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Der Bundestag hat den Weg für das sogenannte Asylpaket II der schwarz-roten Regierungskoalition frei gemacht. In namentlicher Abstimmung votierten am Donnerstag, 25. Februar 2016, 429 Abgeordnete für den entsprechenden Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion „zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ (18/7538, 18/7645, 18/7685). Dagegen stimmten 147 Parlamentarier, vier enthielten sich.
Danach können bestimmte Asylbewerber wie etwa Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht und ihre Verfahren innerhalb von drei Wochen durchgeführt werden. Für die Dauer des Verfahrens und im Fall einer Einstellung oder Ablehnung auch bis zur Ausreise oder Rückführung wird ihr Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde begrenzt, in dem die zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt.
Ferner werden „Abschiebungshindernisse aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen“ abgebaut. Grundsätzlich können nur „lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers“ verhindern. Darüber hinaus wird der Familiennachzug zu subsidiär, also eingeschränkt Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt. In einer namentlichen Abstimmung zu dieser Regelung (Artikel 2 Nummer 4 des Gesetzes) hatten in zweiter Lesung 427 Abgeordnete dafür gestimmt, 146 waren bei sieben Enthaltungen dagegen.
Ein Entschließungsantrag der Grünen (18/7674) zum Asylpaket II, zügige, qualifizierte und faire Asylverfahren sicherzustellen, wurde mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. Gegen die Stimmen der Opposition verabschiedete der Bundestag zudem einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern (18/7537) in modifizierter Fassung (18/7646, 18/7686). Ziel des Gesetzentwurfs ist es zudem, Asylsuchenden, die Straftaten begehen, konsequenter die rechtliche Anerkennung als Flüchtling zu versagen.
Gegen das Votum der Opposition scheiterten die Grünen mit einem Antrag, besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften besser zu schützen (18/6646, 18/7697).
In der Debatte bezeichnete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Ole Schröder (CDU), die Flüchtlingskrise als „eine der größten humanitären Herausforderungen der Nachkriegszeit“. Von dem vorliegenden Gesetzespaket gingen fünf Signale aus. So solle es Schutz und Hilfe nur für diejenigen geben, die dies wirklich brauchen, und eine schnellere Rückführung von Menschen, die „in Wahrheit aus anderen Gründen nach Deutschland kommen“.
Ferner gehörten dazu ein härterer Umgang mit Flüchtlingen, die im Asylverfahren nicht mitwirken, und eine schnellere Ausweisung ausländischer Straftäter. Das fünfte Signal sei, dass „eine Gesellschaft, die hilft, (…) ein zwingendes Interesse daran“ habe, „die eigene Fähigkeit zur Hilfe und zur Integration zu erhalten“, betonte Schröder. Zu den Einschränkungen beim Familiennachzug sagte er, diese Entscheidung habe sich die Koalition nicht einfach gemacht. Sie sei aber „dringend erforderlich“.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz (SPD), nannte es wichtig, dass die Asylverfahren endlich beschleunigt würden. „Wenn die SPD heute nicht mitregieren würde, hätten wir Transitzonen mit Haftanstalten an unseren Grenzen und eine allgemeine Einschränkung des Familiennachzugs“, fügte sie hinzu.
Von den nun vorgesehenen Einschränkungen beim Familiennachzug sei nur eine kleine Gruppe mit ungesichertem Aufenthalt betroffen. Auch trete die Regelung nach zwei Jahren wieder außer Kraft. Zudem seien Ausnahmen für Härtefälle weiterhin möglich.
Für Die Linke nannte ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Jan Korte die Gesetzesvorlagen ein „Anti-Asylpaket“. Neben beschleunigten Verfahren in speziellen Aufnahmeeinrichtungen sehe es Abschiebungen auch von traumatisierten Menschen vor sowie die „Behinderung des Familiennachzugs auch bei Minderjährigen“. Die Folge werde sein, „dass sich Frauen, Kinder und Männer wieder über das Mittelmeer auf den Weg machen werden“.
Seit September seien bereits 340 Kinder im Mittelmeer ertrunken, fügte Korte hinzu und warnte davor, dies noch zu befördern. Deutschland und Europa stünden an einem Scheideweg. Die Kernfrage dabei sei, ob man „den Weg Ungarns“ oder „den Weg von Solidarität – Nächstenliebe, wie die Christen sagen – und sozialem Aufbruch“ gehen wolle.
Auch die Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, warnte, dass infolge der Asylpolitik der Koalition wieder mehr Menschen „auf den Booten landen“ und sich in Lebensgefahr begeben. Die Koalition trenne Familien, liefere unbegleitete Minderjährige der „Behördenwillkür“ aus und bitte „Asylbewerber für Integrationskurse zur Kasse, die sie gar nicht besuchen können“.
Auch erleichtere sie Abschiebungen von Kranken, ermögliche Schnellverfahren, bei denen Flüchtlinge „nicht einmal in die Nähe eines Anwalts“ kämen, und gehe bei Ausweisungen nach dem Motto vor, erst auszuweisen und „dann fragen, wohin und ob das überhaupt funktioniert“. Das sei „nicht Maß und Mitte“, sondern „Chaos und Panik“.
Die CDU-Abgeordnete Nina Warken betonte dagegen, die Regelungen des Asylpakets II zeigten, dass der Gesetzgeber handlungsfähig sei und „den ungeregelten Zuzug in den Griff“ bekomme. Mit einem erneuten Maßnahmenbündel werde der Zustrom ins Land weiter verringert und dafür gesorgt, „dass diejenigen, die keine Berechtigung haben, bei uns zu bleiben, unser Land zügig wieder verlassen müssen“. Dabei ergreife man „zum Teil harte Maßnahmen“, die aber „fair und ausgewogen“ seien.
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) befürwortete das Asylpaket II ebenfalls. Der Gesetzentwurf gebe Hilfestellungen, die man auf Länderebene brauche. Er verwies zugleich darauf, dass sein Land im vergangenen Jahr die Zahl der Abschiebungen mehr als verdoppelt und die Zahl der freiwilligen Ausreisen um 150 Prozent erhöht habe. (sto/25.02.2016)