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Im 4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex) haben die geladenen Sachverständigen am Donnerstag, 14. April 2016, detaillierte Einblicke in die Funktionsweise von Aktientransaktionen vermittels Leerverkäufen um den Dividendenstichtag herum (Cum/Ex-Geschäfte) gegeben. Nachdem sie in der fünften, öffentlichen Sitzung des Ausschusses zunächst Eingangsstatements abgegeben hatten, ging es in der anschließenden mehr als dreistündigen Fragerunde in erster Linie darum, wieso die Beteiligten an den Cum/Ex-Geschäften über einen so langen Zeitraum hinweg unbehelligt agieren konnten und welche Absprachen es unter anderem zur Gewinnverteilung gegeben hat. Weiter wollten die Ausschussmitglieder wissen, wie die Ermittlungen der Steuerfahnder ablaufen und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.
Der Ausschussvorsitzende, Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD), sagte nach den Stellungnahmen zusammenfassend, es sei nun klar, was die Akteure mit den Geschäften erreichen wollten. Auf Nachfrage Krügers erläuterte Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim noch einmal das „Geschäftsmodell“. Danach mache einzig der Leerverkäufer einen Gewinn, der exakt der zweifach erstatteten Kapitalertragsteuer entspreche. Dieser werde anschließend auf alle Beteiligten verteilt.
Die Entdeckungschancen seien gering, weil die Geschäfte wegen der fehlenden Aktienkurswirksamkeit nicht feststellbar seien. Spengel bekräftigte seine Ansicht, dass es eine Sollbruchstelle im System der Erhebung und Bescheinigung der Steuer gegeben habe. Diese Sollbruchstelle habe man durch Leerverkäufe um den Dividendenstichtag ausgenutzt.
Helmut Lotzgeselle, Vorsitzender Richter am Hessischen Finanzgericht, ergänzte, dass die Gewinnspanne in diesen Geschäften die nicht abgeführte Kapitalertragsteuer war. In dem vom Hessischen Finanzgericht jüngst entschiedenen Cum/Ex-Fall habe man über gesteuerte Leerverkäufe und durch Absprachen, durch bewusste Spätlieferung und durch geschickte Vertragsgestaltung unter Ausnutzung der Abrechnungssysteme der Depotbanken erreicht, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde.
Zu den Akten gehörten Protokolle von Wertpapierhändlern, aus denen sich ergebe, dass solche Absprachen stattgefunden haben. Der Gewinn wurde Lotzgeselle zufolge unter Einschaltung eines ausländischen Maklers untereinander aufgeteilt. Das Problem habe darin bestanden, das alles zu erkennen. In dem vorliegenden Fall sei dies anhand der Protokolle möglich gewesen.
Ministerialdirigent Prof. Dr. Michael Schmitt, Leiter der Abteilung Steuern beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württembergs und Lehrbeauftragter der Universität Mannheim, bestätigte auf Nachfrage Krügers, dass die Geschäfte vor den Finanzbehörden verschleiert und geheim gehalten worden seien. Ein Finanzbeamter könne Leerverkäufe nicht erkennen und auch nicht, ob die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten wurde. „Dieses Modell ist uns nicht im Vornherein vorgelegt worden“, sagte Schmitt.
Vor 2007 seien Cum/Ex-Geschäfte keine klassischen Felder für Bankenbetriebsprüfer gewesen. Erst jetzt, nachdem einige Banken erklärt hätten, da sei etwas gewesen und das lasse man jetzt gerichtlich prüfen, komme die Betriebsprüfung ins Spiel. Schmitt sagte, er gehe davon aus, dass es strafrechtliche relevante Absprachen gegeben habe, denn sonst hätten die Geschäfte gar nicht stattfinden können. Aber das nachzuweisen sei noch einmal eine ganz andere Sache. Steuerrechtlich sei das einfacher.
