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Hartmut Koschyk (Fünfter von links) mit Abgeordneten, Choe Thae-bok (Mitte), Ri Jong-hyok (rechts) und Botschafter Thomas Schäfer (Zweiter von rechts) © Frank Zauritz
Nordkorea gilt als eines der am stärksten abgeschotteten Länder der Welt. Die Bundesrepublik Deutschland unterhält zwar seit 2001 diplomatische Beziehungen, doch offizielle Besuche von deutschen Regierungsmitgliedern hat es dort noch nie gegeben. Abgeordnete des Bundestages hingegen waren in den vergangenen Jahren immer wieder in der Demokratischen Volksrepublik zu Gast. Einer von ihnen ist Hartmut Koschyk, Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe. Seit 1998 leitet der CSU-Politiker aus Bayreuth die interfraktionell besetzte Gruppe, die sich zwölf Jahre nach dem Korea-Krieg, seit dessen Ende die koreanische Halbinsel geteilt ist, 1965 konstituiert hat. Aktuell gehören der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe zehn Abgeordnete an. Stellvertretende Vorsitzende sind Heike Baehrens (SPD), Thomas Lutze (Die Linke) und Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen).
Das Ziel ihrer Arbeit: Dialog zu fördern zwischen Parlamentariern und Kontakte zu knüpfen zu Regierungsvertretern und Repräsentanten der Zivilgesellschaft. „In erster Linie geht es dabei um den Informations- und Meinungsaustausch“, erläutert Koschyk, der auch Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ist. „Zur Nationalversammlung in Seoul pflegen wir einen sehr engen und intensiven Kontakt.“
Mehr als 35 Jahre lang bestanden schließlich nur Kontakte zwischen dem südkoreanischen Parlament und dem Bundestag. Seit 2001 jedoch – seit die Bundesregierung auf Wunsch Südkoreas offizielle Beziehungen zu Nordkorea aufgenommen hat – unterhält die Parlamentariergruppe auch Kontakte zu Mitgliedern der Obersten Volksversammlung in Nordkorea.
„Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Berlin und Pjöngjang sollte die sogenannte ‚Sonnenscheinpolitik‘ des damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung unterstützen und eine innerkoreanische Annäherung fördern“, erklärt Koschyk. Diesen Prozess zu unterstützen, ist auch ein Ziel, das sich der Vorsitzende der Parlamentariergruppe für den Austausch gesetzt hat.
Dass es dafür viel Beharrlichkeit braucht, weiß der Parlamentarier, den Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2014 zum Ko-Vorsitzenden des „Deutsch-Koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung“ ernannt hat, nur zu gut.
Zwar trug die 1998 eingeschlagene Entspannungspolitik, für die Dae-jung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, tatsächlich erste Früchte: So einigten sich Dae-jung und Nordkoreas Machthaber Kim Jong II bei ihrem historischen Zusammentreffen im Juni 2000 auf zeitlich begrenzte Familienzusammenführungen und eine Intensivierung des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs. 2004 wurde die Sonderwirtschaftszone Kaesong auf nordkoreanischem Boden eröffnet, 2007 mehrerer Straßen- und Zugverbindungen zwischen beiden Staaten freigegeben.
Doch die Sonnenscheinpolitik wurde immer wieder auch überschattet – unter anderem durch nordkoreanische Atomwaffentests. Seit 2008 rückte die südkoreanische Regierung von ihrem Entspannungskurs ab. Die amtierende Präsidentin Park Geun-hye versprach bei ihrem Amtsantritt 2013 zumindest eine „Politik des Vertrauens“ – einen Mittelweg zwischen „Sonnenscheinpolitik“ und dem Konfrontationskurs ihres Vorgängers Lee Myung-bak. Weitere Fortschritte in der Annäherung zwischen Nord- und Südkorea blieben bislang allerdings aus.
„Immerhin ist es den beiden koreanischen Staaten im vergangenen August, in einer Phase der Eskalation, gelungen, zu einer bemerkenswerten Vereinbarung zu kommen“, erinnert Koschyk. „Nordkorea entschuldigte sich für eine Explosion von Landminen, bei der zwei südkoreanische Soldaten verletzt worden waren. Und Südkorea zeigte sich bereit, auf die Beschallung durch Lautsprecher an der innerkoreanischen Grenze zu verzichten. Außerdem einigten sich beide Seiten auf die Wiederaufnahme des Dialogs und erneute Treffen getrennter Familien.“
Vorsichtig optimistisch zeigte sich Koschyk auch nach den Erlebnissen seiner letzten Reise nach Korea: Vom 18. bis 30 Oktober 2015 war eine Delegation, zu der neben dem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern auch Katharina Landgraf, Dr. Philipp Lengsfeld (beide CDU/CSU) und Burkhard Blienert (SPD) gehörten, sowohl in Nord- wie auch in Südkorea, um dort Gespräche mit Parlamentariern, Regierungsvertretern und Mitgliedern verschiedener Nichtregierungsorganisationen zu führen.
