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Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein ehemaliger Referatsleiter im Kanzleramt darauf hingewiesen, dass eine effiziente politische Rechts- und Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND) kaum zu leisten sei. Dies liege am zahlenmäßigen Missverhältnis zwischen rund 6000 Geheimdienstlern und etwa 30 Mitarbeitern des Kanzleramts, die sie kontrollieren sollten, sagte der Zeuge Joachim Mewes bei seiner Vernehmung am Donnerstagabend. Zudem stammten einige der Aufseher selber aus dem BND: "Ob das die ideale Lösung für die Dienstaufsicht ist, weiß ich nicht." Es liege schließlich auf der Hand, dass ein BND-Mitarbeiter "in der Zeit, in der er bei der Aufsicht ist, nicht dazu neigt, sich mit seiner Herkunftsbehörde anzulegen."
Der heute 66jährige Mewes war von 1999 bis 2008 in der für die Rechts- und Fachaufsicht über die Nachrichtendienste zuständigen Abteilung 6 im Kanzleramt tätig. Seit Juli 2003 leitete er hier das Referat 612, wo er unter anderem Anträge des BND auf G10-Genehmigungen zu bearbeiten hatte. Eine solche Genehmigung ermächtigt den Geheimdienst, den Kommunikationsverkehr deutscher Staatsbürger zu überwachen, die im Prinzip dem Schutz des grundgesetzlich verbürgten Fernmeldegeheimnisses unterliegen. Das sogenannte G10-Gesetz regelt die zulässigen Ausnahmen, wenn konkrete Verdachtsmomente dazu Anlass geben. Mewes hatte diese Anträge zu prüfen und an die für die Genehmigung zuständige G10-Kommission weiterzuleiten. Wegen der Eilbedürftigkeit in den meisten Fällen sei eine gründliche Prüfung allerdings kaum möglich gewesen.
Vom Grundrechtschutz deutscher Staatsbürger, der nur in streng definierten Ausnahmefällen aufgehoben werden darf, ist der Umgang des Geheimdienstes mit sogenannten "Routineverkehren" zwischen ausschließlich ausländischen Teilnehmern strikt zu unterscheiden. Nach den Worten des Zeugen tut sich hier ein "rechtliches Nirwana" auf. Die Routineaufklärung des BND spiele sich auf einem "Dunkelfeld" ab, "das sich keiner so richtig angesehen hat". Der Nachrichtedienst sei eben "eine Behörde besonderer Art".
Mewes erinnerte sich eines Besuches vor zehn Jahren beim weltweit größten Glasfaserknotenpunkt, den die Telekom damals in Frankfurt betrieb. Er sei mit Mitgliedern der G10-Kommission einer Einladung des BND gefolgt, der nach eigenem Bekunden die Gäste mit neuen technischen Möglichkeiten der G10-Erfassung vertraut machen wollte. Der Knoten sei in einem unscheinbaren Bürogebäude in einem Frankfurter Vorort untergebracht gewesen: "Der BND hat uns gezeigt, was da stattfindet, wobei man außer Kabeln, Leuchten und Dioden nichts gesehen hat."
Der Besuch habe vermutlich 2005 stattgefunden, meinte Mewes. Zu diesem Zeitpunkt erfasste der BND gemeinsam mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) in Frankfurt den gesamten kabelgestützten Fernmeldeverkehr in Ländern des Mittleren Ostens. Die bis 2007 fortgeführte Operation fand unter dem Decknamen "Eikonal" statt. Beim Besuch des Mannes aus dem Kanzleramt und seiner Begleiter war davon allerdings mit keinem Wort die Rede. Die Gastgeber erweckten den Eindruck, sie seien in Frankfurt allein mit rechtlich einwandfreien G10-Überwachungen beschäftigt.
Hätte er damals gewusst, dass in Wahrheit ausländische Routineverkehre erfasst und ausgewertet wurden, und dies unter dem Vorwand einer G10-Genehmigung, hätte er "gewisse Bedenken gehabt", sagte Mewes: "Das wäre ja letzlich auf einen gewissen Missbrauch der G10-Kommision hinausgelaufen."
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