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„Kreuzweg“-Ausstellung im Bundestag eröffnet


300 Tage Stellungskrieg, 60 Millionen Granaten, 450.000 Verwundete, 300.000 Tote auf einer Fläche von nur 26 Quadratkilometern. Das sind die erschreckenden Daten der Schlacht von Verdun 1916. Das Leid, das mit ihr verbunden war, machen diese Zahlen aber nicht begreifbar. Für das Einhundertjahrgedenken werden deswegen vielerorts neue Ausstellungskonzepte umgesetzt, die den in Friedenszeiten aufgewachsenen Generationen das Geschehene erklären sollen. Ein Bruch mit nationalen Erinnerungskulturen zugunsten eines länderüberschreitenden Blicks ist dabei neu: In der überarbeiteten Ausstellung des Memorial de Verdun ebenso wie im geplanten deutsch-französischen Museum am elsässischen Hartmannsweilerkopf.

„Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“

In die Reihe grenzüberschreitender Auseinandersetzungen mit dem Ersten Weltkrieg fügt sich die Installation „Kreuzweg“ von Stephan Schenk ein, die in der vergangenen Woche von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert eröffnet wurde. Schenk hatte 14 Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs bereist: Darunter befinden sich in der Erinnerungskultur präsente Orte wie Verdun, Somme und Marne, aber auch häufig vergessene Kriegsschauplätze wie das chinesische Tsingtau oder Tanga im heutigen Tansania.

Das Werk basiert auf 14 Fotografien, die jeweils kleine Ausschnitte des Bodens in der Größe eines Grabes zeigen. Zu sehen sind keine mit Krieg assoziierten Gräberlandschaften oder Trichterfelder, sondern Steine, Gräser und Farne. Die Natur hat sich ihren Weg gebahnt, gleichgültig gegenüber dem menschlichen Leiden. Die Aufnahmen ließ Schenk zu monumentalen Tapisserien (Wandteppich) verweben, die die Orte verfremden und als haptische Objekte erscheinen lassen.

Größe und Material haben den Effekt, dass sich die Darstellung bei Annäherung in ein abstraktes Muster der gewebten Fäden auflöst. „In den Abbildungen kommt die Resignation zum Ausdruck, dass sich die Ereignisse nicht annähernd realitätsgetreu darstellen lassen“, erinnerte Lammert an die unvorstellbare Dimension der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.

„Man kann das Leiden nicht greifen“ 

Die persönliche Aufarbeitung und ein Versuch des Verstehens waren Ansatzpunkt des 54-Jährigen Künstlers, dessen Großvater und Onkel in den Weltkriegen ums Leben kamen. Doch auch nach den Reisen an die ehemaligen Kriegsstätten resümiert er: „Man kann das Leiden nicht greifen, es ist ein Ding der Unmöglichkeit! Aber man darf es auch nicht vergessen und sollte eine gewisse Vorstellung davon formen.“

Erinnern möchte Schenk an Einzelschicksale, an die „Ideen, Vorstellungen und Ziele, die mit dem Krieg begraben wurden“. Hier sieht Schenk zugleich die Verbindung zum aktuellen Ausstellungsort, dem Mauer-Mahnmal im Bundestag. Auch hier werde der einzelnen Menschen gedacht. Das Zusammenführen der Gedenkräume sei eine Fügung. Die Installation kann bis Sonntag, 30. Oktober, im Mauer-Mahnmal des Bundestages im Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Schiffbauerdamm dienstags bis sonntags von elf bis 17 Uhr besichtigt werden. (ebr/18.04.2016)