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Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein weiterer Verfassungsschützer bestritten, dass seine Behörde durch Übermittlung von Informationen Beihilfe zum Drohnenkrieg der USA geleistet haben könnte. Ihm seien zwar sieben Fälle bekannt, in denen mutmaßliche radikalislamische Kämpfer durch Drohnen zu Tode kamen, nachdem ihre Daten aus Deutschland an US-Geheimdienste weitergegeben worden waren: "Aber ich würde da keine Kausalität herstellen", sagte der Zeuge Wilhelm Dettmer in seiner Vernehmung am Donnerstag, 12. Mai 2016. Der heute 65-jährige Slawist und Politologe ist seit 1979 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tätig, seit 2007 in der für die Bekämpfung radikalislamischer Bestrebungen zuständigen Abteilung 6.
Dettmer schilderte dem Ausschuss die Umstände, unter denen am 24. November 2010 eine Weisung des Innenministeriums an den Verfassungsschutz zustande kam, er möge darauf achten, dass weitergegebene Daten nicht nutzbar waren, um Zielpersonen zu orten. Zuvor war am 4. Oktober im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet der deutsche Staatsbürger Bünyamin Erdogan einem Drohneneinsatz zum Opfer gefallen.
Der Zeuge erinnerte an die öffentliche Debatte, die der Vorfall in Deutschland auslöste, und in der die Frage laut geworden sei, ob Mitarbeiter deutscher Behörden sich durch die Weitergabe der Daten des Opfers nicht strafbar gemacht hätten. Sie sei allerdings nur im "politischen Raum" geführt worden, nicht innerhalb des Verfassungsschutzes, betonte der Zeuge. Er könne sich jedenfalls aus eigenem Erleben an solche Diskussionen in seiner Behörde nicht erinnern.
Es sei in der damals aufgeheizten Stimmung wichtig gewesen, "Handlungssicherheit" für die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu schaffen. Auf eine Bitte aus den USA um Weitergabe einer Liste mit Mobilfunkdaten verdächtiger Personen hin habe deshalb das zuständige Referat in der Abteilung 6 am 22. November erst die Zustimmung des Innenministeriums einholen wollen. Diese sei zwei Tage später unter den genannten einschränkenden Bedingungen erteilt worden.
Er selbst habe die Weisung allerdings erst jetzt zur Kenntnis genommen, als er eine Woche vor seiner Vernehmung Akten studierte, um den Auftritt vor dem Ausschuss vorzubereiten. Das Schreiben aus dem Innenministerium sei damals seiner Aufmerksamkeit völlig entgangen.
Es habe an der Praxis der Datenübermittlung auch nichts geändert, betonte Dettmer: "Es wurden vorher Handy-Daten weitergegeben und nachher." Am 22. Dezember etwa sei die Liste, die Gegenstand der Anfrage ans Innenministerium gewesen war, den Amerikanern ausgehändigt worden.
Der Verfassungsschutz habe sich auch deswegen auf der sicheren Seiten gefühlt, weil er davon ausgegangen sei, dass Mobilfunkdaten allein nicht geeignet seien, um Personen als Drohnenziele zu markieren: "Das habe ich in Gesprächen erfahren als die Meinung des Hauses," sagte Dettmer. Er habe keinen Anlass gesehen, daran zu zweifeln, zumal, da er selbst kein Techniker sei.
Wie schon andere Verfassungsschutzzeugen vor ihm betonte auch Dettmer, dass jede an einen ausländischen Geheimdienst weitergegebene Information mit dem Hinweis versehen sei, sie dürfe allein zu nachrichtendienstlichen Zwecken, also nicht zur Exekution von Menschen, genutzt werden.
Nach seiner Überzeugung sei dieses Verfahren außerordentlich wirksam: "Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, dass irgendwann einmal solche Verwendungsbeschränkungen nicht eingehalten worden wären."
Das Bundesamt für Verfassungsschutz war nach den Worten eines zuständigen Mitarbeiters von den Enthüllungen des US-Geheimdienstdissidenten Edward Snowden nicht weniger überrascht als die deutsche Öffentlichkeit.
