Menu | Plenum | Parlaments-TV |
Mit einem öffentlichen Expertengespräch zum Thema „Ursachen der Kinderarmut: Vermögensverteilung“ begann die Kinderkommission des Bundestages unter Vorsitz von Norbert Müller (Die Linke) ihre Sitzung am Mittwoch, 16. März 2016. Als Sachverständige warfen einen Blick auf das Thema: Ralf Krämer, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesvorstand (Verdi) Berlin, Dr. Dieter Krause, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und Prof. Dr. Ronald Lutz, Fachhochschule Erfurt.
Dass der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage der Eltern und Kinderarmut ein weltweites Phänomen sei, und dass dies – egal unter welcher Regierung – auch in der Bundesrepublik Deutschland ein wachsendes Problem darstelle, darauf wies Ralf Krämer (Verdi) hin.
Krämer lieferte für die Debatte einiges Zahlenmaterial über die ungleiche Vermögensverteilung hierzulande: Während etwa 400.000 Haushalte jeweils über ein Millionenvermögen oder mehr verfügten, könne die Hälfte der Bevölkerung auf fast gar keine Rücklagen zurückgreifen, ja sei zum Teil überschuldet.
Zu diesem Bild gehöre, dass nun schon über zwei Jahrzehnte ein Rückgang der Zahl der Beschäftigten mit mittlerem Einkommen zu verzeichnen sei. Für bedürftige Familien mit Kindern wirke sich außerdem belastend aus, dass die Sozialausgaben in Deutschland stark zurückgefahren worden seien und Deutschland private Vermögen steuerlich nicht heranziehe, etwa zur Finanzierung sozialer Infrastrukturen. Vielleicht könne sich die Politik ja auch einmal zur Besteuerung von Betriebsvermögen durchringen.
Dr. Dieter Krause vom DIW unterstrich den Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Eltern und dem Wohlergehen ihrer Kinder. Die Ungleichheit der privaten Haushaltsnettoeinkommen und vor allem der sogenannten Markteinkommen, habe seit 1990 zugenommen. Diese Entwicklung habe auch die Ungleichheit bei den Vermögen vorangetrieben. Parallel zu diesem Prozess habe die allgemeine Armut zugenommen und sei auch die Kinderarmut gestiegen.
Während der Finanzkrise ab 2008 hätten Instrumente wie die Kurzarbeitsregelung in Deutschland zahlreiche Arbeitsplätze gesichert und damit ganz konkret auch viele Kinder vor Armut geschützt. Um Kindern aus Familien in materieller Not zu helfen, müsse der Staat nun weiter in den Ausbau von Kindertagesstätten investieren, um dort beispielsweise den Betreuungsschlüssel zwischen Erziehern und Kindern zu verbessern, sagte Krause.
„Kinder werden direkt in Armut hineingeboren“, brachte Prof. Dr. Ronald Lutz von der Fachhochschule Erfurt die Wechselwirkung von Vermögensungleichheit und Kinderarmut auf den Punkt. „Sie werden dadurch in ihrer sozialen Teilhabe und in ihren Bildungschancen massiv beeinflusst.“
Die materielle Not von Familien gehe einher mit einer Reihe weiterer Stressfaktoren wie einer unzureichenden Wohnsituation oder Zukunftsängsten und wirke sich direkt auf die Erziehung aus. Wenn Eltern derart unter Druck gerieten, reflektierten dies die Kinder sehr genau. Kinder, die in einem solchen Kontext lebten, hätten sehr viel schlechtere Chancen als ihre Altersgenossen aus gut situierten Elternhäusern.
Auch eine bessere Ausstattung von Kindertagesstätten wirke dem nur bedingt entgegen. Nach ihrem Kita-Besuch verbrächten die Kinder doch die meiste Zeit des Tages in ihrer Familie. „Die materielle Situation der Eltern ist der entscheidende Faktor.“
Wie aber lässt sich das Zuhause als der „wesentliche Sozialisationsraum“ verbessern, wollte Susann Rüthrich (SPD) wissen. Lutz schlug vor, den Ausbau der Kitas um eine „Familienbetreuung“ zu ergänzen. Die Familien bräuchten schlicht professionelle personelle Unterstützung. „Die Erschöpfung vieler Eltern entsteht durch Alleingelassensein.“
Die Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) ist ein Unterausschuss des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seine Mitglieder wachen über die Berücksichtigung der Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft. (ll/17.03.2016)