In Pjöngjang traf die Delegation unter anderem den stellvertretenden Außenminister Kung Sok-ung und den Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas, Yong Chol-rhi. Zudem sprachen die Abgeordneten mit dem Vorsitzenden der Koreanisch-Deutschen Freundschaftsgruppe im Parlament, Professor Ri Jong-hyok, sowie dem Vorsitzenden der Obersten Volksversammlung, Choe Thae-bok.
Für Koschyk ein Beleg für die Bedeutung, die dem Besuch der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe in dem weitgehend isolierten Land beigemessen wird: „Dass wir mit so hochrangigen Gesprächspartnern zusammengetroffen sind, zeugt von dem hohen Stellenwert, den unsere Anwesenheit in Nordkorea hat.“
Interesse an einer stärkeren Kooperation mit Deutschland hätten alle nordkoreanischen Politiker geäußert, berichtet Koschyk: „Sie wünschen sich mehr Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.“ Wie stark sich Deutschland bereits über die Arbeit politischer Stiftungen oder humanitärer Mittlerorganisationen wie etwa der Welthungerhilfe engagiere, habe eine Dialogveranstaltung in Pjöngjang gezeigt, zu der zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisationen und Vertreter von Partnerorganisationen in Nordkorea eingeladen waren. „Ziel war es zu verdeutlichen, was die Organisationen bereits in Nordkorea erreicht haben – und welche Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit bestehen.“
Dass eine solche Veranstaltung überhaupt zustande gekommen sei, unterstreiche die Bedeutung, die Nordkorea den Beziehungen zu Deutschland beimesse, so Koschyk. Aber auch die politischen Gespräche hätten ihn hinsichtlich einer innerkoreanischen Annäherung zuversichtlich gestimmt, berichtet er: „Da sind Sätze wie dieser gefallen: Die Wiedervereinigung wäre morgen möglich, wenn sich niemand einmischt.“
Doch mit einem Atombombentest im Januar und mehreren Raketentests, zuletzt im März 2016, hat der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un solche Hoffnungen zerschlagen. Ein herber Rückschlag, findet der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe: „Damit sind alle positiven Entwicklungen des letzten Jahres zunichte gemacht.“
Für Koschyk wie auch viele andere Beobachter eine unerwartete Wendung: „Dass Nordkorea einer Wiederaufnahme von Verhandlungen über sein Atomprogramm eine Absage erteilt habe, ist zwar nicht neu. Aber wie radikal und wie vehement diese Ablehnung in Gesprächen mit der deutschen Delegation zum Ausdruck gebracht wurde, hat mich schon überrascht.“ Die internationale Reaktion auf die Atomwaffentests war in jedem Fall einhellig: Anfang März 2016 beschloss der UN-Sicherheitsrat aufgrund der erneuten Verstöße gegen UN-Resolutionen eine Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea.
Trotz solcher Enttäuschungen ist Aufgeben keine Option: „Wir sollten nicht aufhören, alle Seiten dazu zu ermutigen, dialogbereit zu bleiben, vertrauensbildende Maßnahmen auf den Weg zu bringen und den Weg einer innerkoreanischen Annäherung fortzusetzen“, sagt Koschyk. Deutschland könne hierbei wegen seiner Geschichte für beide Seiten ein „ehrlicher Ratgeber“ sein: „40 Jahre verband uns mit Korea das Schicksal der Teilung.“
Auch wenn Deutschland inzwischen wiedervereinigt sei, bleibe diese Verbundenheit, so der Abgeordnete. Daran habe auch Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Besuch in Südkorea im Oktober 2015 erinnert: „Er betonte, Deutschlands Geschichte der Überwindung der Teilung könne zwar nie einfach Blaupause sein. Aber unsere Erlebnisse und Lehren können zumindest jene interessieren, für die eine geteilte Nation mehr ist als ferne Geschichte.“ (sas/04.04.2016)