Ein großes Problem sei gewesen, dass seine Behörde die Mitteilungen Snowdens über amerikanische Spionage-Umtriebe in Deutschland nur "sehr häppchenweise im Zwei-Wochen-Rhythmus" der Presse habe entnehmen können: "Zu unserem Leidwesen waren wir nicht in der Lage, die Dinge auf Authentizität zu überprüfen", sagte der Zeuge Frank Wingerath am Donnerstag, 12. Mai 2016, dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Der heute 53-jährige Soziologe ist seit 1999 beim Verfassungsschutz in Köln tätig und seit November 2010 Referatsgruppenleiter in der für Spionageabwehr zuständigen Abteilung 4.
Sofort nach Bekanntwerden der ersten Snowden-Enthüllungen im Sommer 2013 habe seine Behörde eine 19-köpfige "Sonderauswertungsgruppe" gebildet, um den Vorwürfen nachzugehen. Leiter der Gruppe sei er selbst gewesen, sagte Wingerath. Von einem Tag auf den anderen seien damals mindestens 20 "umfangreiche" Anfragen "aus dem parlamentarischen Raum" über den Verfassungsschutz hereingebrochen. Der Druck sei enorm gewesen, "zeitnah" und "umfassend" Klarheit zu schaffen: "Unser Informationsstand war aber sehr gering." Auch Versuche, Unterstützung von außen zu gewinnen, seien erfolglos geblieben.
So habe Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen im Herbst 2013 die US-Seite gebeten, Spezialisten des Bundesamtes aufs Dach der amerikanischen Botschaft in Berlin zu lassen, um den Verdacht auszuräumen, dass von dort aus das Kanzleramt abgehört wurde: "Das wurde abgelehnt." Im Januar 2014 sei Maaßen dann an das Nachrichtenmagazin "Spiegel" mit dem Ersuchen herangetreten, dem Verfassungsschutz die Snowden-Dokumente zur Einsichtnahme zu überlassen. Auch dieser Wunsch blieb unerfüllt: "Unser großes Problem war, dass uns die Dokumente selber nicht vorlagen, und wir ausschnitthaft wahrnehmen mussten, was meistens im ,Spiegel' stand."
Die Sonderauswertungsgruppe, die ihre Tätigkeit im Frühjahr 2015 mit einem Abschlussbericht beendete, war nach Wingeraths Worten in fünf Arbeitsbereiche gegliedert. Die Sektion "Berichtswesen" habe sich mit der Beantwortung der parlamentarischen Anfragen befasst, eine weitere die Vorwürfe Snowdens auf ihre technische Plausibilität hin betrachtet. Es habe Arbeitsbereiche für Rechtsfragen gegeben, für die Behandlung internationaler Kooperationen insbesondere mit den USA und für "spezielle Fragestellungen im Bereich der Spionageabwehr".
Über den Inhalt des als geheim eingestuften Abschlussberichts mochte sich der Zeuge in öffentlicher Sitzung nicht äußern, zumal der Bericht erst nach Ende des bis März 2014 befristeten Untersuchungszeitraums angefertigt wurde und sich damit der Kompetenz des Ausschusses entzieht. Wingerath vermittelte allerdings den Eindruck, dass die "Sonderauswertung" ohne substanzielles Ergebnis blieb.
"Es haben sich keine Beweise im eigentlichen Sinne ergeben", formulierte Wingerath. Namentlich habe der Verfassungsschutz keine eigenen konkreten Erkenntnisse darüber, dass westliche Geheimdienste deutsche Behörden oder andere Ziele in der Bundesrepublik mit Mitteln der "technischen Aufklärung" ausgespäht hätten.
Auch Beobachtungsflüge mit Hubschraubern über ausländischen Botschaften, die der Verfassungsschutz etwa seit 2000 routinemäßig unternimmt, hätten nichts Einschlägiges erbracht: "Man sollte sich von solchen Überflügen nicht zu viel versprechen." (wid/13.05.2016)