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Überwiegend deutlich distanziert haben die juristischen Experten die geplante Neujustierung der Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen bewertet. Das zeigte sich am Mittwoch, 13. April 2016, bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unter dem Vorsitz von Johann David Wadephul (CDU/CSU). Unter die Lupe genommen hatten die Sachverständigen den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur "Fortentwicklung der parlamentarischen Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland im Zuge fortschreitender Bündnisintegration" (18/7360). Er fußt auf Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr unter Vorsitz des früheren Bundesverteidigungsministers Volker Rühe (18/5000).
Das Problem, wie es in dem Gesetzentwurf beschrieben wird: "Eine verstärkte militärische Integration erhöht die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Bündnispartnern und geht einher mit politischen Verpflichtungen, die auch die praktische Ausübung der Parlamentsrechte beim Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte berühren." Der Gesetzentwurf ziele darauf, "die Rechte des Bundestages bei der Begleitung der militärischen Integration zu sichern und zugleich die Bündnisfähigkeit Deutschlands zu stärken".
Prof. Dr. Georg Nolte zitiert in seiner schriftlichen Stellungnahme eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Auslandseinsätzen aus dem Jahre 1994: "Die verfassungsrechtliche Mitwirkung des Bundestages bei konkreten Entscheidungen über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte darf ... die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigen." Nolte gab zu bedenken: "Es ist nicht leicht zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt ist." Womit ein entscheidender Hintergrund des Gesetzesvorhabens beschrieben war.
Nolte, der in der Rühe-Kommission mitgearbeitet hatte, "ermutigte" die Parlamentarier ausdrücklich, gesetzlich den Parlamentsvorbehalt zu verdeutlichen. Demgegenüber sprach Prof. Dr. Heiko Sauer von einem "zwar gut gemeinten Versuch", der "aber nicht gut gemacht" sei. Der Entwurf gehe "deutlich über die Verfassungsgrenzen hinaus", meinte Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg. Und genau dies wurde von den meisten seiner Kollegen ebenfalls als Kernproblem angesprochen. Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Entscheidungen zu Wehrfragen sehr enge Grenzen gezogen. Daran müsse sich das Gesetz messen - es sei denn, der Bundestag setze mit einer Verfassungsänderung neue Maßstäbe.
Prof. Dr. Joachim Wieland beschrieb es deutlich: "Wenn das Parlament nicht die Kraft zur Verfassungsänderung findet, gelten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts." Dort werde im Zweifel jeder Einzelfall landen: "Und das Gericht wird sich auf die eigene Rechtsprechung stützen." Nach Wielands Einschätzung bringt der Gesetzentwurf "keine größere Rechtssicherheit". Er werde gar "die Rechtsfindung eher erschweren". Mithin: "Wenn es nicht geboten ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es geboten, kein Gesetz zu erlassen."
Prof. Dr. iur. Ulrich Hufeld sprach ein spezielles Problem an, die "Doppelbeanspruchung" des Bundestages in diesem Fall: "Das Parlament ist Gesetzgeber und Hauptadressat." Es solle "ein Gesetz geben und es durchführen". Und dürfe sich doch dabei "nicht sich selbst in den Rücken fallen".
Prof. Dr. Hans-Detlef Horn meinte, es könne nicht sein, dass das Parlament um sein Recht kämpfen müsse, über Bundeswehr-Einsätze zu entscheiden. Da verschiebe sich die "Argumentationslast". "Tauglicher" sei es, Kriterien für ein Verfahren zu entwickeln, um die Zustimmungsnotwendigkeit festzustellen. Der im Gesetzentwurf vorgesehene Katalog für eine solche Einstufung stieß bei den Experten eher auf Skepsis. Es werde immer auf Einzelentscheidungen ankommen, hieß es von einigen. (fla/13.04.2016)