Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die gemeinsame Sprache zu sprechen, heißt nicht nur sprichwörtlich sich zu verstehen. Deutschland und Russland fanden diesen gemeinsamen Nenner in den vergangenen Wochen nicht. Die Krim-Krise verschärfte den Ton zwischen beiden Ländern. Am 6. Juni startet nun das Jahr der Deutschen Sprache und Literatur in Russland – ein Austausch zwischen den Völkern in schwieriger Lage. Dies machten die Abgeordneten des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Ausschusses am Montag, 7. April 2014, in einem Gespräch mit dem russischen Botschafter Wladimir Grinin deutlich.
Derzeit lernen hierzulande rund 160.000 Menschen russisch, in Russland rund zwei Millionen Bürger deutsch. Der russische Botschafter Grinin wies darauf hin, dass die Kultur in der Beziehung zweier Völker primäre Relevanz habe. Denn nur gegenseitiges Erkunden führe zu Verständnis und bringe im Ergebnis eine internationale Verflechtung. "Dieses Erkunden soll jedoch von Toleranz begleitet sein", machte Grinin deutlich. Dabei sei die Sprache der Schlüssel zur Verständigung.
Gerade unter dem Aspekt der enormen Bedeutung der Sprache zeigte sich der Botschafter weniger erfreut, dass in Deutschland die Tendenz russisch zu lernen sinke. "Zwar ist das Angebot in Russland deutsch zu lernen auch zurückgegangen, aber deutsch liegt hinter englisch noch immer auf Platz zwei", so Grinin. Deshalb fordert der Botschafter: Die russische Sprache solle an deutschen Schulen flächendeckend als Wahlfach eingeführt werden.
Zahlreiche Veranstaltungen im kommenden Jahr in Russland, aber auch 2014/2015 in Deutschland, sollen für die jeweils andere Sprache werben - vor allem bei jungen Leuten. So organisiert unter anderem das Goethe-Institut Workshops, Seminare und andere Projekte, um Russland ein "modernes Deutschland" zu präsentieren.
Das direkte Gespräch müsse man auch in schwierigen Zeiten suchen, sagte Michelle Müntefering (SPD) in der Sitzung des Ausschusses. Die Situation in der Ukraine sei derzeit allgegenwärtig. Kultur sei deshalb die sanfte Macht der Außenpolitik. Ulla Schmidt (SPD) wandte sich direkt an den Botschafter Russlands mit der Bitte, ihre Sorgen mitzunehmen: "Als wir dieses Jahr der Sprache geplant haben, waren wir uns nähergekommen, Russland und Deutschland hatten Verständnis füreinander. An all dem haben wir jetzt Zweifel."
Auch Dr. Diether Dehm (Die Linke) rückte die Sorgen in der derzeitigen Lage in den Mittelpunkt. Der Dialog habe jedoch eine zentrale Bedeutung, man dürfe die Stränge des Gespräches nicht abreißen lassen – "unbenommen, dass wir nicht verleugnen, in welchen Zeiten wir uns befinden", so Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen). Man dürfe nicht das Trennende suchen, sondern das Verbindende, forderte Philipp Mißfelder (CDU/CSU) auf. Natürlich verfolge man die Lage in der Ukraine jedoch tagtäglich sehr genau.
Auch der kulturelle Austausch ändere nichts daran, dass man den diplomatischen Dialog nicht abreißen lassen darf, da waren sich die Abgeordneten einig. "Wenn Diplomatie in Schwierigkeiten ist, versucht man mit dem Mittel der Kultur wie ein Eisbrecher die Dinge ins Positive zu lenken", so der Vorsitzende des Unterausschusses Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU). Das Jahr der Sprache ist so auch für Deutschland und Russland ein Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen. (ldi/07.04.2014)