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„Die Raumfahrt geht über nationale Grenzen hinweg.“ Das sagte Prof. Dr. Jan Wörner, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), zur Eröffnung des Fachgesprächs „Die Blue-Dot-Mission – Sechs Monate Forschung und Leben im Weltall“ des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Leitung der Ausschussvorsitzenden Patricia Lips (CDU/CSU), am Mittwoch, 27. April 2016, im Reichstagsgebäude in Berlin.
Dort stellte Wörner die ESA vor. Zur ESA gehören 22 Mitgliedsstaaten in Europa. Aufgabe der ESA ist es, das gemeinsame europäische Weltraumprogramm mit einem Gesamtbudget von 5,2 Milliarden Euro zu konzipieren und umzusetzen. Raumfahrt gehöre schon jetzt zum Tagesgeschäft in der Gesellschaft. Dazu gehört Erdbeobachtung, Telekommunikation, Navigation, Grundlagenforschung und eben auch bemannte Raumfahrt. Durch die Kommerzialisierung des Weltraums würden sich neue Rollen für die Industrie ergeben.
Im Rahmen der ISS-Expeditionen 40 und 41 hatte der deutsche ESA-Astronaut Dr. Alexander Gerst ein halbes Jahr lang im Weltraum gelebt und geforscht und war zusammen mit seinen zwei Kollegen, dem russischen Kosmonauten Maxim Surajew und dem NASA-Astronauten Gregory Reit Wiseman, an Bord einer russischen Sojusrakete im kasachischen Baikonur auf seine Reise in den Orbit gestartet und im November 2014 auf die Erde zurück gekehrt.
Wörner strich heraus, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit sei – eben gerade auch in Krisenzeiten. Die Mission mit Alexander Gerst war kurz nach der Krimkrise gestartet und war dennoch jenseits der politischen Probleme auf der Erde im Orbit ohne Probleme verlaufen. „Wenn Sie fragen: Was ist der Return of money?“, so Wörner, dann sei die Antwort nicht nur in den reinen Forschungsergebnissen zu suchen, „sondern vor allem im Return of values. Ich weiß, dass die United States of Europe gerade im Moment in weiter Ferne sind, aber die United Space in Europe, die gibt es.“
Die Astronauten hatten bei ihrer ISS-Mission unzählige Experimente in Physik, Biologie, menschlicher Physiologie, Strahlungsforschung und der Erprobung neuer Technologien im europäischen Weltraumlabor Columbus durchgeführt, einem Labor, das einem ganzen Universitätslabor gleiche, wie Gerst deutlich machte. Eines der Highlights unter den Experimenten sei der elektromagnetische Levitator (EML), ein Behältnis zur behälterlosen Erforschung des Schmelz- und Erstarrungsverhaltens metallischer Proben unter Schwerelosigkeit. Von diesen Experimenten erhoffen sich die Wissenschaftler Verbesserungen im industriellen Gussverfahren oder in der Krebsforschung oder auch in der Forschung für klimaresistente Pflanzen.
Alexander Gerst, der unter 8.000 Kandidaten ausgewählt worden war und 165 Tage bei 2.500 Erdumrundungen in der ISS-Raumstation verbracht hatte, machte in seinem Vortrag deutlich, wie wichtig es für die Forschung sei, die Perspektive zu verändern, da die Astronauten eben nicht mehr Teil der Erdatmosphäre seien. In der Schwerelosigkeit könnten Experimente gemacht werden, die auf dem Boden nicht darstellbar seien.
Gerst, der wie seine Kollegen mit einem Training von 6000 Stunden auf die Mission vorbereitet worden war, sagte: „Oft suchen die Wissenschaftler mit ihren Experimenten nach einem bestimmten Ergebnis, aber heraus kommen würde dann ein ganz andere Entdeckung.“ Bei Gerst hatte sich während der Zeit auf der ISS beispielsweise die Haut verjüngt – ein überraschender Befund, den die Wissenschaftler in große Aufregung versetzt habe und an dem nun weiter geforscht werde.
Gerst, eigentlich Geophysiker und Vulkanologe, zeigte den Ausschussmitgliedern nicht nur Bilder von der Erde ohne Grenzen, von Sandstürmen über der Sahara und dem Verlauf von Meeresströmungen in Neuseeland, er verdeutlichte vor allem, dass Raumfahrt eine Investition in die Zukunft für die Menschheit sei und sagte: „Aus der Ferne gesehen ist unser Planet nur ein blauer Punkt, ein zerbrechliches Raumschiff für die Menschheit. Wir müssen das Universum verstehen, in dem wir leben, um unseren Heimatplaneten zu schützen.“
Gerst betonte, wie wichtig es ihm sei, die nächste Generation von Wissenschaftlern für die Raumfahrt zu gewinnen und zu inspirieren. Auf die Frage, was man wie in Zukunft mit Raumfahrt erreichen könnte, gab Gerst die Antwort: „Die Raumfahrt steht etwa da, wo die Fliegerei vor 100 Jahren stand. Wir sind eine Spezies von Entdeckern. Grenzen gibt es nicht.“ (rol/28.04.2016)