent der Stromversorgung übernehmen würden, sei nicht vorhersehbar gewesen. Aber auch bei einem Anteil von 60 bis 70 Prozent brauche man noch „flexible und saubere Kraftwerke“.
Wie Bareiß würdigte auch Johann Saathoff (SPD) die hohe Versorgungssicherheit. Pro Jahr gebe es im Durchschnitt nur zwölf Minuten ohne Strom.
Mit dem vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Gesetzentwurf wird das Ziel verfolgt, die Versorgungssicherheit auch in der Phase des Übergangs, in der die erneuerbaren Energien mehr Verantwortung in der Stromversorgung übernehmen, zu gewährleisten. Der Markt müsse dafür sorgen, dass jederzeit genau so viel Strom in das Stromnetz eingespeist wird wie aus diesem entnommen wird, schreibt die Regierung in dem Entwurf. Zur umweltverträglichen Stromversorgung gehöre außerdem, dass der Stromsektor dazu beitrage, die nationalen Klimaziele zu erreichen.
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, will die Bundesregierung eine Kapazitätsreserve einführen. Die Reserve soll zum Einsatz kommen, „wenn trotz freier Preisbildung an der Strombörse kein ausreichendes Angebot existiert, um einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen“, heißt es in dem Entwurf. Dazu sollen Erzeugungskapazitäten außerhalb des Strommarkts vorgehalten und bei Bedarf eingesetzt werden. Die Reserve soll technologieneutral sein und wettbewerblich ausgeschrieben werden.
Um gleichzeitig das nationale Klimaschutzziel für 2020 zu erreichen, sollen ab 2016 Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Netz genommen und vorläufig stillgelegt werden. Betroffen seien Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von 2,7 Gigawatt, was 13 Prozent der gesamten in Deutschland installierten Braunkohlekraftwerkskapazität entspreche.
Für jeweils vier Jahre könne auf diese Kraftwerke als letzte und befristete Absicherung der Stromversorgung zurückgegriffen werden, „wenn es wider Erwarten trotz freier Preisbildung am Strommarkt nicht zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt, zum Beispiel bei nicht vorhersehbaren extremen Wettersituationen“, schreibt die Bundesregierung. Nach Ablauf dieser Sicherheitsbereitschaft würden die Kraftwerke endgültig stillgelegt.
Für Sicherheitsbereitschaft und Stilllegung sollen die Kraftwerksbetreiber eine Vergütung erhalten. Die Gesamtkosten sollen sich über sieben Jahre auf 230 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Dies werde zu einem Anstieg der Netzentgelte um rund 0,05 Cent pro Kilowattstunde führen.
Abgelehnt wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD ein Antrag der Linksfraktion (18/3313, 18/7277). Die Abgeordneten hatten verlangt, Kohlendioxid als Umweltschadstoff zu definieren und die Betriebszeiten von Kohlekraftwerken zu begrenzen. Ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7369) zur Zukunft des Strommarktes, in dem der Kohleausstieg und die Schaffung eines "ökologischen Flexibilitätsmarkts" verlangt werden, wurde an die Ausschüsse überwiesen. (hle/29.01.2016)