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Auf Marktmechanismen allein könne man sich nicht verlassen, da waren sich die geladenen Sachverständigen beim öffentlichen Expertengespräch des Unterausschusses für zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln des Auswärtigen Ausschusses einig. Im Rahmen des Gesprächs, das am Montag, 18. Mai 2015 zum Thema „Einfluss von wirtschaftlichen Aktivitäten auf Krisen und Konflikte - Beitrag der Wirtschaft zur Krisenprävention und Friedenskonsolidierung“ stattfand, betonten die Experten die Notwendigkeit verbindlicher Vorgaben durch die Politik an Wirtschaft und Unternehmen.
Nach der Gesprächseröffnung durch den stellvertretenden Unterausschussvorsitzenden Michael Vietz (CDU/CSU) stellte Dr. Melanie Coni-Zimmer von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung aus Frankfurt am Main fest, dass wirtschaftliche Aktivitäten insbesondere in Krisenregionen einen positiven Beitrag zur Krisenprävention leisten können, da sie ein Grundpfeiler für Wohlstand seien. Jedoch sollten an wirtschaftliche Aktivitäten und an die dafür verantwortlichen Unternehmen keine überhöhten Erwartungen geknüpft werden.
In erster Linie würden die Unternehmen auch in Krisengebieten ökonomisch agieren und die Verantwortung für Krisenprävention und Friedenskonsolidierung in staatlichen Händen sehen. Coni-Zimmer forderte die Unternehmen jedoch auf, ihre Aktivitäten in Krisengebieten konfliktsensibel auszugestalten und das Bewusstsein sowohl für negative als auch für positive Auswirkungen auf etwaige Konfliktumfelder zu schärfen. Entsprechende Standards gebe es genug. Deren Implementierung durch die Unternehmen müsse jedoch verbessert werden. An die Politik gerichtet sagte Coni-Zimmer, dass diese ihre Erwartungen an die Unternehmen in Sachen ziviler Krisenprävention stärker und klarer formulieren müsse.
Lena Guesnet vom Bonn International Center for Conversion legte in ihren Ausführungen den Schwerpunkt auf den Zusammenhang zwischen Rohstoffvorkommen und damit einhergehenden Konflikten in den entsprechenden Regionen. Zwar sei Rohstoffreichtum per se nicht zwangsläufig die direkte und auch nie Einzelursache für lokale Konflikte. Gleichwohl müsse man zur Kenntnis nehmen, dass es auffallende Verbindungen gebe. So entstünden beispielsweise Konflikte um die Verteilung der Erlöse aus Rohstoffvorkommen, oder die Erlöse würden direkt zur Finanzierung von bewaffneten Konflikten auf anderer Ebene eingesetzt.
Als wichtigen und richtigen Schritt, den Zusammenhang zwischen Rohstoffvorkommen und Konflikten zu durchbrechen, bezeichnete Lena Guesnet die noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche EU-Richtlinie zu Konfliktrohstoffen. Diese sieht die Schaffung eines EU-Systems zur freiwilligen Selbstzertifizierung von Importeuren von Mineralien aus Konfliktgebieten vor. Dieser Ansatz ermögliche eine Lösung für die Eindämmung der Finanzierung von bewaffneten Konflikten, so Guesnet weiter. Allerdings müsse die Richtlinie statt auf Freiwilligkeit auf Verbindlichkeit gegenüber den betreffenden Unternehmen setzen.
Die beabsichtigte Beschränkung auf die Rohstoffe Gold, Wolfram, Zinn und Tantal müsse mindestens um die Möglichkeit einer Erweiterung auf andere Rohstoffe ergänzt werden. Schlussendlich müsse auch die gesamte Lieferkette berücksichtigt werden. Ziel müsse es sein, eine Nachfrage nach konfliktfreien Rohstoffen zuzulassen und einen entsprechenden Markt entstehen zu lassen.
