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Jörg Ziercke und Sebastian Edathy haben am Donnerstag, 15. Januar 2015, vor dem 2. Untersuchungsausschuss widersprüchliche Aussagen gemacht. Der frühere Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) bestritt vehement, Edathy über dessen SPD-Fraktionskollegen Michael Hartmann vor Ermittlungen gewarnt zu haben. Der unter Kinderporno-Verdacht stehende Ex-Abgeordnete wiederum bekräftigte seine Aussagen vom Dezember, die Ziercke belasten. Edathy zufolge hat ihn Hartmann laufend über den Fortgang der Ermittlungen informiert und Ziercke als seine Quelle benannt.
In der elfstündigen Ausschusssitzung sagte Ziercke als Zeuge aus, er habe Hartmann bei verschiedenen Anlässen getroffen, gelegentlich mit ihm telefoniert und sich einmal jährlich mit ihm zum Essen getroffen. Er habe dabei nie mit ihm über den Fall Edathy gesprochen und auch nicht über den zugrunde liegenden Ermittlungskomplex. Hartmann habe auch „niemals die rote Linie überschritten“, von ihm Informationen zu wollen, die preiszugeben eine Dienstpflichtverletzung bedeutet hätte.
Während Ziercke betonte, wie sehr er Hartmann wegen seiner Kompetenz und persönlichen Art geschätzt habe, sagte er über Edathy, er habe diesen in schlechter Erinnerung. Als Leiter des NSU-Untersuchungsausschusses in der letzten Legislaturperiode sei ihm dessen Arroganz und fehlende Bereitschaft, zuzuhören, aufgefallen. Er habe keine Veranlassung gehabt, „ausgerechnet diesen mir unsympathischen Menschen zu schützen“ und dafür sein Amt zu riskieren, indem er ihn über laufende Ermittlungen in Kenntnis setzt.
Anders als von Edathy im Dezember gegenüber der Presse und dem 2. Untersuchungsausschuss dargestellt, habe er auch nicht die SPD, deren Mitglied er ist, schützen wollen. Denn dies wäre, so Zierckes Argumentation, angesichts der ohnehin laufenden Ermittlungen nicht möglich gewesen.
In einem Fall habe die Information auch gar nicht vom BKA kommen können. Von dem Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover auf Aufhebung der Abgeordneten-Immunität Edathys, der dieser durch seine Mandatsniederlegung am 7. Februar 2014 unmittelbar zuvorgekommen war, habe das BKA nämlich erst später erfahren. Nach Zierckes Einschätzung hat Edathy auch keinen Informanten benötigt.
Spätestens seit den Presseveröffentlichungen über Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb, bei dem er bestellt hatte, im November 2013 habe er wissen können, was ihn erwartet. Aber auch schon zuvor war in einschlägigen Internet-Foren wiederholt über die von Kanada ausgehenden Ermittlungen berichtet worden.
Mit einer Aussage erschütterte Ziercke allerdings die Glaubwürdigkeit von Michael Hartmann. Dieser hatte im Dezember vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, Ziercke sei Gast auf seinem 50. Geburtstag gewesen, was dieser bestritt. Die Ausschussvorsitzende Dr. Eva Högl (SPD) warf hierzu ein, sie sei auf dem Fest gewesen und könne Zierckes Aussage bestätigen - was ihr von der Opposition den Vorwurf einbrachte, sie hätte das schon im Dezember bei der Aussage Hartmanns mitteilen müssen.
Eine Unstimmigkeit auf Seiten Zierckes ergab sich, als dieser nach einem Telefonat mit dem damaligen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann Mitte Oktober 2013 gefragt wurde. Bei seiner Anhörung vor dem Innenausschuss des Bundestages im Frühjahr 2014 hatte Ziercke dazu ausgesagt, Oppermann habe ihm dargestellt, was er über Ermittlungen gegen Edathy erfahren habe, und er, Ziercke, habe darauf mit „ich kommentiere das nicht“ geantwortet.
Nun, vor dem Untersuchungsausschuss, wollte Ziercke die Frage zunächst nicht beantworten mit der Begründung, er wolle sich keinen Vorwurf machen, wenn die Aussagen nicht wortwörtlich übereinstimmen. Von Högl darauf hingewiesen, dass er antworten müsse, bat Ziercke um Einsicht ins Protokoll des Innenausschusses. In einer kurzen nichtöffentlichen Beratung lehnte der Ausschuss das aber ab. Daraufhin sagte Ziercke aus, er habe damals auf Oppermanns Darstellung geantwortet, dass er diese nicht dementiere. Darauf hingewiesen, dass dies als Bestätigung verstanden werde, sagte Ziercke, dies sei ihm nicht bewusst gewesen.
Sebastian Edathy blieb anschließend, bei der Fortsetzung seiner im Dezember unterbrochenen Zeugenvernehmung, dabei: „Ich habe von keiner anderen Stelle, keiner anderen Person Informationen gehabt als von Michael Hartmann.“ Und Hartmann habe ihm mehrfach gesagt, dass seine Informationen von Ziercke stammten. Er könne zwar nicht ausschließen, dass ihn Hartmann hier angelogen hat. Doch es sei auffällig, dass Informationen durch Hartmann über einzelne Schritte der Staatsanwaltschaften immer erfolgten, kurz nachdem das BKA den Ermittlungsakten zufolge davon Kenntnis erlangt hatte.
Zu der Darstellung Hartmanns vor dem Untersuchungsausschuss im Dezember, er habe ein Alkoholproblem, bemerkte Edathy, sein Alkoholgebrauch sei „im Bundestagsvergleich eher unterdurchschnittlich“. Wenn das ein Kriterium sei, sei ein Großteil des Bundestages unglaubwürdig.
Anders als von Hartmann behauptet habe er mit diesem auch nie über Gesundheitsprobleme gesprochen. Im Übrigen wies Edathy den Vorwurf zurück, er habe über eine mögliche Einstellung seines Strafverfahrens vor dem Landgericht Verden gegen eine Geldauflage falsche Angaben gemacht, und legte ein Anwaltsschreiben vor, das seine Darstellung bestätigte.
Erstmals nannte Edathy einige Personen, die seine Aussagen stützen könnten. So habe sich Hartmann bei einem Bekannten im Landeskriminalamt Mainz nach dem Stand der Ermittlungen in dem kanadischen Kinderporno-Komplex erkundigt, was zeige, dass es ihm nicht nur um Edathys Gesundheitsprobleme gegangen sei. Weiterhin sagte Edathy, er habe drei vertraute Personen laufend darüber in Kenntnis gesetzt, was ihm Hartmann berichtet hatte. Er habe sich dies also nicht, wie von Hartmann dargestellt, nachträglich ausgedacht, um der SPD zu schaden.
Diese Einlassungen veranlassten den Untersuchungsausschuss, anschließend an die Zeugenvernehmung in nichtöffentlicher Sitzung über die Aufnahme neuer Zeugen zu beraten. Rechtzeitig vor der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses am 28. Januar wollen sich die Obleute der Fraktionen nun darauf verständigen, welche Zeugen als nächstes geladen werden, um vielleicht doch noch der Wahrheit näher zu kommen. (pst/16.01.2015)