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Berlin: (hib/wid) Erst mit anderthalbjähriger Verspätung hat der Bundesnachrichtendienst (BND) die Kontrollen verschärft, um in der Kooperation mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) die Ausspähung europäischer Partner auszuschließen. Dies ergab sich am Donnerstag aus der Befragung eines Sachbearbeiters der Abteilung "Technische Aufklärung" durch den 1. Untersuchungsausschuss (NSA). Der Zeuge K.M. hatte nach einer Dolmetscherausbildung im Oktober 1988 mit damals 26 Jahren beim BND angeheuert. Er bearbeitete hier zunächst fremdsprachliche Nachrichten und wechselte Anfang 1990 zur sogenannten "Wortbank-Gruppe", die den Bestand der bei der bei der Überwachung des Fernemeldeverkehrs benutzten Selektoren betreut.
Mittte März dieses Jahres, berichtete der Zeuge, habe sich sein Arbeitsalltag in einigen Punkten verändert. Unter anderem werde eine Liste mit Begriffen, die der Identifizierung politisch unerwünschter, weil deutschen und europäischen Interressen zuwiderlaufender Suchmerkmale dient, seither nicht mehr wöchentlich, sondern täglich aktualisiert. Bereits im August 2013 hatten BND-Mitarbeiter festgestellt, dass in der mit der NSA betriebenen Abhöranlage Bad Aibling auch Selektore eingespeist waren, die europäische Ziele betrafen. Doch erst im März 2015 hatten BND-Spitze und Kanzleramt davon Kenntnis erlangt; einen Monat später erfuhr es die Öffentlichkeit.
Seit 25 Jahren ist es die Aufgabe des Zeugen, neue Selektoren in den Datenbestand einzugeben und von Partnerdiensten zugelieferte Suchmerkmale auf ihre Vereinbarkeit mit der deutschen Rechtslage zu prüfen. Dem Ausschuss erklärte er den Unterschied zwischen "formalen" und "inhaltlichen" Selektoren. Die erste Kategorie umfasse Telefonnummern, Mail- oder IP-Adressen, die zweite bestimmte Schlüsselwörter, deren Erfassung dazu führt, dass eine überwachte Kommunikation gespeichert wird, etwa "Terror" oder "Bombe". Freilich: "Wir hatten schon mal das Wort 'Bombe' drin. Das war ein großer Reinfall, weil auch 'Sexbombe" getroffen hat."
Wichtigste Prüfaufgabe des Zeugen ist die "G10-Erkennung", die gewährleisten soll, dass bei der Überwachung des Datenverkehrs der Schutz des Fernmeldegeheimnisses unverdächtiger Deutscher gewahrt bleibt. Detailliert erläuterte er das dreistufige Verfahren. In einem ersten Durchgang werden alle Selektoren ausgeschieden, die auf den ersten Blick Deutschen zuzuordnen sind, etwa Festnetznummern mit der Vorwahl "49", Mobilfunknmmern mit der Kombination "262" oder Mailadressen mit der Kennung "de".
In der zweiten Stufe werden Suchmerkmale geprüft, die nicht so einfach zu identifizieren sind wie Mailadressen mit der Endung "com" oder "net". Der BND verfügt über eine Datenbank mit solchen Selektoren, die bei irgendeiner Gelegenheit als G10-relevant aufgefallen sind. Sie werde "anlassbezogen" ergänzt, also immer dann, wenn eine bisher unbekannte Adresse oder Nummer einem deutschen Grundrechtsträger zugeordnet werden kann. Bei der Einführung der automatischen Selektorenprüfung in der BND-Zentrale seien hier etwa 15.000 Begriffe gespeichert gewesen, heute seien es schätzungsweise 30.000.
Die dritte Stufe erfasst Selektoren, die durch ergänzende Kommentare des Partnerdienstes, der sie zuliefert, möglicherweise als G10-relevant zu identifizieren sind. Allerdings: "Eine G10-Erkennung kann nie allumfassend sein", räumte der Zeuge ein, Und europäische Ziele seien erst seit März 2015 in nenneswerter Anzahl in der Datenbank gespeichert.
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