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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 18. April 2016)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung-
„Deutschland agiert in Teilen selbst wie eine Steueroase.“ Dies erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Lisa Paus, in einem Interview der Wochenzeitung „Das Parlament“ über die „Panama Papers“. Mit etwa der Hälfte der Staaten der Welt gebe es keinen automatischen Informationsaustausch, sagte Paus. Anlegern aus diesen Ländern biete Deutschland, „was eine gut funktionierende Steueroase braucht: Einen sicheren Finanzplatz, gute Investitionsmöglichkeiten, Steuerfreiheit und Diskretion“. Fast alle im arabischen Frühling gestürzten Machthaber hätten Konten in Deutschland unterhalten. Paus wies darauf hin, dass das Volumen der Geldwäsche in Deutschland auf 50 Milliarden geschätzt werde, und merkte an: „Das Problem ist natürlich auch, dass das zu waschende Geld auch aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel stammt. Deutschland fördert durch sein Wegsehen bei der Geldwäsche auch die internationale Kriminalität.“
Paus forderte einen Informationsaustausch in Steuerfragen mit möglichst vielen Ländern. Bei Anlegern aus Staaten, mit denen dies nicht möglich sei solle Deutschland eine Quellensteuer auf die Zinsen einbehalten. „Das würde den Anreiz von Deutschland als Steueroase sehr reduzieren“, bemerkte Paus.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Paus, wie groß ist der Schaden, der durch illegale Transaktionen über Briefkastenfirmen entsteht?
Das kann man schlecht beziffern. Briefkastenfirmen dienen ja gerade dazu, Geld zu verstecken. Das „Tax Justice Network“ schätzte aber, dass im Jahr 2010 zwischen 20 und 30 Billionen US-Dollar in Offshore-Ländern angelegt waren.
Sind denn Briefkastenfirmen prinzipiell illegitim?
Sie sind jedenfalls bisher legal. Aber selbst hochkarätigen Wirtschaftsexperten fallen nach tagelangen Nachdenken nur sehr abstruse Beispiele für legale Zwecke ein. Ein Wirtschaftsprofessor nannte vor einigen Tagen den konstruierten Fall eines Unternehmens, das jüdische und palästinensische Kunden habe, die nichts voneinander wissen sollten. Diese an den Haaren herbeigezogenen Beispiele zeigen doch, dass Briefkastenfirmen vor allem dazu dienen, Geld zu verstecken.
Gäbe es Wege, bei diesen Geschäften die Spreu vom Weizen zu trennen?
Wir brauchen zwingend mehr Transparenz. Ermittlungen mit dem Ziel, wer hinter den Konten wirklich steht und warum sie das Geld in der Briefkastenfirma haben beziehungsweise wohin sie es von dort überweisen und was sie damit tun, müssen zukünftig einfacher möglich sein. Die Bundesregierung hat hier geschlafen. Zwar können wir Panama kaum vorschreiben, welche Firmengründungen es zulässt und welche nicht. Aber zu Transparenz und zur Teilnahme am automatischen Informationsaustausch muss das Land über politischen Druck gedrängt werden.
Und was, wenn das nichts fruchtet?
Solange keine Transparenz herrscht, sollten wir unseren Banken Geschäfte mit solchen Firmen untersagen, deren wirtschaftlich Begünstigte nicht klar identifiziert sind. Und wir müssen Investitionen, die von Briefkastenfirmen in der EU oder in Deutschland getätigt werden, deutlich erschweren. Auch damit machen wir Briefkastenfirmen unattraktiv.
Justizminister Maas bereitet ein Gesetz vor, das Transparenz in derartige Anlagen bringen soll. Ist das in Ihrem Sinn?
Wir Grünen haben das Transparenzregister seit Jahren gefordert. Dass es jetzt beschlossene Sache ist, ist aber einzig dem EU-Parlament zu verdanken. Die deutsche Bundesregierung hat jahrelang versucht, das Register auf EU-Ebene zu verhindern. Der Entwurf zum Transparenzregister von Heiko Maas ist an sich natürlich begrüßenswert, in der Sache aber ziemlich dürftig. Zum einen sollen darin nur diejenigen aufgeführt werden, die mehr als 25 Prozent einer Firma halten. Wer nur 24 Prozent hält, bleibt unsichtbar. Außerdem sind darin sechs verschiedene Register vorgesehen – das ist sehr unübersichtlich. Und zum dritten soll das Transparenzregister nicht öffentlich sein. Warum soll eine Firma in Portugal, die mit einer Firma in Deutschland Geschäfte machen will, nicht nachsehen können, wer dahinter steht? So ist es eine Transparenz nur für Auserwählte.
Wurde bisher bei der Bekämpfung illegaler Geldgeschäfte geschlampt?
