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Anlässlich des Gedenkens an die Reaktorkatastrophen im japanischen Fukushima vor fünf Jahren (11. März 2011) und im ukrainischen Tschernobyl vor 30 Jahren (26. April 1986) debattiert der Deutsche Bundestag am Freitag, 29. April 2016, erneut über die Atompolitik und den Ausstieg aus der Kernenergie. Erstmalig beraten werden Anträge der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (18/8239) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8242). Drei Anträge der Grünen (18/5211, 18/7656, 18/7668) und ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/7875) werden abschließend beraten und abgestimmt. Dazu liegen Beschlussempfehlungen des Wirtschaftsausschusses (18/8262) und des Umweltausschusses (18/8266) vor. Beginn der auf 60 Minuten angesetzten Debatte ist um 9 Uhr.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Der Antrag der CDU/CSU greift diverse aktuelle atompolitische Themen auf. Die Bundesregierung wird unter anderem dazu aufgefordert, sich in bilateralen Kommissionen mit „sicherheitstechnischen Fragestellungen grenznaher Anlagen auseinanderzusetzen“. Bei Laufzeitverlängerungen von grenznahen Atomkraftwerken im Ausland soll eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung Pflicht werden.
Im Hinblick auf die andauernden Debatten über die Sicherheit der belgischen Atomreaktoren Tihange und Doel fordern die Fraktionen zudem, zügig ein Abkommen zur nuklearen Sicherheit mit dem Königreich auszuhandeln. Damit andere Länder Alternativen zur Nuklearenergie entwickeln können, solle die Bundesregierung zudem mit diesen Kooperationen eingehen, um dort unter anderem die erneuerbaren Energien zu fördern.
Für die Koalitionsfraktionen ist zudem wichtig, die Nuklearforschung fortzusetzen und auf „wichtige Zukunftsthemen“ zu konzentrieren. Dazu gehören laut Antrag etwa die „institutionell und projektgeförderte nukleare Sicherheits- und Entsorgungsforschung“. Damit sollen unter anderem Kompetenzen in Deutschland erhalten werden. Auch die Kernfusionsforschung soll auf dem „festgelegten, begrenzten Niveau“ fortgeführt werden.
Vor dem Hintergrund einer für 2017 vorgesehenen Fertigstellung eines Umhüllungsbauwerkes zur Sicherung des havarierten Reaktors in Tschernobyl fordern die Koalitionäre, die Ukraine weiterhin dabei zu unterstützen, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Zudem soll die Erinnerung an Tschernobyl und Fukushima als eine „wichtige politische Aufgabe verstanden werden“.
In dem Antrag wird auch das Engagement der insbesondere ehrenamtlichen Initiativen in den vergangenen Jahrzehnten, die sich nach 1986 in Deutschland gegründet hatten, gewürdigt. „Ihre Arbeit ist beispielhaft für ein bürgerschaftliches humanitäres Engagement, ohne das die Opfer der Katastrophe weitgehend alleingelassen wären“, heißt es in dem Antrag.
Die Grünen zielen in ihrem Antrag auf eine grundsätzliche Reform des Euratom-Vertrages. Die „festgeschriebene Sonderstellung der Kernenergie“ soll abgeschafft werden. Stattdessen soll ein europaweiter Atomausstieg vorangetrieben werden. Dazu gehört nach Ansicht der Grünen auch, die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien vorzubereiten. Im Hinblick auf den Euratom-Vertrag soll sich die Bundesregierung unter anderem dafür einsetzen, die Forschungs- und Förderprivilegien zu reduzieren. Geforscht werden soll nur noch zu Sicherheits-, Entsorgungs- und Gesundheitsfragen.
Von der Annahme ausgehend, dass Atomenergie europaweit noch einige Zeit im Energiemix verbleiben wird, fordern die Grünen, dass „höchstmögliche, verbindliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke“ gelten müssten. Euratom soll zudem so abgeändert werden, dass Nachbarstaaten Einfluss auf die Sicherheitsanforderungen grenznaher Atomkraftwerke erhalten. Scheitere die Neuausrichtung des Vertragswerkes, solle Deutschland den Vertrag aufkündigen, heißt es in dem Grünen-Antrag. (scr/27.04.2016)