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Er ist und bleibt der größte Einzelposten des Bundeshaushalts, auch im kommenden Jahr: Am Donnerstag, 27. November 2014, berieten die Abgeordneten des Bundestages den Einzelplan 11, den Haushalt des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales (18/2000, 18/2002, 18/2811, 18/2823, 18/2824, 18/2825) und einen Änderungsantrag der Linken (18/3305), in dem die Fraktion forderte, die Mittel für das Arbeitslosengeld II um 9,7 Milliarden Euro aufzustocken. Während der Einzelplan vom Bundestag verabschiedet wurde, fand der Antrag der Linken keine Mehrheit.
Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sieht insgesamt Ausgaben von 125,55 Milliarden Euro (2014: 121, 98 Milliarden Euro) vor. Gegenüber dem Regierungsentwurf sind das noch einmal rund 700 Millionen Euro mehr, die im Wesentlichen auf deutliche Steigerung der Ausgaben beim Arbeitslosengeld II (plus 900 Millionen Euro) und bei der Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung (plus 300 Millionen Euro) zurückzuführen sind. Im Gegenzug werden die Zuschüsse des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung wegen der Absenkung des Rentenbeitrags um rund 500 Millionen Euro gekürzt.
Den größten Posten machen dennoch traditionell Leistungen an die Rentenversicherung aus. Diese belaufen sich auf rund 84 Milliarden Euro (2014: 82,96 Milliarden Euro). Für die Beteiligung an den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gibt der Bund rund sechs Milliarden Euro (2014: 5,45 Milliarden Euro) aus. Für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind rund 32 Milliarden Euro (2014: 31,06 Milliarden Euro) eingeplant. Davon entfallen rund 20 Milliarden Euro auf das Arbeitslosengeld II.
Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, lobte den Etat als Teil eines Gesamthaushaltes, der ohne Schulden auskomme. All dies sei nur wegen der guten Beschäftigungssituation in Deutschland möglich. Es müsse die zentrale Aufgabe bleiben, dieses hohe Niveau zu halten, betonte sie. Deshalb sei es nötig, die Sicherung der Fachkräfte voranzubringen und die Integration von Langzeitarbeitslosen und von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern.
Denn die "Erfolgsgeschichte des Arbeitsmarktes" sei leider keine der Langzeitarbeitslosen. Auch könne es nicht sein, dass sich 37 Prozent der Betriebe vor Fachkräftemangel fürchten, gleichzeitig aber rund 180.000 schwerbehinderte, gut qualifizierte Menschen einen Arbeitsplatz suchen. „Da passt was nicht zusammen“, sagte Nahles.
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Regierung in Sachen Rentenpolitik Verantwortungslosigkeit vor. „Sie wollen vergessen machen, dass dem größten Zweig der Sozialversicherungen, der Rentenversicherung, in Zukunft großes Ungemach droht“, beklagte er.
Die Finanzen der Rentenversicherung würden sich wegen des Rentenpakets ab heute nur noch in eine Richtung bewegen, nämlich nach unten. Kurth warf der Regierung vor, die schwarze Null durch die Verschiebung der Lasten auf die Zukunft zu finanzieren. Die Rente mit 63 habe zudem dazu geführt, dass eine sachliche Diskussion über flexible Rentenübergänge kaum mehr möglich ist.
„Was Sie hier beschreiben, hat mit dem, was wir machen und mit der Realität im Land nichts zu tun“, warf Ewald Schurer (SPD) daraufhin dem Grünen-Abgeordneten vor. „Wir machen berechenbare Haushaltspolitik“, verteidigte Schurer den Haushaltsplan der Bundesregierung. Die Refinanzierung der Rentenversicherung hänge von der Produktivität unserer Volkswirtschaft ab und da seien in den nächsten zehn Jahren oder länger die Aussichten sehr gut.
Schurer nutzte seine Rede zur Kritik an den Wirtschaftsweisen, die sich zuletzt ebenfalls kritisch zu den jüngsten Sozialreformen der Bundesregierung und deren konjunkturellen Auswirkungen geäußert hatten. „Ich will Sachverständige, die ich ernst nehmen kann und die die Dinge sauber herleiten anstatt mit esoterischen Versatzstücken zu argumentieren“, sagte Schurer.
Sabine Zimmermann (Die Linke) rechnete der Bundesregierung die Bilanz der Hartz-Reformen aus ihrer Sicht vor: So gebe es laut Statistischem Bundesamt 2,5 Millionen Zweitjobber, fünf Millionen Minijobber und fast zwei Millionen Kinder in Armut. „Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis“, appellierte die Linke-Abgeordnete.
Sie warf der Regierung vor, für eine bessere Arbeitsmarktpolitik „keinen Cent zusätzlich“ in die Hand nehmen zu wollen. „Stattdessen feiern Sie hier zwei Schmalspurprogramme für 43.000 Menschen“, sagte Zimmermann. An der Tatsache, dass seit 2010 die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik um 40 Prozent gesunken seien, ändere das nichts.
„Sie verdrehen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes so, dass eine ständige Katastrophe daraus wird“, warf Karl Schiewerling (CDU/CSU) der Linke-Abgeordneten vor. Doch der Eindruck, wir würden hier in blankem Elend leben, widerspreche vollkommen der Realität. In zehn Jahren habe sich Deutschland vom kranken Mann Europas zu dessen Lokomotive entwickelt, und daran hätten die Hartz-Reformen mit einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes einen entscheidenden Anteil, so Schiewerling.
Doch ein flexibler Arbeitsmarkt sei nicht um jeden Preis zu haben. Nicht zuletzt die Aufnahme vieler Branchen ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz habe den Auswüchsen einen Riegel vorgeschoben. „Wir wollen keine Dumpinglöhne, diese Verwerfungen wollen wir nicht“, betonte Schiewerling und lobte in diesem Zusammenhang die Einführung des bundesweiten Mindestlohns. (che/27.11.2014)