Steueroberamtsrat Günther Hallmann vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal sagte zum Thema Absprachen, man habe in einem Verfahren eine Excel-Datei eines Bankmitarbeiters gefunden. Darin sei das gesamte Dividendenjahr deutscher Dax-Aktien dargestellt und geplant gewesen. Mögliche Käufe bei Ausschüttungen und das erforderliche Kreditvolumen sowie die erforderlichen Absicherungen seien komplett durchgeplant gewesen.
Nach Angaben eines Insiders säßen an beiden Seiten Leute und sprächen sich ab. Hallmann zufolge waren die Verschleierungen bis 2007 relativ einfach gestrickt. Von 2008 bis 2011 seien Transaktionen so gestaltet gewesen, dass Ermittlungen erheblich erschwert worden seien. Die Handelsketten seien immer länger geworden, und es seien ausländische Stellen wie in Luxemburg oder London eingeschaltet worden. Dort gebe es keine Möglichkeiten, an Informationen zu kommen.
Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Cum/Ex-Geschäfte vertraten Spengel und Prof. Dr. Marc Desens von der Universität Leipzig in der Fragerunde unterschiedliche Auffassungen. Während Desens noch einmal seine Sicht erläuterte, wonach es auf einem virtuellen Markt durchaus mehrere Eigentümer einer Aktie geben könne und diese Rechtsauffassung auch dem Schreiben des Bankenverbandes an Bundesfinanzministerium zugrunde liege, mit dem dieser 2002 auf das Problem aufmerksam gemacht habe, sagte Spengel, diese Rechtsauffassung entspreche weder dem Gesetzeswortlaut, noch sei sie aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes abzuleiten. Der Bundesfinanzhof habe 1999 nicht entscheiden, dass es zwei Eigentümer geben kann. Desens sprach auch von einem Fehler im System, mit dem man leben müsse, denn es gehe bei vielen Beteiligten um viel. Die Frage sei, ob das legal möglich sei oder nicht.
Zum Stichwort Steuerhinterziehung sagte Spengel, wer die Erstattung der Kapitalertragsteuer beantrage, aber tatsächlich nicht zur Anrechnung oder Erstattung berechtigt sei, mache falsche Angaben, und damit sei zumindest der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Schmitt sagte, an Desens gewandt, das einschlägige Gesetz habe nie erlaubt, dass unrichtige Kapitalertragsteuerbescheinigungen in Bezug auf das Erheben der Kapitalertragsteuern ausgestellt werden können.
Auf eine Frage Krügers nach einem möglichen Vollzugsdefizit sagte Schmitt, die Steuerverwaltung schlafe nie, „aber es kann natürlich sein, dass auch wir betrogen werden“. Hätte man 2006 oder 2007 schon gewusst, was abläuft, hätte man das Problem früher entdecken können. Wenn man von solchen Geschäften erfahre, werde man aktiv. „Aber man kommt nicht von einem Tag auf den anderen zu Ergebnissen.“
Die Branche habe reagiert, und nachdem 2007 die Modelle im Inland kaputt gemacht worden seien, sei man ins Ausland abgewandert. Die Steuerverwaltung habe dies nicht bemerkt. Schmitt: „Wir sind einfach nicht davon ausgegangenen, dass man sich zweimal nimmt, was man einmal gegeben hat. Ich find's unglaublich, was da geschehen ist. Das haben wir vor fünf sechs Jahren nicht gewusst, nicht geahnt. Und insoweit waren wir vielleicht zu gutgläubig. Das mag sein. Das werden die weiteren Ermittlungen ja erweisen.“
Hallmann erläuterte, dass die Ermittlungen der Wuppertaler Steuerfahndung im Wesentlichen auf der Auswertung der im Herbst 2015 angekauften Daten beruhten. Es seien Erstattungsanträge beim Bundeszentralamt für Steuern eingereicht worden, in denen ausdrücklich vom Antragsteller bestätigt worden sei, dass die Steuer einbehalten und auch abgeführt worden sei. Die Steuerfahndung gehe davon aus, dass es sich in allen Fällen um ungedeckte Leerverkäufe handelt, und werde Ermittlungsverfahren und auch Strafverfahren zunächst gegen Unbekannt einleiten.
