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Die Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag haben nach der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten ihren Widerstand gegen das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP bekräftigt. Zugleich versicherte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einer Aktuellen Stunde am Mittwoch, 11. Mai 2016, niemand werde einem Abkommen zustimmen, in dem die jüngst veröffentlichten Positionen der amerikanischen Seite enthalten seien.
Grünen-Fraktionschef Dr. Anton Hofreiter dankte dem anonymen Whistleblower für die Veröffentlichung der Dokumente, denn mit Hilfe dieses Leaks sei „endlich klar, worüber verhandelt wird, und das Schweigekartell, das diese Bundesregierung errichtet hat, ist endlich durchbrochen“. Die Papiere würden zeigen, dass die Sorgen mehr als berechtigt seien. Für wenige Vorteile für die Automobilindustrie sei geplant, die kleinteilige deutsche Landwirtschaft „zu verkaufen und zu verraten“.
Über eine „regulatorische Kooperation“ sollten Wirtschaftslobbyisten frühzeitig in die Gesetzgebung einbezogen werden. Die Papiere würden zeigen, „dass dieses Abkommen nicht im Interesse der Menschen in Deutschland und Europa ist“, sagte Dr. Hofreiter, der der Regierung vorwarf, die Landwirte „der gnadenlosen Konkurrenz“ aus den USA auszusetzen. TTIP sei ein „Beschleunigungsprogramm fürs Höfesterben“.
„Alle Befürchtungen sind voll berechtigt“, stellte auch Sahra Wagenknecht (Die Linke) fest. „TTIP bringt Gencode und Hormonfleisch, Gifte in unsere Hautcremes und Chemikalien in unser Kinderspielzeug, und zwar solche, die aus gutem Grund bisher in Europa verboten sind“. Außerdem werde es eine Sonderjustiz und Klagerechte für große Konzerne geben. Der französische Präsident François Hollande habe TTIP als nicht zustimmungsfähig bezeichnet, aber von Bundeskanzlerin Angela Merkel gebe es kein Nein, sondern „inszenierte Kuscheltage“ mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama.
Es gehe bei TTIP nicht um freien Handel, sondern um ein „Selbstermächtigungsgesetz für Kapitalinteressen, das Parlamente entmachten und letztlich die Demokratie endgültig begraben soll“, kritisierte Wagenknecht. Dirk Wiese (SPD) wies die Äußerungen von Wagenknecht scharf zurück. „An diesem Ort einem Sozialdemokraten vorzuwerfen, dass er ein Ermächtigungsgesetz zur Abschaffung der Demokratie auf den Weg bringt, ist eine Frechheit und zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.“
Was in den Papieren des Whistleblowers stehe, werde nicht Inhalt eines Freihandelsabkommens werden, versicherte Minister Gabriel: „Das ist völlig unumstritten.“ Das sei aber alles nichts Neues, und die Positionen seien überall nachzulesen. Geheimniskrämerei betreibe nicht die Bundesregierung, „sondern wir haben ein Minimum an Transparenz gegen die Europäische Kommission durchgesetzt und immer gesagt: Es ist ein Riesenfehler, dass die Europäische Kommission und die Amerikaner nicht bereit sind, das wesentlich transparenter zu machen“.
Es sei nicht nur wichtig, zu sagen was man nicht wolle, sondern „mindestens so wichtig ist, was wir wollen“, erklärte Gabriel, der darauf hinwies, dass Deutschland auf offene Märkte angewiesen sei. Und Märkte brauchten Regeln. Daher wolle er politisch um Handelsabkommen kämpfen, „die Recht und Regeln schützen und stärken statt aushöhlen“. Ein Freihandelsabkommen, wie die Amerikaner es sich vorstellen würden, „darf und wird es nicht geben“. Es gehe nicht um „schnell vor gut“, sondern das Motto müsse immer sein „gut vor schnell“, sagte der Minister, der sich skeptisch zeigte, ob es das Abkommen noch in diesem Jahr geben könne.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) warf der Opposition vor, TTIP schon jetzt für Strukturprobleme in der Landwirtschaft und Gift im Spielzeug verantwortlich zu machen: „Da kann ich Ihnen nicht zustimmen; sondern es geht darum, den größten Wirtschaftsraum der Welt zu schaffen mit 800 Millionen Menschen, 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts und einem Drittel des Welthandels“.
Dafür habe die EU-Kommission von Deutschland und 27 EU-Ländern ein Verhandlungsmandat erhalten, und die Verhandlungen würden jetzt geführt. Die Opposition wisse offenbar jetzt schon, was bei den Verhandlungen herauskommen werde, spottete Pfeiffer. (hle/11.05.2016)