Sarah Lincoln von der Organisation Brot für die Welt lenkte den Fokus auf die mangelnden Kenntnisse der in Konfliktgebieten tätigen Unternehmen über lokale Gegebenheiten, die mitunter an Beratungsresistenz grenzten. Zur Verdeutlichung brachte sie ein Beispiel eines europäischen Unternehmens, das in der Demokratischen Republik Kongo forstwirtschaftlich tätig war. Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit den Beschäftigten schaltete das Unternehmen wiederholt die örtliche Polizei ein, obwohl von Experten darauf hingewiesen wurde, dass das den Konflikt mit den Arbeitern womöglich verschärfen könnte. Im Zuge des Polizeieinsatzes kam es dann auch zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Gewaltexzessen durch die Polizisten.
Die Unternehmen müssten für die lokalen Besonderheiten im Ausland besonders sensibilisiert werden. Hier sah Lincoln auch die Heimatländer der Unternehmen in der Pflicht. Diese müssten den Unternehmen klare Vorgaben für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten vor Ort machen. So werde beispielsweise in Frankreich gerade ein entsprechendes Gesetz geschaffen.
Die Vorgaben müssten verbindlich sein und entsprechende Sorgfalts- und Unterrichtspflichten für die Unternehmen statuieren. Bisherige Ansätze wie der Aktionsplan Zivile Krisenprävention seien zwar begrüßenswert, setzten aber vorwiegend auf eine freiwillige Beteiligung der Unternehmen. Dies werde selten umgesetzt.
Prof. Dr. Ulrich Brand von der Universität Wien plädierte dafür, den Begriff der Wirtschaft auch aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Als Wirtschaft seien nicht nur Wirtschaftsunternehmen zu betrachten, sondern auch die ökonomischen Verhältnisse vor Ort. Unter diesem Gesichtspunkt könne es auch ein Beitrag der Wirtschaft zur Krisenprävention sein, wenn man lokal (vom Kapitalismus) abweichende Wirtschaftsformen anerkennt.
Die Förderung der lokalen Wirtschaft in Krisenregionen sei ebenfalls ein entscheidender Faktor für die Präventionsarbeit. Hierzu gehöre auch die Möglichkeit, vorrangig mit einheimische Produzenten zu kooperieren. Letztendlich könne auch die heimische, westliche Wirtschaft einen entscheidenden Beitrag zur Krisenprävention leisten, indem der Umbau des hiesigen Wirtschaftssystems auf ein postfossiles, postnukleares System entschieden vorangetrieben wird.
Thorsten Frei (CDU/CSU) richtete an die Experten die Frage, welche Angebote der Politik an die Wirtschaft im Zusammenhang mit ziviler Krisenprävention sinnvoll seien. Seien die Vorgaben an die Unternehmen zu undeutlich? Müsse es eher Beratungsangebote geben oder eher konkrete, verbindliche Vorgaben? Unter den Sachverständigen bestand Einigkeit, dass Beratungsangebote zwar begrüßenswert seien, jedoch Zweifel daran bestünden, ob diese zielführend seien. Sarah Lincoln berichtete von ihrer Erfahrung, dass die Unternehmen sich in der Regel erst bewegen würden, wenn entsprechende Verpflichtungen bestünden.
Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) sah dies ähnlich und konstatierte, die Unternehmen wüssten in der Regel, was sie tun. Er habe Zweifel, ob es seitens der Unternehmen wirklich so viel Unkenntnis über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten in Konfliktregionen gebe. Vielmehr würde die Abwägung zwischen Profit und Krisenprävention oftmals pro Profit ausfallen. Hier auf Freiwilligkeit zu setzen, sei ein mehr als fraglicher Ansatz.
Die Abgeordnete Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) wollte abschließend von den Sachverständigen wissen, welche Konsequenzen ein Unternehmen aus ihrer Sicht ziehen müsste, wenn die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Geschäftspartners mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen. Nach Ansicht von Melanie Coni-Zimmer sollte zunächst das Gespräch darüber gesucht werden. Darüber hinaus solle jedes Unternehmen für sich „rote Linien“ definieren, deren Überschreiten nicht geduldet werde. Schlussendlich könne man aber keine Vorschriften zum positiven Engagement für Frieden und Sicherheit erlassen. Man könne Wirtschaft und Unternehmen lediglich dazu ermutigen. (eb/19.05.2015)