Wie Hallmann weiter ausführte, seien zunächst Betriebsprüfungsstellen aktiv geworden. Diesen seien wegen des Bankgeheimnisses enge Grenzen gesetzt. Erst mit der Steuerfahndung seien erweiterte Maßnahmen möglich gewesen. Hallmann merkte an, dass die Banken immer einen Vertrauensvorschuss hatten. Man habe angenommen, dass die Banken ja nichts Falsches bestätigen würden, was sich aber im Nachhinein als nicht richtig erwiesen habe.
Zuvor hatte Hallmann erläutert, dass er ausschließlich mit der Ermittlung und Aufarbeitung von Cum/Ex-Fällen betraut sei. Die Steuerfahndung Wuppertal sei seit anderthalb Jahren in diesem Bereich tätig, sagte er, und verwies auf zwei erledigte Fälle. Zu dem Datenankauf vom Herbst 2015 sagte er, dabei handele es sich um Daten über ungedeckte Leerverkäufe – die Voraussetzung für belastete Cum/Ex-Geschäfte. Nach der Aufarbeitung der Daten aus den Jahren 2006 bis 2011 seien 27 inländische Gesellschaften betreffende Fälle an die zuständigen Fahndungsstellen abgegeben worden. Bezüglich der ausländischen Gesellschaften habe sich Wuppertal mit einem Auskunftsersuchen zum Datenabgleich an das Bundeszentralamt für Steuern gewandt. „In meinem Büro liegen zehn Fälle, die der Bearbeitung harren“, sagte Hallmann.
Wegen des Anfangsverdachts einer Steuerhinterziehung würden Verfahren eingeleitet. Hallmann erwartet eine erhebliche Zunahme von Ermittlungsverfahren. Als Probleme dabei sieht er neben der Komplexität der Materie den großen Zeitaufwand und die drohende Verjährung. Zurzeit verjährten Fälle von Anfang 2006, weil die Erstattungsanträge laufend abgegeben worden seien. So seien Anträge aus Januar und Februar 2006, die problemlos durchgelaufen seien, inzwischen auch verjährt. Allein die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens und die Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen könne die Verjährung unterbrechen.
Bei diesen Aktiendeals wurde zwischen 1999 und 2011 um den Zeitraum der Dividendenauszahlung herum eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet, mit einem geschätzten Milliardenschaden für den Fiskus. Die Praktiker unter den Sachverständigen waren sich darin einig, dass diese Geschäfte rechtlich nicht gedeckt und damit strafbar seien.
Unterschiedliche Ansätze vertraten die Wissenschaftler. Während Spengel, erklärte, es habe keine Gesetzeslücke gegeben, meinte Desens, die Kapitalertragsteuer habe durchaus mehrfach angerechnet werden können.
Hallmann schreibt in seiner Stellungnahme, dass die Abgrenzung zwischen Initiatoren und Beteiligten an solchen Geschäften fließend gewesen sei. Sicher fielen darunter auch Gutachter, die Veröffentlichungen vorgenommen hätten, um die Legalität solcher Transaktionen zu untermauern, was zu einer Förderung dieses Geschäftsmodells geführt habe.
Bis etwa 2007 seien die Handelsketten relativ einfach und überschaubar gehalten gewesen. Ab 2008 bis 2011 seien die Transaktionen so gestaltet worden, dass die Ermittlung eines Cum/Ex-Geschäftes mit ungedecktem Leerverkauf erheblich erschwert worden sei. Die Anzahl der Cum/Ex-Geschäfte sei nicht einzuschätzen, so Hallmann weiter. Der in der Presse genannte Schadensumfang von zwölf Milliarden Euro könne geringer oder höher ausfallen.
Lotzgeselle erläuterte das Urteil des Hessischen Finanzgerichtshofs vom 10. Februar 2016 (Aktenzeichen: 4 K 1684/14) zu Cum/Ex-Geschäften einer deutschen Bank. Deren Klage sei abgewiesen worden, da eine Anrechnung der geltend gemachten Kapitalertragssteuer nicht in Betracht komme. Die Erhebung der Kapitalertragsteuer sei der Klägerin nicht zuzurechnen, weil sie im Zeitpunkt des Dividendenstichtags nicht Anteilseigner (wirtschaftlicher Eigentümer) gewesen sei. Entgegen ihrer Ansicht sei die Klägerin nicht bereits durch Abschluss der Aktienkaufverträge wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden.
