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Berlin: (hib/SCR) Die intensive Debatte zum Thema Sterbehilfe hat am Mittwochnachmittag im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine Fortsetzung gefunden. Zwölf Sachverständige nahmen zu den vier Gruppen-Gesetzentwürfen Stellung, die sich vor allem auf die Frage der Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid beziehen. Zwischen den Medizinern, Ethikern und Rechtswissenschaftlern bestanden erhebliche Differenzen in der Bewertung der vorgelegten Entwürfe. Welcher Entwurf sich letztlich durchsetzen wird, ist weiterhin völlig offen. Eine Entscheidung soll im Bundestag in der ersten Novemberwoche fallen.
Für den Gesetzentwurf der Gruppe von Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) sowie 208 weiteren Abgeordneten (18/5373) sprach sich unter anderem Ruth Rissing-van Saan, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof a.D. aus. Er sieht vor, die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe zu stellen. Das beträfe sowohl Sterbehilfevereine als auch Mediziner, die ein solches Angebot als quasi normale Behandlungsoption anböten. Beihilfe im Freundes- oder Angehörigenkreis wäre nicht betroffen. Rissing-van Saan argumentierte, dass sich aus der Verfassung keine „Pflicht zum Leben“ ableiten ließe. Entsprechend seien die freiverantwortliche Selbsttötung und auch die Teilnahme daran nicht unter Strafe zu stellen, wenn es sich im Hinblick auf die Teilnahme um einen individuellen, zwischenmenschlichen Akt handle. Es könne aber bei Suizidwilligen nicht immer von einem freiverantwortlichen Verhalten ausgegangen werden, daher bestehe auch ein „legitimes Schutzinteresse“ daran, eine übereilte, unfreiwillige Selbsttötung zu verhindern.
Bischof a.D. Wolfgang Huber warnte davor, durch gesetzliche Regelungen die standesrechtlichen Vorgaben der Ärzteschaft zu ändern. Diese standesrechtlichen Regelungen fallen in Hinblick auf Suizidbeihilfe überwiegend enger aus als das, was rechtlich möglich wäre. Das sei aber kein Problem, sondern ein gesellschaftlich begrüßenswerter Vorgang, sagte Huber. Es sei rechtsethisch problematisch, die nicht verbotene Suizidbeihilfe explizit zu erlauben, da dadurch eine implizite oder explizite Werbung für den Suizid entstehe. Das dürfe nicht zugelassen werden, argumentierte Huber.
Stephan Sahm, Palliativmediziner und Medizinethiker aus Offenbach, betonte, dass sich die Suizidhandlung einer moralischen Bewertung entziehe. In diesem Feld sei „Enthaltung“ angesagt. Würden Ärzte geschäftsmäßig Suizidbeihilfe anbieten, werde damit hingegen gesellschaftliche Akzeptanz suggeriert. Die Geschäftsmäßigkeit könne zur Gefährdung vieler Menschen führen. Sie müsse daher unter Strafe gestellt werden.
Die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sagte hingegen, dass ein wohlüberlegter, freiverantwortlicher Suizidwunsch nicht zwingend „bedauerlich“ oder ein „Unglücksfall“ sei. Folglich sei eine Verbesserung des Zugangs zur Suizidbeihilfe ethisch gerechtfertigt und mit dem ärztlichen Ethos vereinbar. Es reiche nicht, den Patienten „auf dem Papier“ zu sagen, dass sie zwar aus strafrechtlicher Sicht selbstbestimmt über ihr Lebensende entscheiden könnten, aber ihnen dann nur „unmenschliche Formen der Selbsttötung“ zu lassen.
Gegen eine strafrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe sprach sich zudem der Rechtswissenschaftler Eric Hilgendorf von der Universität Würzburg aus. Er kritisierte am Brand-Griese-Entwurf, dass durch das Kriterium der Geschäftsmäßigkeit auch Mediziner im Palliativ- und Hospizbereich unter Verdacht geraten könnten. Der Schaden durch eine Kriminalisierung der Suizidbeihilfe sei größer als deren Nutzen, sagte Hilgendorf.
Palliativmediziner Matthias Thöns aus Witten berichtete, dass schon nach aktueller Rechtslage mehrfach gegen ihn ermittelt worden sei. Eine strafrechtliche Regelung könne die ambulante Palliativmedizin daher zerstören. Eine solche Regelung sei auch nur von einer Minderheit der betroffenen Ärzte gewollt. Die Gewissheit, dass er im Zweifelsfall auch beim Suizid helfen könne, wirke Wunder für seine Patienten, sagte Thöns.
In diese Richtung zielen sowohl der Gruppenentwurf der Abgeordneten Peter Hintze (CDU), Carola Reimann (SPD) und 105 weiteren Parlamentariern (18/5374) als auch der Vorschlag von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Petra Sitte (Die Linke) und 51 weiteren Abgeordneten (18/5375). Hintze und Reimann wollen Ärzten durch eine zivilrechtliche Regelung unter bestimmten Bedingungen erlauben, beim Suizid zu helfen. Damit sollen standesrechtliche Regelungen gebrochen werden, denn in vielen Landesärztekammern ist dies Medizinern untersagt. Der Künast/Sitte-Vorschlag will diese Verbote auch abräumen und einen Rahmen für die organisierte Sterbehilfe abstecken. Nur kommerzielle Sterbehilfe soll demnach unter Strafe gestellt werden.
Christian Hillgruber, Rechtswissenschaftler an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, sprach sich für ein striktes Verbot der Suizidbeihilfe aus, wie es auch der Gesetzentwurf der Gruppe von Patrick Sensburg (CDU), Thomas Dörflinger (CDU) und 33 weiteren Abgeordneten (18/5376) vorsieht. Das Problem liege in der Sache selbst und nicht in der Art des Geschäftsmodells, daher sei nicht nur kommerzielle sowie geschäftsmäßige Suizidbeihilfe problematisch, sondern auch jene im Familien- und Angehörigenkreis. Auch hier sei Selbstlosigkeit beim Helfenden nicht immer gegeben, folglich bestehe auch in der Familie eine „strukturelle Gefährdung der Autonomie“. Für Grenzsituationen sehe das Straf- und Strafprozessrecht Möglichkeiten vor, von einer Strafverfolgung abzusehen.
In Hinblick auf die Entwürfe von Hintze-Reimann und Künast-Sitte sprach Hillgruber davon, dass „offensichtlich“ die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gegeben sei, sie liege bei den Ländern. An dieser Aussage meldeten Matthias Herdegen, ebenfalls Rechtswissenschaftler von der Universität Bonn, und Reinhard Merkel, Rechtswissenschaftler von der Universität Hamburg, Zweifel an. Merkel kritisierte zudem die Annahme, dass durch organisierte Sterbehilfe gesellschaftlicher Druck entstehe. Dies müsse, gerade wenn der Gesetzgeber im Strafrecht tätig werden wolle, wissenschaftlich abgesichert werden. Merkel warnte zudem davor, Ärzte aus dem Suizidgeschehen auszuschließen. Damit werde eine „riesige Chance der Suizidprävention“ verschenkt.
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