Menu | Plenum | Parlaments-TV |
In einer Debatte des Deutschen Bundestages über das europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta sind die Gegensätze zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen erneut deutlich zu Tage getreten. Die Opposition warnte am Freitag, 13. Mai 2016, darüber hinaus davor, Teile des Abkommens schon vor der endgültigen Abstimmung über den Vertragstext bereits vorläufig in Kraft zu setzen.
„Ceta ist kein gutes Abkommen“, stellte Klaus Ernst (Die Linke) fest. Die Koalition wolle das Abkommen „gegen den Willen der Bürger“ durchsetzen und den Eindruck erwecken, die nationalen Parlamente würden über Ceta entscheiden. Das sei aber alles nur Schau: „Denn im selben Moment macht die Bundesregierung Druck, das Abkommen Ceta möglichst schnell vorläufig anzuwenden“.
Das Abkommen solle also angewendet werden, „bevor die nationalen Parlamente diese Frage überhaupt ausreichend beraten und abgestimmt haben. Das ist eine Aushebelung der Parlamente“, warnte Ernst. Nach der Geheimniskrämerei folge die Ausschaltung der nationalen Parlamente. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagte Ernst.
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, im Oktober wolle der EU-Handelsministerrat das Abkommen beschließen, aber eine deutsche Fassung des Abkommens, das 500 Seiten Vertragstext und 1.500 Seiten Anhänge habe, liege immer noch nicht vor. „Wie stellen Sie sich jetzt ein geordnetes parlamentarisches Beratungsverfahren vor, von dem Sie immer gesprochen haben“, fragte Dröge die Koalition.
Wenn die Bundesregierung im EU-Handelsministerrat sowohl über den Vertragstext als auch gegebenenfalls über die vorläufige Anwendung entschieden hat, dann glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass danach noch eine andere parlamentarische Beratung erfolgen wird“, warnte die Abgeordnete.
„Freihandel ist seit über 200 Jahren eine Formel für Wachstum, Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen“, lobte dagegen Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) das Ceta-Abkommen. Der Erfolg des Freihandels sei jeden Tag zu erleben, und kein Land sei so in die Globalisierung eingebunden wie Deutschland.
Die Opposition wolle offenbar nicht, dass die Globalisierung gestaltet werde: „Die Globalisierung braucht Regeln“, stellte Pfeiffer fest, der auf die Vorteile der in Ceta vorgesehenen Zollsenkungen hinwies: Die deutschen Exporteure würden 500 Millionen Euro im Jahr sparen. Ceta sei „das beste Abkommen, das wir jemals hatten“, lobte Pfeiffer. Gefahren für den Verbraucherschutz oder Schaffung einer Paralleljustiz könne er nicht erkennen.
Klaus Barthel (SPD) sagte, natürlich müsse noch geklärt werden, wie ein vorläufig in Kraft getretener Ceta-Vertrag gegebenenfalls von nationalen Parlamenten zurückgeholt werden könne. Aber den Wunsch der Opposition nach sofortiger Entscheidung über den Antrag der Fraktion Die Linke (18/8391), in dem die Regierung aufgefordert wird, im EU-Rat die vorläufige Anwendung des europäisch-kanadischen Handelsabkommens Ceta abzulehnen, wies Barthel zurück.
In den europäischen Gremien werde im Herbst über Ceta entschieden. Es sei bereits fest vereinbart, dass sich der Bundestag vor der Entscheidung des Europäischen Rats mit Ceta befassen und der Bundesregierung gegebenenfalls einen Auftrag auf den Weg geben werde. Daher gebe es keinen Anlass, über den Antrag der Linken jetzt abzustimmen.
Der Antrag wurde mit Stimmen der Koalitionsmehrheit an die Ausschüsse überwiesen. In der Begründung ihres Antrags schreibt die Linksfraktion, die geplanten Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada und auch TTIP mit den USA seien extrem umstritten und würden in der Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt. Im Zentrum der Debatte stehe die Sorge, dass hinter dem Rücken der Bürger Entscheidungen getroffen würden, "die gravierend in deren Leben eingreifen, zuvor aber niemals mit ihnen besprochen wurden", wird kritisiert.
Nach Angaben der Linksfraktion will die EU-Kommission im Sommer 2016 dem Rat vorschlagen, neben der Unterzeichnung von Ceta auch dessen vorläufige Anwendung zu beschließen. Damit würden die Teile des Abkommens bereits vor Ratifizierung der Mitgliedstaaten in Kraft treten, die in die alleinige EU-Zuständigkeit fallen würden. Dabei sei unklar und umstritten, welche Bereiche des Abkommens überhaupt in den Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten fallen und deswegen nicht vorläufig in Kraft gesetzt werden könnten.
Die Fraktion warnt in dem Antrag: "Verfahren, bei denen eine Kompetenzübertretung der EU droht und weder klar ist, wer letztendlich entscheidet, noch worüber jeweils zu entscheiden ist, führen eine parlamentarische Demokratie ad absurdum. Die vorläufige Anwendung schafft Fakten, die durch nachgelagerte eventuelle parlamentarische Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten kaum rückholbar sind.
Faktisch präjudiziert eine vorläufige Anwendung den Ausschluss der Parlamente der Mitgliedstaaten von der Entscheidungsfindung." Der Bundesregierung wird vorgeworfen, ihre Bereitschaft zur vorläufigen Anwendung signalisiert zu haben. Damit untergrabe sie ihre eigene Position.
Abgelehnt von der Koalitionsmehrheit wurde ein weiterer Antrag der Linksfraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das bisher finalisierte Ceta-Verhandlungsergebnis "als nicht annehmbar" zurückzuweisen und für einen Stopp der TTIP-Verhandlungen zu sorgen. Zudem sollen in künftigen EU-Handels- und Investitionsabkommen keine Liberalisierungs-, Deregulierungs- und Privatisierungsvorschriften aufgenommen werden. Aus laufenden Verhandlungen und bereits geschlossenen Abkommen sollen diese Vorschriften wieder herausgenommen werden.
Unternehmen, Banken und Konzernen sollen zudem keine Sonderrechte durch Investitionsschutzklauseln und Streitschlichtungsverfahren eingeräumt und entsprechende Klauseln in bilateralen und EU-Abkommen sollen gestrichen werden. Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sollen weiterentwickelt und Arbeits- und Menschenrechte geregelt werden. In der Begründung ihres Antrages schreibt die Fraktion, mit Ceta und TTIP würden Freihandelsabkommen neuen Typs entstehen, die weit über die in bisherigen Abkommen üblichen Verpflichtungen hinausgehen würden. Mit dem Investitionsschutz würden Sonderrechte für Unternehmen, Konzerne und Banken von gänzlich neuer Qualität geschaffen. (hle/13.05.2016)