Die Rechtsprechung, wonach das wirtschaftliche Eigentum bei Börsengeschäften mit girosammelverwahrten Aktien bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages auf den Erwerber übergeht, sei entgegen der Ansicht der Klägerin auf außerbörsliche (OTC-)Geschäfte nicht übertragbar. Die gegenteilige Ansicht in der Literatur, die einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums mit Abschluss der schuldrechtlichen Vereinbarung auch beim Erwerb vom Leerverkäufer im außerbörslichen Handel bejaht – hier verwies Lotzgeselle unter anderem auf Desens – würde im Ergebnis zu parallelem mehrfachen wirtschaftlichen Eigentum an der gleichen Aktie führen. Verweise auf diesbezügliche Bundesfinanzhof-Urteile von 1999 (15.12.1999 I R 29/17, BStBl. II 2000, S. 527 ff) und 2014 (16.4.2014, I R 2/12 BFH/NV 2014, 1813) seien daher nicht begründet.
Schmitt erklärte im Einzelnen die Abläufe bei einem Cum/Ex-Geschäft einschließlich der Wandlung der Dividende zur Dividendenkompensationszahlung und ging auf die unterschiedlichen Rechtslagen bis 2006 und von 2007 bis 2011 ein. Bis 2006 scheide nach Auffassung der Finanzverwaltung mangels einer auf die Dividendenkompensationszahlung erhobenen Kapitalertragsteuer eine Anrechnung beim Leerkäufer aus. Das Hessische Finanzgericht habe diese Auffassung mit Urteil vom 10. Februar 2016 bestätigt. Ab 2007 sei für Dividendenkompensationszahlungen eine Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung eingeführt worden.
Danach sei die inländische Depotbank des Leerverkäufers zum Kapitalertragsteuereinbehalt verpflichtet. Ausländischen Banken habe diese Verpflichtung vom deutschen Gesetzgeber nicht auferlegt werden können. In Auslandsfällen wurde laut Schmitt auf die Dividendenkompensationszahlung mangels gesetzlicher Verpflichtung keine Kapitalertragsteuer erhoben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung scheide damit bereits aus diesem Grund eine Steueranrechnung beim Leerkäufer aus. Das Hessische Finanzgericht habe diese Auffassung ebenfalls mit Urteil vom 10. Februar 2016 bestätigt.
Spengel führte aus, dass sich der finanzielle Erfolg von Cum/Ex-Geschäften daraus ergebe, dass einmal einbehaltene Kapitalertragsteuer mindestens zweimal bescheinigt und sodann mindestens zweimal angerechnet beziehungsweise erstattet werden sollte, in vielen Fällen sei dies auch geschehen. Den „Gewinn“ aus diesen Geschäften habe damit ausschließlich der Staat finanziert.
Knackpunkt war nach Meinung Spengels wohl, dass bis 2011 einschließlich die Abführung und die Bescheinigung der Kapitalertragsteuer institutionell auseinander gefallen sind. Während die ausschüttende Aktiengesellschaft die Kapitalertragsteuer abgeführt habe, sei die Steuerbescheinigung vom depotführenden Kreditinstitut bescheinigt worden. Dies sei von Marktteilnehmern durch Cum/Ex-Geschäfte mit Leerverkäufen genutzt worden, um mehrere Kapitalertragsteuerbescheinigungen zu erwirken.
Allerdings sei die steuerrechtliche Würdigung eindeutig, so Spengel. Eine mehrfache Steueranrechnung sei rechtlich zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Außerdem stelle sich die Frage, ob die mehrfach ausgestellten Steuerbescheinigungen richtig sind. Auch dies sei zu verneinen. Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums bei Cum/Ex-Geschäften mit Leerverkäufen sei mittlerweile durch erstinstanzliche Finanzgerichte in diesem Sinne bestätigt worden.
