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Die Arbeit der Spionageabwehr seitens des Verfassungsschutzes ist Thema im Untersuchungsausschuss. © pa/chromorange
Wie hat die deutsche Spionageabwehr auf die Enthüllungen des US-Geheimdienstdissidenten Edward Snowden reagiert? Sind deutsche Sicherheitsbehörden in den völkerrechtlich fragwürdigen Drohnenkrieg der USA verstrickt? Der 1. Untersuchungsausschuss (NSA) wird in seiner nächsten Sitzung die Bemühungen fortsetzen, Antworten auf diese beiden Fragen zu finden. Dazu sind für Donnerstag, 2. Juni 2016, drei weitere Zeugen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geladen. Die öffentliche Vernehmung unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) beginnt um 11.30 Uhr im Europasaal 4.900 des Berliner Paul Löbe-Hauses.
Die Wirkung der Snowden-Affäre auf die zuständigen Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik wollen die Abgeordneten mit Dr. Burkhard Even erörtern, Leiter der Spionageabwehr (Abteilung 6) beim Verfassungsschutz. Dort war im Sommer 2013 eine 19-köpfige „Sonderauswertungsgruppe“ gebildet worden, um die Mitteilungen Snowdens über Schnüffelaktivitäten der amerikanischen National Security Agency (NSA) gegen deutsche und europäische Ziele auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Dies schien nicht zuletzt deshalb geboten, um dem akuten Informationsbedarf der Öffentlichkeit, vor allem des Bundestages, entgegenzukommen.
In seiner vorigen Sitzung am 12. Mai hatte der Ausschuss den damaligen Leiter der Sonderauswertungsgruppe Frank Wingerath vernommen, aus dessen Darstellung sich der Eindruck ergab, dass der Verfassungsschutz in der Snowden-Affäre nicht viel mehr ausrichten konnte als den „häppchenweise“ an die Öffentlichkeit gelangenden Medienberichten hinterher zu recherchieren. „Unser Informationsstand war sehr gering“, hatte der Zeuge eingeräumt. „Zu unserem Leidwesen waren wir nicht in der Lage, die Dinge auf Authentizität zu überprüfen.“ Ein großes Problem für die Sonderauswerter sei gewesen, dass ihnen die Originale der Snowden-Dokumente nicht zur Verfügung standen.
Im Frühjahr 2015 beendete die Sonderauswertungsgruppe ihre Tätigkeit mit einem Abschlussbericht, über den sich Wingerath in öffentlicher Sitzung nicht äußern wollte. Er gab freilich zu verstehen, dass der Ertrag gering war. Für die Richtigkeit der Behauptungen Snowdens hätten sich „keine Beweise im eigentlichen Sinne“ ergeben. Namentlich habe der Verfassungsschutz aus eigenen Erkenntnissen nicht bestätigen können, dass die NSA deutsche Ziele „mit Mitteln der technischen Aufklärung“ massenhaft ausgespäht habe.
Das Drohnenthema soll am Donnerstag in der Vernehmung von Dr. Dieter Romann zur Sprache kommen. Romann ist seit 2012 Präsident der Bundespolizei. Von Interesse für den Ausschuss ist er indes in seiner vorherigen Funktion als Referatsleiter im Bundesinnenministerium, zuständig für Terrorismusbekämpfung. In dieser Eigenschaft hatte er am 24. November 2010 einen Erlass unterzeichnet, in dem der Verfassungsschutz angewiesen wurde, bei der Weitergabe von Daten an US-Geheimdienste darauf zu achten, dass die Informationen nicht genutzt werden konnten, um Personen zu lokalisieren.
Zuvor war am 4. Oktober 2010 der deutsche Staatsbürger Bünyamin Erdoğan als radikalislamischer Kämpfer einer Drohnenattacke im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zum Opfer gefallen. Namentlich Vertreter der Opposition im Ausschuss argwöhnen, dass deutsche Behörden möglicherweise unbeabsichtigt dazu den entscheidenden Hinweis geliefert haben könnten, und dass das Innenministerium mit dem von Romann unterzeichneten Erlass die Konsequenz gezogen habe, um ein weiteres derart peinliches Vorkommnis zu verhüten.
Zum selben Thema wollen die Abgeordneten nach der Befragung Romanns den Zeugen Henrik Isselburg hören, Referatsleiter in der für die Bekämpfung radikalislamischer Bestrebungen zuständigen Abteilung 6 im Bundesamt für Verfassungsschutz. Isselburg hatte mit einer Anfrage ans Innenministerium den Anlass zu der von Romann unterzeichneten Verfügung geliefert, nachdem zuvor in der Abteilung 6 eine Bitte aus den USA um Weitergabe einer Liste von Mobilfunkdaten verdächtiger Personen eingegangen war.
In der vorigen Ausschusssitzung hatte ein Kollege Isselburgs, der Zeuge Wilhelm Dettmer die Umstände geschildert, die zu der Anfrage geführt hatten. Der Tod Erdoğans hatte eine Kontroverse ausgelöst. Daher habe sich der Verfassungsschutz rückversichern wollen. Der Romann-Erlass habe sich auf die Praxis des Datenaustauschs aber nicht ausgewirkt, da die Zuständigen davon ausgegangenen seien, dass Mobilfunkdaten allein nicht ausreichen, um Personen als Drohnenziele zu markieren. (wid/24.05.2016)
Zeit: Donnerstag, 2. Juni 2016, 11.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900
Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (Telefon: 030/227- 39217, Fax: 030/227- 30084, E-Mail: 1.untersuchungsausschuss
@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden. Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden. Wegen des teilweise großen öffentlichen Interesses kann die Anmeldung grundsätzlich nicht bestätigt werden. Ein Rede- und Fragerecht besteht nicht.