Deutschland hat sich in den letzten Jahren nicht damit hervorgetan, Druck auf Drittstaaten auszuüben. Es hat beispielsweise keinen anderen Staat wegen mangelnder steuerlicher Kooperation angezeigt, auch nicht Panama – wie es Deutschland eigentlich seit dem Gesetz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung von 2009 tun müsste. Andere EU-Staaten haben an die 30 Staaten angezeigt. Deutschland hat kein Gesetz erlassen, das Sanktionen für Bankberater verhängt, die Geschäfte mit Firmen in Offshore-Steueroasen vermitteln. Außerdem gibt es keine schlagkräftige Behörde, die bei verdächtigen Finanzbewegungen ermitteln kann. Die Schäuble unterstellte Bafin darf wenig und ist personell schlecht ausgestattet.
Sie sagen, dass wir keinen Grund hätten, mit dem Finger auf Länder wie Panama zu zeigen.
Deutschland agiert in Teilen selbst wie eine Steueroase. Das gilt für Anleger aus all jenen Ländern, mit denen wir keinen automatischen Informationsaustausch haben – das sind fast die Hälfte der Staaten auf diesen Planeten. Die Regierung hat vor wenigen Wochen auf meine Anfrage erstaunlich offen geantwortet, sie wüsste nicht, wie viel Geldeinlagen oder Wertpapiere Steuerausländer in Deutschland auf Konten liegen hätten. Auch nicht, wie viel Zinsen bei Geldanlagen anfielen und ob diese in den Heimatländern versteuert würden.
Ist Deutschland denn wirklich eine Steueroase und ein Geldwäscheparadies?
Im arabischen Frühling kam heraus, dass fast alle gestürzten Machthaber Konten in Deutschland hatten. Denn Deutschland bot für sie, was eine gut funktionierende Steueroase braucht: Einen sicheren Finanzplatz, gute Investitionsmöglichkeiten, Steuerfreiheit und Diskretion. Wir sind nur für Anleger aus der EU oder aus den USA keine Steueroase. Bei Bürgern aus diesen Staaten wird an das Heimatland gemeldet, wie viel Geld sie hier einliegen haben. Und die Behörden dort können einschreiten, wenn der Anleger dafür keine Steuern zahlt oder was auch immer die dortigen Gesetze vorschreiben. Genau das passiert bei den Anlegern aus Staaten ohne Informationsaustausch aber nicht. Damit enthalten wir gerade diesen Ländern – meist Entwicklungsländern – Steuern vor, die diese dringend bräuchten.
Um welche Dimension geht es dabei?
Es wird geschätzt, dass die Geldwäsche hierzulande ein Volumen von 50 Milliarden Euro ausmacht. Deutschland wurde 2010 von der Financial Action Task Force der OECD wegen laxer Geldwäschestandards gerügt und 2014 beinahe zum Risikostaat hochgestuft. Da Deutschland ein attraktiver Finanzplatz ist, lässt sich das Geld vom deutschen Konto aus gut in Immobilien oder Firmen investieren. So kann es gewaschen werden. Das Problem ist natürlich auch, dass das zu waschende Geld auch aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel stammt. Deutschland fördert durch sein Wegsehen bei der Geldwäsche auch die internationale Kriminalität.
Die Bundesregierung hat vor wenigen Wochen auf Ihre Kleine Anfrage geantwortet, die Besteuerung solle vorzugsweise dort erfolgen, wo der Anleger ansässig ist. Ist da nicht was dran?
Prinzipiell halte ich das für richtig. Deshalb brauchen wir idealerweise mit allen Ländern dieser Erde Informationsaustausch in Steuerfragen. Wenn die Heimatländer besteuern sollen, dann müssen sie auch die entsprechenden Informationen haben. Aber es gibt eben Länder, die können weder Steuern einziehen noch Informationen sicher verwahren. In diesem Fall sollte Deutschland eine Quellensteuer auf die Zinsen dieser Steuerausländer einbehalten, damit zumindest eine einmalige Besteuerung gesichert ist. Das würde den Anreiz von Deutschland als Steueroase sehr reduzieren.
Wie finden Sie die Feststellung des Finanzministeriums in dieser Antwort, die Nichtbesteuerung von Zinszahlungen, die ins Ausland gehen, solle „den Finanzplatz Deutschland stärken“?
Ich finde das bemerkenswert – bemerkenswert dreist. Denn genau so hat die Schweiz vor einigen Jahren reagiert, als man sie drängte, das Bankgeheimnis aufzugeben: „Das würde den Finanzplatz Schweiz schwächen.“ Damals wollte Finanzminister Steinbrück die Kavallerie ausrücken lassen. Diesen Satz hat sein Nachfolger Schäuble jetzt in Bezug auf Panama aufgegriffen. Dabei muss er gar nicht nach Panama. Damit die deutsche Regierung glaubwürdig ist beim Kampf gegen Steuerbetrug, muss sie vor allem vor der eigenen Haustür kehren.
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