Spengel verwies ebenfalls auf das Bundesfinanzhof-Urteil von 1999, bei dem es um ein Cum/Ex-Geschäft in der Variante Inhaberverkauf gegangen sei. Offensichtlich hätten daraufhin Marktteilnehmer die Variante mit Leerverkauf durchgeführt und behauptet, dass sich aus dieser Bundesfinanzhof-Entscheidung ergeben würde, dass auch bei einem Leerverkauf das wirtschaftliche Eigentum bereits mit dem schuldrechtlichen Geschäft übergehen würde. Dies wiederum habe zur Folge, dass es zwei wirtschaftliche Eigentümer gebe, nämlich den zivilrechtlichen Eigentümer und den Leerkäufer.
„Diese Behauptung hat aber keinerlei Grundlage im Gesetz und auch nicht in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, das Gegenteil ist der Fall.“ Diese falsche Behauptung habe sich der Bundesverband deutscher Banken in seinem Schreiben an das Bundesfinanzministerium aus dem Jahr 2002 zu eigen gemacht und seinerseits behauptet, dass es aus diesem Grund rechtmäßig zu einer mehrfachen Anrechnung/Erstattung von Kapitalertragsteuer kommen würde.
Der Gesetzgeber habe erst im Jahr 2006 mit Wirkung für das Jahr 2007 auf dieses Schreiben reagiert und hat das Gesetz geändert. Spengel: „Die falsche Behauptung, dass es gesetzlich zur mehrfachen Anrechnung einer einmal einbehaltenen Kapitalertragsteuer kommen könne, wurde in die Gesetzesbegründung mit aufgenommen, warum dies geschah, ist mir nicht bekannt.“
Desens führt in seiner Stellungnahme unter anderem aus, dass die nach seinem Wissenstand erste veröffentlichte Rechtsauffassung zum Cum/Ex-Geschäften aus der Gesetzesbegründung des Jahressteuergesetzes 2007 (Bundestagsdrucksache 16/2712, S. 46 ff.) vom 25. September 2006 stamme, der unmissverständlich und eindeutig die Rechtsauffassung zugrunde liege, dass der Erwerber auch nach einem Leerverkauf einen Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer hat.
Zwar werde die Eindeutigkeit teilweise bestritten. In seiner Entscheidung von 2014 habe der Bundesfinanzhof aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gesetzesbegründung insoweit eindeutig ist. Mache daher ein Erwerber einen Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer geltend, weil er die Rechtsauffassung zugrunde legt, dass er selbst im Falle eines Leerverkaufs diesen Anspruch hat, handele er auf Grundlage einer Rechtsauffassung, die ebenso bereits die Bundesregierung im Jahressteuergesetz 2007 vertreten habe.
Lege er hier – unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Anforderungen – die steuererheblichen Tatsachen offen, fehle es bereits am objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung. Bezogen auf die Rechtslage 2006 sei es vertretbar, die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs so zu verstehen, dass auch bei Leerverkäufen von Aktien das wirtschaftliche Eigentum bereits mit Abschluss des Kaufvertrages beim Erwerber entsteht.
Auch von 2007 bis 2011 lasse sich die Argumentation, dass der Erwerber unabhängig davon, ob es beim Leerverkäufer zu einer zweiten Erhebung zulasten des Leerverkäufers kommt, einen Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer hat, auf die Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2007 stützen. Danach hat sich an der Grundaussage nichts geändert, dass das wirtschaftliche Eigentum auch nach dem Leerverkauf bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses übergeht.
Wie Desens weiter ausführte, vertrete er unter Berücksichtigung der jüngeren Bundesfinanzhof-Rechtsprechung die Rechtsauffassung, dass die Dividendenkompensation seit 2007 unter Paragraf 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes falle, und es daher bei einem Leerverkauf nicht mehr erforderlich sei, dass der Erwerber bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertrages wirtschaftlicher Eigentümer wird. (mwo/14.04.2016)