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Tourismus/Ausschuss- 16.12.2015
Berlin: (hib/wid) Wird Stralsund das neue Antalya, Ostholstein die neue Costa del Sol? Oder bleiben bei steigendem Meeresspiegel an Deutschlands Nord- und Ostsee womöglich keine Strände mehr übrig, um Urlauber zu locken? Auf solche Fragen konnte kommen, wer am Mittwoch im Tourismusausschuss den Ausführungen Professor Gerhard Adrian zuhörte. Der habilitierte Meteorologe ist seit fünf Jahren Präsident des Deutschen Wetterdienstes und berichtete in der 43. Sitzung des Ausschusses, der letzten dieses Jahres, über "Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Deutschland".
Dabei lautete einer seiner Hinweise, die Fremdenverkehrswirtschaft könne damit rechnen, dass im Sommer die Touristenströme statt in den Mittelmeerraum, wo es dann zu heiß sei, eher in Regionen nördlich der Alpen und an die Meere Nordeuropas fließen werden. Aus dem Ausschuss war dazu die Bemerkung zu hören, bereits vor zwei Jahren sei die Rede davon gewesen, dass Reisekonzerne, weil sie mit einer solchen Entwicklung rechnen, sich bereits attraktive Strandgrundstücke in den baltischen Ländern sichern. Der Klimawandel, sagte Adrian, berge für den Fremdenverkehr sowohl Risiken als auch Chancen. Es werde zu Entwicklungen kommen, die "teilweise positiv, teilweise von manchen auch negativ empfunden werden".
Durch den Anstieg des Meeresspiegels sei an den Küsten mit beschleunigten Landverlusten, der "Erosion von Stränden", heftigeren und häufigeren Regenfällen sowie Überschwemmungen zu rechnen. Zu erwarten sei, dass in den den nächsten Jahrzehnten der durchschnittliche Wasserstand sich um etwa 20 Zentimeter erhöhe. Das sei auf den ersten Blick nicht viel, meinte Adrian, das eigentliche Problem sei aber die zunehmende Frequenz extremer Wetterereignisse wie Sturmfluten. In Küstengebieten sei auch damit zu rechnen, dass der Salzanteil am Grundwasser zunehme, zumal im Sommer, wenn der Grundwasserspiegel niedriger und der Druck des Meerwassers entsprechend stärker sei. In den Niederlanden sei dieses Phänomen bereits jetzt zu beobachten.
In den Mittelgebirgen des Binnenlandes seien trockenere Sommer, oftmals regelrechte Dürren, zu erwarten, sagte Adrian. Im Jahresdurchschnitt werde sich die Niederschlagsmenge voraussichtlich nicht wesentlich verändern, wohl aber anders verteilen. Es werde mehr Regen im Winter,dafür weniger im Sommer fallen. Auf sinkende Touristenzahlen in den Sommermonaten müssten sich womöglich die Städte einstellen, wo es dann wie heute bereits im Mittelmeerraum für Urlauber zu heiß werde. Generell sei mit einer Veränderung der biologischen Vielfalt, des Spektrums der hier lebenden Tier- und Pflanzenarten, zu rechnen. Auch dies könne für Urlauber unangenehme Folgen haben, wenn etwa an den Küsten der Algenwuchs oder die Quallenpopulation explodiere, oder in den Mittelgebirgen verstärkt Zecken und aggressive Stechmücken auftreten. In manchen Gegenden, etwa am Oberrhein, sei deswegen sogar die Rückkehr der Malaria nach Deutschland zu befürchten.
Schlecht sind in Zeiten des Klimawandels die Aussichten vor allem für den Wintersport im Hochgebirge. Nach Adrians Worten sind von 650 Skigebieten in den Alpen 500 in ihrem Bestand bedroht. Vor allem in Höhenlagen bis zu 1500 Metern so künftig nicht mehr mit zuverlässigem Schneefall zu rechnen, auch im Bereich bis zu 2000 Metern könnte es kritisch werden. Vielerorts werde nicht einmal mehr der Einsatz von Schneekanonen Abhilfe schaffen. Aus dem Ausschuss wurde die Frage laut, ob es angesichts dessen noch sinnvoll sei, Steuermittel in die Förderung von Wintersportgebieten zu investieren.