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Berlin: (hib/AHE) Die Auswirkungen und Einflussmöglichkeiten der europäischen Handelspolitik auf die Produktionsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern - und damit auf die Situation der Menschenrechte - sind unter Experten umstritten. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sprach sich ein Teil der Experten für größere Flexibilität, für Folgeabschätzungen und mehr Evaluierung bei EU-Handelsabkommen aus. Umstritten war jedoch insbesondere die Frage, inwieweit Unternehmen eine Haftung für die Einhaltung von Arbeits-, Umwelt und Nachhaltigkeitsstandards entlang ihrer Lieferketten auferlegt werden könne - und inwiefern ein solcher Schritt zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Entwicklungs- und Schwellenländern beitragen könne.
Sven Hilbig (Brot für die Welt) sagte, dass Handel sehr wohl zur Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen könne, allerdings sei "Freihandel nicht per se fair und nachhaltig." Damit er es werde, bedürfe es eines ordnungspolitischen Rahmens und die Stärkung der Menschenrechte sei ein wichtiges Instrument dafür. Hilbig sprach von einer Lücke zwischen Erfolgen auf der normativen Ebene und der praktischen Handelspolitik. So habe sich die Europäische Union mit dem Vertrag von Lissabon dazu verpflichtet, Menschrechte in ihrer Außen- und Außenwirtschaftspolitik zu achten und zu schützen. Andererseits sei die EU noch "weit davon entfernt", dies in ihrer Außenwirtschaftspolitik umzusetzen, etwa wenn sie mit Handelsabkommen bewirke, dass subventionierte EU-Importe Produzenten in den Partnerländer massiv unter Druck setzen würden. Menschenrechtspolitik sei derzeit der Handelspolitik häufig noch untergeordnet: Es brauche mehr als einzelne Reformansätze, sondern einen "Kurswechsel" der EU, sagte Hilbig.
Armin Paasch (Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e.V.) nannte die Vorgaben des Lissabon-Vertrages "weltweit vorbildlich", die Umsetzung für die Handelspolitik indes eine große Herausforderung. Handels- und Investitionsabkommen dürften nicht dazu führen, den Spielraum der Partnerländer einzuschränken, was heute noch zum Beispiel durch Regelungen zu Schiedsgerichten geschehen könne. Wichtige Schritte wären die Einführung von Folgenabschätzung auf die Menschenrechte bereits im Vorfeld solcher Abkommen sowie die Möglichkeit, Revisionsklauseln darin zu verankern, für den Fall, dass Menschenrechte durch die Anwendung solcher Abkommen gefährdet seien. Paasch forderte zudem die Bundesregierung auf, sich für verbindliche Offenlegungspflichten für Unternehmen im Bereich der Konfliktrohstoffe stark zu machen.
Renate Hornung-Draus (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) warnte indes davor, deutsche und europäische Unternehmen generell auf eine Haftung für ihre Lieferketten zu verpflichten. "Das sehen wir sehr kritisch." Selbst große Unternehmen hätten nicht die Möglichkeiten, die Produktionsbedingungen bis in die "vierte oder fünfte Stufe" zu kontrollieren. Wenn eine umfassende Kontrolle nicht möglich sei, würden sich Unternehmen aus als "riskant" geltenden Ländern zurückziehen. Es müsse aber darum gehen, die Produzenten dort an Mindeststandards wie die ILO-Kernarbeitsnormen heranzuführen, argumentierte Hornung-Draus. Hinzu komme das Problem, dass man über das Vehikel der Lieferketten-Haftung nur ein Bruchteil der Betriebe in Entwicklungs- und Schwellenländern erreiche, in denen heute noch unter menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen produziert werde. Viele von seien nicht Bestandteil globaler Lieferketten, sondern produzierten ausschließlich für den heimischen oder den regionalen Markt.
Auch Birgit Spießhofer (Deutscher Anwaltverein) meldete Zweifel an, inwieweit Handelsabkommen oder Lieferverträge zwischen Auftraggeber und -nehmer geeignet seien, "zusätzliche Themen, die nicht zwingend handelsrechtlicher Natur" seien, wie etwa Menschenrechte und Nachhaltigkeit, "im Huckepack mitzutransportieren". Es gebe für den Auftraggeber "rechtlich keinen Durchgriff in der gesamten Lieferkette" - hier gelte zudem der Grundsatz, dass nur haftbar gemacht werden könne, wer er auch wirklich den Prozess steuern kann. Es müsse vielmehr darum gehen, entwicklungspolitisch und in Kooperation zwischen europäischen Unternehmen, Produzenten vor Ort, den dortigen Regierungen und der Zivilgesellschaft nachhaltige und menschenrechtsförderliche Strukturen zu schaffen.
Auch Michael Windfuhr (Deutsches Institut für Menschenrechte) erinnerte daran, dass die Durchsetzung der Menschenrechte in erster Linie eine staatliche Aufgabe sei und damit eben auch die Regierungen der Partnerländer in der Pflicht stünden. "Handelspolitik hat vor allem dann negative Auswirkungen, wenn Regierungen der Partnerländer sich nicht besonders um die Menschen kümmern." Gleichwohl gelte es für die EU, bei Handelsabkommen mit Entwicklungsländern besonders sensibel vorzugehen: Folgeabschätzungen im Vorfeld etwa seien "wichtig, wenngleich auf keinen Fall einfach", auch, weil den Regierungen der Partnerländer ein gewisser Abwägungsspielraum zustehe. Wichtig seien zudem Beschwerdemechanismen für Betroffene sowie flexible Klauseln, die helfen könnten, Abkommen bei auftretenden Problemen anzupassen.
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